Inschriftenkatalog: Lüneburger Klöster
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 76: Lüneburger Klöster (2009)
Nr. 3 Kloster Wienhausen 1309–1316, 2. H. 15. Jh.
Beschreibung
Wandmalerei im oberen westlichen Kreuzgangflügel.1) Teile der Ausmalung wurden 1964 im zweiten Joch von Süden freigelegt, die übrigen Malereien in den anderen Jochen 1966/67 (vgl. a. die jüngeren Wandmalereien im westlichen Kreuzgangflügel Nr. 66). Reste von Wandmalerei,2) die bereits 1955 freigelegt wurden, gibt es auch an der Südwand im östlichen Teil des südlichen Kreuzgangflügels. Vermutlich handelte es sich um Szenen aus der Vita Christi, die auf den die Bildfelder trennenden Rahmenleisten zumindest teilweise auch mit Inschriften versehen waren. Da die Inschriften bis auf zwei schemenhaft zu erkennende Buchstaben RA in gotischer Majuskel nur noch ansatzweise sichtbar, aber nicht mehr lesbar sind, ist dieser auf das Ende des 13. Jahrhunderts datierte Bestand der Wandmalereien im Kreuzgang hier nicht weiter berücksichtigt.
Das auf die Zeit unmittelbar nach der Erbauung des westlichen Kreuzgangflügels etwa zwischen 1309 und 1316 (vgl. Kommentar) datierte dortige Wandmalereiprogramm erstreckt sich an der Westwand über das erste bis siebte Joch von Süden. Es zeigt vor allem große Heiligenfiguren, die durch Tituli gekennzeichnet sind oder waren. Im ersten Joch ein Engel, im Zwickel über der Tür das Agnus Dei, rechts neben der Tür Johannes Baptista, oben über seinem Kopf der Titulus A. Im zweiten Joch eine Darstellung der Stiftung des Klosters Wienhausen, oben die thronende Madonna mit Kind, links von ihr der Klosterpatron Alexander, beiden überreicht die links darunter stehende Herzogin Agnes ein Modell der Klosterkirche, rechts von ihr die Äbtissin Margaretha von Schöningen und der Propst Dietrich von Prome, zwischen ihnen der in ihrer Amtszeit errichtete Westflügel des Klosters. Die Darstellung ist mit Inschriften in gotischer Minuskel versehen, die vermutlich aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen. Oben links über dem Kopf des Alexander eine ehemals sechszeilige Inschrift, möglicherweise eine Versinschrift, die nur noch schemenhaft zu erkennen ist, im rechten Teil durch Restaurierung hervorgehobene und dabei teilweise verfälschte Buchstaben, die keinen sinnvollen Text ergeben, daher Lesung nach den unmittelbar nach der Freilegung angefertigten Fotos (B). Darunter der die Alexanderfigur bezeichnende Titulus C, rechts über Maria der Titulus D, auch die drei unteren Figuren sind jeweils durch Tituli E–G bezeichnet, ebenso der Westflügel links oben im Dach (H). Die Inschriften B–G in bläulicher Farbe bei der Restaurierung erneuert, die Inschrift H in Braunrot. Im dritten Joch zwischen den beiden Fenstern der heilige Stephanus, der auf einem am Boden liegenden Mann steht, oben darüber der Titulus I, rechts des rechten Fensters ein steinewerfender Jude. Im vierten Joch in der Mitte zwischen den beiden Fenstern der heilige Laurentius, über ihm der Titulus J, außen neben dem linken Fenster Maria Magdalena mit Salbgefäß und dem fragmentarischen Titulus K, außen neben dem rechten Fenster eine weitere Heilige, deren Titulus fehlt. Im fünften Joch zwischen Tür und Fenster ein Heiliger, der auf einem Mann steht, der Titulus fehlt, rechts außen eine weibliche Heilige mit fragmentarischem Titulus L. Im sechsten Joch in der Mitte die heilige Katharina, links außen eine fragmentarisch erhaltene weibliche Heiligenfigur, beide ohne Tituli, rechts außen die heilige Agnes mit Titulus M. Im siebten Joch fragmentarisch erhalten Christus und der zweifelnde Thomas ohne Tituli. Die in gotischer Majuskel ausgeführten Tituli sind durch Restaurierung stark überarbeitet.
