Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 96: Lkr. Northeim (2016)
Nr. 282 Northeim, Museum 1638
Beschreibung
Passionsuhr. Holz, bemalt.1) Die Tafel, die ursprünglich in der 1870/71 abgebrochenen Liebfrauenkapelle der St.-Sixti-Kirche hing, wurde im Zuge der Renovierung von 1845/46 entfernt und in der Hieronymus-Kapelle eingelagert. Seit 1912/13 befindet sie sich im Museum; bis in die 1970er Jahre wurde sie in der ehemaligen Kapelle St. Fabian und Sebastian am Markt ausgestellt, von 1978 bis 1998 im früheren „Kirchenraum“ des gegenwärtigen Museums.2) Die Bildtafel ist umgeben von einem Rahmen, der außen von einer Viertelleiste begrenzt ist. Auf dem Rahmen gold auf braun gemalte, zentriert angeordnete Inschriften, jeweils unterbrochen von einem gemalten Rankenornament in der Mitte. Inschrift A auf der oberen Leiste, Inschrift B auf der linken und rechten Leiste. Der Rahmen ist überarbeitet worden: Der Text von Inschrift B war ursprünglich auf der oberen Leiste angebracht, wie sich unter Inschrift A erkennen lässt; außerdem wurden Rankenornamente in den Ecken beseitigt. Auf der unteren Leiste links vom Ornament das Chronostichon C mit diakritischen Zeichen zur Bezeichnung von Vokallängen, rechts davon die Stifterinschrift D.
In der Mitte der Tafel Christus vor einer weißen Weltkugel, an den Seiten von Wolken begleitet; die Rechte weist nach oben. Über dem „Nordpol“ der Kugel ein aufgehender Halbmond und ein Sternenhimmel, unter dem „Südpol“ die aufgehende Sonne mit elf stilisierten Strahlen; ein kleinerer Strahlenkranz geht von Christi Kopf aus. Der umgebende „Weltraum“ wird begrenzt durch ein kreisförmiges Zifferblatt, in dem auf der rechten und der linken Hälfte jeweils die Zahlen von i bis xii im Uhrzeigersinn, rot auf hellem Untergrund, aufgemalt sind (Inschrift E). Darum umlaufend 24 annähernd quadratische (ca. 15 x 15 cm), durch schmale graue Stege voneinander abgegrenzte Bilder. In den Zwickeln zwischen Stundenkreis und Bilderzyklus Darstellungen: oben links die Auferstehung der Toten (dargestellt durch Gerippe), oben rechts die Auferweckung des Jünglings von Nain, unten links die Auferweckung des Lazarus, unten rechts Jonas, der vom Wal ausgespien wird. Von den Stundenangaben gehen dünne goldene Linien zu den Bildern des Zyklus; unter den Bildern jeweils die hell auf braunem Hintergrund gemalten Beischriften F1–24, am Ende teilweise ein Ornament. Der Zyklus beginnt auf der linken Seite auf dem dritten Bild von oben mit dem Osterlamm und der Fußwaschung im Vordergrund (F1), das der siebten Stunde der linken Hälfte zugeordnet ist, und schreitet dann im Uhrzeigersinn fort. Es folgen das Letzte Abendmahl (viii. Stunde, F2); der Gang zum Ölberg (ix. Stunde, F3); Jesus im Garten Gethsemane mit den schlafenden Jüngern (x. Stunde, F4); der Verrat des Judas mit dem schwertschwingenden Petrus im Vordergrund (xi. Stunde, F5); Jesus wird zum Hohepriester Hannas geführt, zwei Szenen (xii. Stunde, F6); Jesus vor dem Hohepriester Kaiphas (i. Stunde der rechten Hälfte, F7); Petrus verleugnet Jesus zum dritten Mal im Hof des Kaiphas (ii. Stunde, F8), im Hintergrund der krähende Hahn; Jesus als Gefangener in Ketten (iii. Stunde, F9); Jesus (mit verbundenen Augen) wird