Inschrift B nach Fotos, Landesamt für Denkmalpflege Hannover.
Maße: Bu.: 7 cm (A, I), 3,5 cm (B), 4 cm (C, D), 2,6 cm (E), 3,3 cm (F, G), 1,2 cm (H), 5 cm (J), 4,5 cm (K), 4 cm (L), 3 cm (M).
Schriftart(en): Gotische Majuskel (A, I–M), gotische Minuskel (B), mit Versalien (C–H).
- A
S · JOH(ANN)ES · BAPT(ISTA) ·
- B
[ – – – ]benses · / [ – – – ] · / [ – – – ]iquo · / [ – – – ]dies · / [ – – – ] p(er)orantibvs ire · / [ – – – ] a(n)i(m)a data) iustosq(ue) ve(n)ire b)
- C
S · Alexand(er)
- D
· S Maria ·
- E
Agnes duciss[a]
- F
Margareta abb(at)issac) ·
- G
[th]iederi[c(us)]d) p(rae)posit[us]
- H
Claustru(m)
- I
· S STEPHANUS ·
- J
S · LAURENTIUS ·
- K
· S · MA[.......]
- L
[ – – – ]A ·
- M
AGNES
Versmaß: Bei der Inschrift B dürfte es sich um endgereimte Hexameter gehandelt haben.
Textkritischer Apparat
- Eventuell ein Kürzungszeichen hinter dem t, dann als datus oder datur aufzulösen.
- Die Lesung insgesamt unsicher.
- Im heutigen Erscheinungsbild alb(at)issa, da der Bogen des ersten b nicht nachgezeichnet wurde.
- Unsichere Lesung nach Foto 1965, das us-Kürzel heute als s hervorgehoben.
Anmerkungen
- Inv. Nr. WIEN Ca 107–113.
- Inv. Nr. WIEN Ca 117–119.
- Chronik und Totenbuch, S. XXII u. XXV.
- Domina Margaretha de Scheninge octava abbatissa huius monasterij Winhusen ... cum suo preposito Tiderico de prome refectorium hiemale sollicitavit edificari. Gedr. bei Böttger, Nekrolog, S. 200.
- Becksmann/Korn, Glasmalereien, S. 205.
Nachweise
- Fotos (1965), Landesamt für Denkmalpflege Hannover, Wienhausen, Kloster, Nr. 151.
- Maier, Kunstdenkmale Wienhausen, S. 81–83 (A, C–M), Abb. 73–75 u. 78.
Zitierhinweis:
DI 76, Lüneburger Klöster, Nr. 3 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di076g013k0000306.
Kommentar
Der Propst Dietrich von Prome ist in diesem Amt von 1309 bis 1315/16 urkundlich nachweisbar, die Äbtissin Margaretha von Schöningen von 1302 bis 1317.3) Da die Tituli im zweiten Joch erst später hinzugefügt worden sind, geben sie nur die Namen der Äbtissin und des Propstes wieder, die im 15. Jahrhundert für die Erbauer des Westflügels gehalten wurden. Entsprechend sind beide auch in dem um 1470 angelegten Nekrolog erwähnt.4) Offenbar entspricht diese Tradition aber den tatsächlichen Gegebenheiten, denn dendrochronologische Untersuchungen haben eine Entstehung des Westflügels in dieser Zeit bestätigt.5) Die Inschriften im zweiten Joch könnten im Zusammenhang mit der Ausführung des jüngeren Wandmalereiprogramms (vgl. Nr. 66) angebracht worden sein. Da die erhaltenen Buchstaben durch Übermalung stark verändert worden sind, kann dies jedoch nicht durch einen Vergleich der Schriftformen belegt werden.