angespuckt und verspottet (iiii. Stunde, F10); Jesus zum zweiten Mal vor Kaiphas (v. Stunde, F11); Jesus wird Pilatus überstellt (vi. Stunde, F12); Judas, mit einem Teufel über dem Kopf, bringt die 30 Silberlinge zurück (vii. Stunde, F13); Pilatus schickt Jesus zu Herodes, der ihn verspottet (viii. Stunde, F14); Herodes (links im Hintergrund) schickt Jesus zu Pilatus (rechts, mit Schwert) zurück (ix. Stunde, F15); Geißelung und Dornenkrönung in zwei Szenen (x. Stunde, F 16) auf der linken, größeren Bildhälfte, rechts die in der Beischrift nicht erwähnte „Vorstellung Christi“ (Jh. 19,3–15) mit der darüber rot auf den grauen Steg gemalten Inschrift G; Verurteilung, rechts der sich die Hände waschende Pilatus, die Kreuztragung im Hintergrund links (xi. Stunde, F17); Annagelung am liegenden Kreuz (xii. Stunde, F18); Verteilung der Kleider (rechts) sowie Maria und Johannes links unter dem Kreuz (i. Stunde der linken Hälfte, F19); Jesus verspricht dem reuigen Schächer (über dem ein Engel schwebt – über dem anderen ein katzenartiger Teufel) das Paradies (ii. Stunde, F20); Jesu Verzweiflung und Sterben (iii. Stunde, F21; Mk. 15,25), vom berittenen Hauptmann, der auf Jesus zeigt, geht ein Spruchband mit der rot auf hellem Untergrund gemalten Inschrift I aus; der Lanzenstich, den beiden Schächern werden die Beine gebrochen (iv. Stunde, F22); die Kreuzabnahme mit Joseph von Arimathia und Nikodemus (v. Stunde, F23); die Grablegung (vi. Stunde, F24). In den Bildern der Kreuzigung (F19–F22) jeweils schwarz auf hellem Untergrund gemalte Kreuzestituli, die nur einmal als Inschrift H wiedergegeben werden. Die Tafel weist Risse auf, die kleinere Textverluste in den Beischriften F verursachen.
Maße: H.: 134 cm; B.: 134 cm; Bu.: 2,5 cm (A, B), 1,5 cm (C, D), 3,2 cm (E), 0,4 cm (F), 0,3 cm (G), 0,2 cm (H, I).
Schriftart(en): Kapitalis (A, B, H), humanistische Minuskel mit Versal-A und Kapitalis-Versalien (C, D, G, I), gotische Minuskel (E), Fraktur (F).
- A
HOROLOGIVM · PASSIONALE .a)
- B
IESV CHRI·STI PASSIO. // NOSTRA EST · REDEMPTIO :3)
- C
AVtor es ô paCIs, reqVIeM Da, ô IoVa paternè /En qVaeso qVâ paX, est reparata rotâ .
- D
Casparus Wulf North(eimensis) Reip(ublicae) Secretarius / Anna Weinkamp: Anno 1638
- E
i ii iii iiii v vi vii viii ix x xi xii i ii iii iiii v vi vii viii ix x xi xii
- F1
Jesus Jsset mit seinen Jungern das Osterlam4) vndt wesch[et i]hnen die fühse5)
- F2
Jesus heldt das abendtmahl, macht sein Testament vndt / bescheidet mir darrein seinen wahren leib vndt bluht6)
- F3
Jesus gehet von Jerusalem in Öhlgartten7)
- F4
Jesus Ringet m[it] dem Tode vndt schwitzet Blut8)
- F5
Judas vereth Christum, Petrus hiebt malcho daß ohr ab, welches von / Christo geheilet9)
- F6
Jesus wirdt gebunden zum Schaffthor hinein zu Ha[nn]asb) geführet10)
- F7
Jesus wirdt ferner von Hannas zu Kaipha geführet,11) daselbst ver=/klaget vndt des Todts schüldig geachtet12)
- F8
Petrus folget Christo in Caiphae hoff vndt verleuchnet den Herrn / dahrvber bitterlich we[i]net13)
- F9
Jesus mus ein gefangener man sein14)
- F10
Jesus netzet seine gebundene hende mit thrähnen,15) vnd wirdt ins / angesicht gespeijet vndt gehönet16)
- F11
Jesus mus zum andern mahl fur das Geistliche recht, zu Caipha17)
- F12
Jesus wirdt pilato vberantworttet, vndt in den kerker gelecht18)
- F13
Judas bringt die 30 silberling wider19)
- F14
Pilatus schickt Christum zu Herode welcher ihnen verspottet,20)
- F15
Herohdes schicket Christum im weisen Kleide widr zu Pilato,21) welcher / von seinem weibe gewarnet22)
- F16
Jesus wirdt gegeisselt vnd mit dörnen gekröhnet23)
- F17
Jesus wird zum thode veruhrtheilet,24) vnd Simon hilft das creutz tragen25)
- F18
Jesus wirdt ans creutz genegelt auffgerichtet, vnd mit essig gedren[k]et26)
- F19
Jesus beuilt seine mutter Johann(em),27) [– – – v]mb den rogk das los / geworffen28)
- F20
Jesus sagt dem Schäc[h]er das paradies zu29)
- F21
Jesus clagt schmertzlich, Mein Gott wie hastu mich verlassen,30) / vberwindet vnd neigtt das haubt31)
- F22
Jesu seite wirdt aufgespaltet, den vbelthätern die beine zerbrochen32)
- F23
Jesus wirdt vonn Joseph vnd Nicodemo vom chreutze genom/men33)
- F24
Jesus ruhet in seinem Grabe34)
- G
Ecce Homo35)
- H
I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM)36)
- I
vere hic filius Dei37)
Übersetzung:
Passionsuhr. (A)
Das Leiden Jesu Christi ist unsere Erlösung. (B)
Urheber des Friedens bist du. Gib uns, Gott, als Vater Ruhe. Sieh, so bitte ich, die Folter (das Leiden der Passion) durch die der (unser) Friede erkauft ist. (C)
Caspar Wolf, Stadtsekretär von Northeim (und) Anna Weinkamp. Im Jahr 1638. (D)
Seht, der Mensch. (G)
Wahrlich, dieser war der Sohn Gottes. (I)
Versmaß: Chronodistichon, elegisches, mit der Jahreszahl 1638. (C)
Textkritischer Apparat
- Darunter die ursprüngliche, durch die schwarze Deckfarbe durchscheinende Inschrift: IESV CHRISTI PASSIO · NOSTRA EST REDEMPTIO.
- Ha[nn]as] Ausgefüllter Riss, der die Tafel etwas verbreitert, so dass mehr Platz als für nn nötig entsteht.
Anmerkungen
- Inv. Nr. 1997/345; Acc. Nr. 2685. Zur Zeit der Aufnahme (Februar 2014) im Magazin.
- Hueg, Leichensteine, S. 109. Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 2, S. 82. Weigand, Raum, S. 18. Eggeling, Aufgaben, S. 31. Behrens, Heimatmuseum, S. 77.
- Herberger setzt an das Ende seines lateinischen Vorwortes drei Chronogramme, darunter: IesV ChrIstI passIo / NobIs est redeMtIo; Herberger, Passionzeiger, fol. A5v.
- Herberger, Passionzeiger, S. 50: JESVS isset das Osterlamb. Zum Bild vgl. ebd., S. 50 u. 66 (Fußwaschung). Vgl. Mt. 26,17–25; Mk. 14,12–16; Lk. 22,7–15.
- Herberger, Passionzeiger, S. 57 (dort mit dem Abendmahl der achten Stunde zugeordnet). Zum Bild vgl. ebd., S. 58. Vgl. Jh. 13,1–16.
- Herberger, Passionzeiger, S. 57 (Abendmahl) u. S. 4. Vgl. Mt. 26,26–28; Mk. 14,22–24; Lk. 22,19–20.
- Herberger, Passionzeiger, S. 75. Vgl. Mt. 26,30; Mk. 14,26; Lk. 22,39. Zu den „kanonischen“ Passionsszenen ab dem Garten Gethsemane am Ölberg vgl. insgesamt TRE, Bd. 27, Art. Passionsfrömmigkeit (Ulrich Köpf), Abs. 5.4.1., S. 743–745.
- Herberger, Passionzeiger, S. 95. Zum Bild vgl. ebd. Vgl. Mt. 26,36–46; Mk. 14,32–42; Lk. 22,40–46.
- Bildbeischrift nicht bei Herberger; sinngemäß nach Herberger, Passionzeiger, S. 126f. u. 138f. Zum Bild vgl. ebd., S. 127. Vgl. Mt. 26,47–56; Mk. 14,43–49; Lk. 22,47–53; Jh. 18,1–11.
- Herberger, Passionzeiger, S. 142f. Vgl. Jh. 18,12–13.
- Herberger, Passionzeiger, S. 154f. Vgl. Jh. 18,24.
- Herberger, Passionzeiger, S. 152f. Vgl. Mt. 26,57–66; Mk. 14,53–64; Lk. 27,54; Jh. 18,14 u. 19–23.
- Bildbeischrift nicht bei Herberger; sinngemäß nach Herberger, Passionzeiger, S. 166ff., bes. S. 172–183. Vgl. Mt. 26,69–75; Mk. 14,66–72; Lk. 22,55–62; Jh. 18,15–18 u. 18,25–27.
- Herberger, Passionzeiger, S. 192.
- Herberger, Passionzeiger, S. 199.
- Herberger, Passionzeiger, S. 196f. Zum Bild vgl. ebd., S. 196. Vgl. Mt. 26,67–68; Mk. 14,65; Lk. 22,63–65.
- Herberger, Passionzeiger, S. 203. Vgl. Lk. 22,66–71.
- Herberger, Passionzeiger, S. 209. Zum Bild vgl. ebd. Vgl. Mt. 27,1–2; Mk. 15,1; Lk. 23,1; Jh. 18,28.
- Bildbeischrift nicht bei Herberger; sinngemäß nach Herberger, Passionzeiger, S. 232–250, bes. S. 249f. Zum Bild vgl. ebd., S. 230. Vgl. Mt. 27,3–5.
- Herberger, Passionzeiger, S. 259f. u. 263–266. Zum Bild vgl. ebd., S. 259 (identisch mit der Abb. S. 142). Vgl. Lk. 23,6–7.
- Bildbeischrift nicht bei Herberger; sinngemäß nach Herberger, Passionzeiger, S. 265–268. Vgl. Lk. 23,8–11.
- Sinngemäß nach Herberger, Passionzeiger, S. 276f. Zum Bild vgl. ebd., S. 268. Vgl. Mt. 27,19.
- Nach Herberger, Passionzeiger, S. 281–283 u. 296f. Zum Bild vgl. ebd., S. 281 (hinten links), 296 (vorne links), 306 (hinten rechts). Vgl. Mt. 27,27–30; Mk. 15,16–20; Jh. 19,1–3.
- Herberger, Passionzeiger, S. 315f. Zum Bild vgl. ebd., S. 316 (Handwaschung hinten rechts). Vgl. Mt. 27,11–26; Mk. 15,2–15; Lk. 23,2–25; Jh. 18,29–40 u. 19,4–16.
- Herberger, Passionzeiger, S. 344f. Zum Bild vgl. ebd., S. 344 (hinten links). Vgl. Mt. 27,32; Mk. 15,21; Lk. 23,26.
- Nach Herberger, Passionzeiger, S. 21, 370 u. 378f. Vgl. Mt. 27,33–34.
- Bildbeischrift nicht bei Herberger; nach Herberger, Passionzeiger, S. 412f. Vgl. Jh. 19,26–27.
- Nach Herberger, Passionzeiger, S. 409f. Vgl. Mt. 27,35; Mk. 15,24; Lk. 23,34; Jh. 19,23–24.
- Herberger, Passionzeiger, S. 419f. Zum Bild vgl. ebd., S. 412. Vgl. Lk. 23,43.
- Vgl. Mt. 27,46; Mk. 15,34.
- Herberger, Passionzeiger, S. 428f. Zum Bild vgl. ebd., S. 428. Vgl. Mt. 27,50; Mk. 15,37; Lk. 23,46; Jh. 19,30.
- Herberger, Passionzeiger, S. 464f. Zum Bild vgl. ebd., S. 464. Vgl. Jh. 19,30–37.
- Herberger, Passionzeiger, S. 490f. Zum Bild vgl. ebd., S. 490. Vgl. Jh. 19,38–40; Mt. 27,57–59; Mk. 15,43–45; Lk., 23,50–53.
- Herberger, Passionzeiger, S. 497. Vgl. Mt. 27,60; Mk. 15,46; Lk., 23,53; Jh. 19,41–42.
- Io. 19,5. Vgl. Herberger, Passionzeiger, S. 306(–315).
- Io. 19,19. Dazu bes. Herberger, Passionzeiger, S. 469.
- Nach Mc. 15,39: vero homo hic Filius Dei erat; vgl. Mt. 27,54: vere Dei Filius erat iste.
- Vgl. NDB, Bd. 8, 1969, S. 576f. (A. Henschel). ADB, Bd. 12, 1880, S. 28f. (Wagenmann). Bickerich, Leben Herbergers, S. 25–69.
- 1607, 1611, 1615, 1620; posthum die Ausgaben Herford 1635 u. 1636, Leipzig 1653 u. 1705. Mit Ausnahme der Erstausgabe von 1606 sind alle, teilweise mehrfach, nachzuweisen in den Staats-, Universitäts- oder Landesbibliotheken von Jena, Erfurt, Dresden, Leipzig, Rostock, Stuttgart, in der HAB Wolfenbüttel, der ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt, der Stiftsbibliothek Tübingen sowie der Stadtbibliothek Soest. Eine Neuausgabe besorgte 1854 Carl Friedrich Ledderhose; 1858 in 2. Aufl. Die SUB Göttingen besitzt die hier benutzte 3. Auflage von 1611 (8° H. E. U. 222/76).
- Der Stecher bezeichnet sich auf einigen Stichen (Herberger, Passionzeiger, S. 95) selbst mit den übereinander gestellten Buchstaben F H M; dieser Monogrammist wird bei Nagler mit dem Augsburger „Formschneider und Radierer“ Marx Anton Hannas identifiziert; Nagler, Monogrammisten, Bd. 3, S. 327, Nr. 928. Das Monogramm von Marx Anton Hannas, der erstmals 1610 als Lehrling erwähnt wird und bis 1676 wirkte, passt aber ebensowenig wie die von ihm herrührenden Stiche zur Passion zu denen bei Herberger; sein Monogramm liest sich sicher als AH M, wobei der gemeinsame Schaft von AH nach unten verlängert ist und auf den Winkel trifft, den die beiden Schrägschäfte des M bilden; vgl. Hollstein’s German Engravings, vol. XII A, S. 145–166, bes. Nr. 7, 8 u. 54 (Monogramm), S. 147 u. 162.
- Mt. 26,64; vgl. Mk. 14,62.
- Zu Jonas siehe bes. Herberger, Passionzeiger, S. 378. Vgl. LCI, Bd. 2, Sp. 420.
- Jakubowski-Tiessen, Leiden Christi, passim.
- Vgl. Religion in Geschichte und Gegenwart4, Bd. 3, Tübingen 2000, S. 1640 (C.-E. Schott). Bickerich, Leben Herbergers, bes. S. 37–47 u. 54; Herbergers „Passionzeiger“ spielt bei Bickerich (1927) keine Rolle.
- TRE, Bd. 27, Art. Passionsfrömmigkeit (U. Köpf), Abs. 6.1., S. 750–754. Vgl. Herberger, Passionzeiger, bes. S. 29–49.
- Vgl. TRE, Bd. 27, Art. Passionsfrömmigkeit (U. Köpf), Abs. 5.3.1, S. 738–741. Émile Bertaud, Art. Horloges spirituelles, in: Dictionnaire de Spiritualité 7/1, 1969, Sp. 745–763.
- Vgl. von Achen, Passion Clock, S. 130, Fig. 4; das Blatt Atzenbachs ist vorhanden im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg unter der Inv. Nr. HB 24769.
- Vgl. von Achen, Passion Clock, passim, bes. S. 129–131 u. die Abbildungen ebd., S. 120, 123, 128 u. 132.
- Bickerich, Leben Herbergers, S. 59.
- Von Achen, Passion Clock, S. 131, Anm. 18.
- Jaeger, Bürgermeister, S. 88. In den Jahren 1626/27, die dort ebenfalls genannt werden, war Wolf als Hardenbergischer Amtmann zeitweise an den Verhandlungen zur Übergabe der Stadt an Tilly beteiligt; in den dazu zitierten Quellen kommt er nie als Stadtsekretär vor; vgl. Hueg, Sturmzeit, S. 24 u. 89. Vennigerholz nennt ihn für 1629 als Stadtschreiber; Vennigerholz, Beschreibung, Bd. 2, S. 148, 150, 155.
- Vgl. Lütkemann, Leichenpredigt Wienkamp, S. 20–24.
- Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 952. Zu L(i)enhard Weinkamp vgl. Scheffler, Goldschmiede, Bd. 1, S. 61. Das Gemälde ist nicht als Epitaph für seine 1651 (nicht 1647!) gestorbene Frau anzusehen. Vgl. Lütkemann, Leichenpredigt Wienkamp. Caspar Wolf wirkte noch 1654 in Wolfenbüttel; vgl. StAW 8 Alt Wolf, Nr. 1186 (zit. nach Findbuch).
- DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 952 (B): Casparus Wulf praefecturae / Wulferbytanae quaestor / modernus inventor . A(nn)o . 1647 . / Anna Weincamps / I . H . Gieseler pinxit: ‚Caspar Wolf, Amtmann und Neubegründer des Amtes Wolfenbüttel. Im Jahr 1647. Anna Weinkamp. I. H. Gieseler hat (dies) gemalt.‘ (Neuübersetzung vom Verf.).
- Vgl. Kdm. Kreis Wolfenbüttel, S. 16 (Atzum). Kdm. Kreis Braunschweig, S. 202 (Kl. Stöckheim, 1652).
- Vgl. Thöne, Geist und Glanz, 1963, S. 104 u. 252. Oertel, Gemälde, S. 180f.
- HAB Wolfenbüttel 289 Noviss. 8° (ältere Signatur: 183.34 Theol.). Die gebundene Handschrift enthält die Seiten 180–265 des Drucks von: Evangelia und Send-Brife Der heil. Evangelisten und Apostelen, Welche, nach der Verdeutschung des H. Lutheri sel. an den Tagen des Herren und den Festen, auch den Gedächtnissen der Apostlen, und Martyrern, in den Kirchen des Brunswigischen Fürstentums Wolfenbüttelschen: und des Lünäburgischen Fürstentums Dannenbergischen Teils nach Anlas und Ordnung der so wolmeinend eingefürten Fürst-Christlichen Harmonien auf den Kanzlen gelesen und erkläret werden sollen: (…) Denselben seynd am Ende dises Kirchen-Evangeli-Buches, hinzu geordnet, dy Historien der Passion, oder des Leidens Jesu: und der Wider-Auferstehung, und Himmel-Hinauf-Fart desselbigen, wy sy aus den vyr Evangelisten zusammen getragen Und vereiniget, Wolfenbüttel 1650 (insg. 292 S.). Die Tuschezeichnungen sind als Durchschuss in unregelmäßigem Abstand eingebunden; diese Blätter sind mit einer modernen Blattzählung versehen. Der Maler nennt sich auf Bl. 2 (H. GISELER); die 24 Stundenbilder auf allen Blättern mit gerader Zahl, von Bl. 4 bis Bl. 50.
- Ebd., Bl. 49 u. 51.
Nachweise
- Hueg, Leichensteine, S. 109f.
- Eggeling, Heimatmuseum, Abb. [S. 37].
Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 282 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0028202.
Kommentar
Die regelkonforme Kapitalis der Inschriften A und B zeichnet sich durch serifenartige Sporen an Schaft-, Balken- und Bogenenden aus. Der Schrägschaft des N, die rechtsschrägen Schäfte von V und M, der Mittelbalken des H und die oberen und unteren Balken des E sind als Haarstrich ausgeführt, die Cauda des G ist eingestellt, die Cauda des R ist geschwungen, O ist spitzoval und mit leichter Bogenschwellung gestaltet. Die humanistische Minuskel der Inschriften C, D, G und I ist in der Ausführung von der Fraktur beeinflusst. Die Schäfte sind unten nicht gerade abgeschnitten, die Unterlänge des f reicht unter die Grundlinie. An den Unterlängen von p und q finden sich kleine, nach rechts gerichtete Zierbögen. Die Schrift zeigt eine gewisse Nähe zu der auf dem Bildnis des Barthold Viselius (Nr. 276), die Zierelemente sind aber weniger ausgeprägt als dort.
Grundlage für die Texte und Vorbild für die meisten Abbildungen ist der illustrierte „Passionzeiger“ des Valerius Herberger (1562–1627). Herberger war seit 1584 in seiner Geburtsstadt Fraustadt (unweit der niederschlesischen Grenze im Königreich Polen, heute Wschowa), nach einem Studium in Frankfurt/O. (1581) und Leipzig, Lehrer an der Lateinschule; 1590 wurde er Diakon an der Pfarrkirche, 1598 erster Prediger dort. 1604 musste die lutherische Gemeinde die Pfarrkirche St. Marien den Katholiken überlassen; auf Herbergers Initiative entstand in zwei zusammengelegten Wohnhäusern die neue evangelische Kirche „Kripplein Christi“. Herberger errang Ansehen weit über Fraustadt hinaus als Prediger (seine Predigten sind veröffentlicht in mehreren Sammelbänden) und als Verfasser des Kirchenliedes „Valet will ich dir geben“.38) 1606 erschien in Leipzig die erste Auflage des „Passion-Zeigers“ (so der Titel hier), bis 1620 folgten vier weitere Ausgaben, 1635/36 und 1653 posthume.39) Die Texte der meisten Bildbeischriften entsprechen den Titeln zu den einzelnen Stunden bei Herberger im Hauptteil (vgl. bes. F9 und den Anfang von F10). Die Zuordnung zu den Stunden stimmt mit einer Ausnahme (F1 und F2) überein; die Abänderungen sind näher an den Bibeltexten. Die Bilder sind, soweit diese vorhanden sind, an den kleinen Kupferstichen in Herbergers Buch orientiert40) – die letztlich in der Tradition der Bilderfindung von Albrecht Dürers kleiner Holzschnittpassion zu stehen scheinen –, doch ist die Ausgestaltung teilweise sehr frei; sie sind durchgehend spiegelbildlich wiederholt, was eine weitere Zwischenstufe möglich erscheinen lässt. Ohne Vorlage aus dem Buch sind die Bilder zu den Inschriften F3, F6, F9, F11, F18 und F23. Der zentral dargestellte Christus in der Aureole ist von Wolken umgeben nach Jesus’ Äußerung vor Kaiphas: … das jr sehen werdet des menschen Son sitzen zur Rechten der Krafft / und komen in den wolcken des Himels.41) Die Darstellungen in den Zwickeln unten (Auferweckung des Lazarus, der vom Wal ausgespiene Jonas42)) weisen voraus auf die Auferstehung der Toten bzw. Christi, deren Verheißung aus der Passion erwächst.
Herbergers Wirken steht am Beginn einer neuen Frömmigkeitsbewegung an der Wende zum 17. Jahrhundert, die auch zu einer Neubewertung des Karfreitags im Luthertum führte.43) In seinen vielfach aufgelegten Predigten und exegetischen Werken entwickelte Herberger ein theologisches Programm, bei dem Jesusfrömmigkeit und Christustheologie im Zentrum standen.44) In seinen Predigten zur Passion greift Herberger Luthers Neubestimmung der Rolle der Passion auf, die deren geistliche Konsequenzen in den Mittelpunkt rückt: Christus ist für die Menschen ( pro nobis) gestorben. Mit Melanchthon geht er von der Vergegenwärtigung der Leidensgeschichte zur Meditation über die Bedeutung der Leiden Christi für das eigene Leben über.45) Das Northeimer Horologium passionale schafft auf dieser Grundlage eine neue Form der Verbildlichung, die sich von den spätmittelalterlichen Darstellungen ebenso unterscheidet wie Herbergers Text von den älteren „Passions-Horologien“ wie dem „Zeitglöcklein“ des Priesters Berthold. Allerdings steht der Titel des vorliegenden Gemäldes – Inschrift A – in dieser Tradition.46)
Die Komposition des Malers des Northeimer Bildes hat keine Nachfolger gefunden. Dies zeigt zum einen das in der Mitte des 17. Jahrhunderts von dem Kölner Stecher Gerhard Atzenbach veröffentlichte Blatt Uhrwerck des Leyden JESV CHRISTJ, das zwar zwei Halbovale mit jeweils 12 Stunden aufweist, in das Zentrum aber eine Darstellung des Gekreuzigten stellt und auch bei den 24 Einzelbildern und den zugeordneten Texten nicht in der Tradition Herbergers steht.47) In Skandinavien, wo zwei andere Bildkompositionen seit etwa 1720 weite Verbreitung fanden, liegt ebenfalls eine Neuerfindung vor.48) Obwohl Herbergers „Passionzeiger“ großen Eindruck auf die als Jugendliche zum Protestantismus übergetretene Schwester des polnischen Königs Sigismund III. Wasa, Anna von Schweden (1568–1625), gemacht hatte, die im damals polnischen (später westpreußischen) Strasburg (heute Brodnica) lebte,49) geht von seinem Buch – das 1637 ins Schwedische übersetzt wurde50) – keine direkte Verbindung zu den pietistisch geprägten Werken des 18. Jahrhunderts in Skandinavien aus.
Caspar Wolf wird von 1636 bis 1639 als Stadtsekretär von Northeim genannt.51) 1628 hatte er Anna Weinkamp (1595–1651) geheiratet, eine Tochter des Braunschweiger Goldschmieds L(i)enhard Weinkamp. Das Paar hatte eine Tochter, Anna Sophia, die noch zu Lebzeiten der Mutter den Arzt Christian August Mithoff (Mithobius, 1615–1657) heiratete.52) Caspar Wolf oder Wulf wurde spätestens 1643 Amtmann in Wolfenbüttel, als die seit Dezember 1627 von kaiserlichen Truppen besetzte Stadt und Festung wieder in herzoglichen Besitz kam. Caspar Wolf und Anna Weinkamp stifteten 1647 ein – nicht erhaltenes – Gemälde für die Braunschweiger Michaelis-Kirche mit einer Darstellung des auferstandenen Christus in einem Kranz von zwölf Strahlen; auf den seitlichen und oberen Rahmenleisten trug das Bild die mit (B) und (A) fast identischen Inschriften CHRISTI PASSIO / NOSTRA REDEMPTIO und HOROSCOPIA PASSIONIS – die letztere zitiert den lateinischen Titel von Herbergers Werk.53) Vermutlich hatte das Paar einen Zyklus gestiftet, zu dem nach der Überlieferung 19 (von ursprünglich 24?) Passionsgemälde gehörten. Als Maler nannte sich auf dem Rahmen neben den beiden Stiftern I. H. Gieseler.54) Caspar Wolf und Anna Weinkamp haben außerdem für Klein-Stöckheim (heute der südlichste Stadtteil von Braunschweig) und Atzum (nordöstlich von Wolfenbüttel) jeweils einen spätmittelalterlichen Kelch erworben und den Gemeinden gestiftet.55)
Hinter dem Namen dürfte sich der Maler Hans (Johann) Gieseler verbergen, der zwischen 1636 und 1648 in Rechnungen des Hofes in Wolfenbüttel erscheint, wo er darüber hinaus bis mindestens 1656 nachzuweisen ist und in der Kirche „Beatae Mariae Virginis“ tätig war.56) Gieseler fertigte 1652 zu einer Passionsdarstellung 24 grau-schwarze Tuschezeichnungen an, die mit römischen Stundenzahlen überschrieben sind.57) Die ebenfalls von Herberger übernommenen Beischriften entsprechen im Kern denen auf der Northeimer Tafel, sind aber länger. Die meisten Bildideen und vor allem die wesentlich qualitätvollere Ausführung unterscheiden sich dagegen erheblich. Gegenüber der Northeimer Passionsuhr ist nur die Zuordnung von F 19 (erste Hälfte) und F 20 zur i. bzw. ii. Nachmittagsstunde vertauscht; zu F 24 zeigt das Northeimer Bild etwas unpassend eine Grablegung, während Gieseler die vor dem Grab wachenden Wächter malt. Vor jeder Passionsszene findet sich zudem ein Rundbild mit einer zumeist alttestamentlichen Szene und entsprechenden Stellenverweisen. Zu diesen gehören auch der vom Wal ausgespiene Jonas und eine Auferstehung der Toten,58) die in Northeim in den Zwickeln oben links und unten rechts zu finden sind. Angesichts des deutlichen Qualitätsunterschiedes, der sich auch auf anderen erhaltenen Werken des Meisters zeigt, ist nicht anzunehmen, dass Hans Gieseler auch schon das Northeimer Bild schuf. Möglicherweise stellen die Tuschebilder aber Wiederholungen der Braunschweiger HOROSCOPIA PASSIONIS von 1647 dar.
Das Chronodistichon C, das Gott als Urheber des Friedens anredet und ihn um ‚Ruhe‘ bittet, verleiht der Friedenssehnsucht im 1638 seit mehr als einem Jahrzehnt vom Krieg schwer betroffenen Northeim Ausdruck. Die Leiden Christi (in rota schwingt zugleich die kreisförmige Anordnung von deren Darstellung auf der Tafel mit) werden als Preis für den Frieden evoziert. Die Betrachtung der Tafel soll in den Bürgern, so wird man sagen können, nicht nur theologisch Hoffnung auf Erlösung (Inschrift B), sondern auch Hoffnung auf den ersehnten Frieden erwecken.