Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 139 Moringen, ehem. Kirche St. Martin 1571, ?

Beschreibung

Zwei Ecksteine. Eingelassen in die Südwest- und die Nordwestecke des Turms in etwa 5 m Höhe. Die Inschrift auf Stein I verläuft in zwei Zeilen über die Ecke von der West- zur Südseite. Auf die obere Zeile an der Westseite folgen die beiden Zeilen an der Südseite, danach die untere Zeile an der Westseite; zwischen den Zeilen ein Steg. In der Inschrift ein Krückenkreuz. Auf Stein in der Nordwestecke Inschrift II A in zwei Zeilen von der Nord- zur Westseite. Die Inschriften erhaben in vertiefter Zeile, teilweise verwittert. Auf dem Steg zwischen der oberen und der unteren Zeile von Inschrift II A die nur halb so hohe, erhabene, stark verwitterte Inschrift II B. Als Worttrenner dienen Quadrangel mit Zierhäkchen, Sternchen und Hochpunkte, die in Inschrift II A etwa in der Mitte der unteren Zeilenhälfte stehen.

Maße: Stein I: H.: ca. 26 cm; B.: ca. 126 cm (Westseite), T.: ca. 38 cm (Südseite); Bu.: ca. 8 cm.Stein II: H.: ca. 28 cm; B.: ca. 80 cm (Westseite); T.: ca. 48 cm (Nordseite); Bu.: ca. 7 cm (II A), ca. 4 cm (II B).

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (I), Kapitalis (II).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Lara-Sophie Räuschel) [1/4]

  1. I

    ALLE · DINCK VORGENCK IS // GODES · / GENAD(E)a) SI // MIT · VNS + · ANNOb) 15·71 ·

  2. II A

    GOTT ALLEIN // DIE EHRE1) · HANS · HEN//RICH · STAPEL // ERENST · CRVMAVGENc) ALTd)

  3. II B

    A[…] C[..] // [.]5 : [1]9e) · VM D[I]E ·

Übersetzung:

Alle Dinge sind vergänglich. Gottes Gnade sei mit uns. Im Jahr 1571. (I)

Kommentar

In Inschrift I sind die linksschrägen Schäfte verstärkt und zum Ende hin leicht verbreitert; die normalbreiten Schäfte weisen am Ende keilförmige Verbreiterungen auf. Die Balken von E und T sind stark verkürzt, die I sind mit Nodi versehen. N ist zumeist mit eingezogenem Schrägschaft gestaltet, einmal retrograd (DINCK). Der Bogen von C ist weit offen und teilweise verstärkt; das G ist unten eingerollt. Bemerkenswert ist das eingerollte unziale D mit einem spitzen oberen und einem verbreiterten unteren Bogenende. Bei der schrägliegenden Kapitalis in ANNO weist A einen gebrochenen Balken auf, N ist normal, O kleiner. Die 1 ist gebogen, oben keilförmig verbreitert, unten spitz zulaufend; die 5 besteht aus einem verstärkten, unten spitz zulaufenden Bogen und einem kurzen, am Ende keilförmig verbreiterten Balken, die 7 ist linksschräg gestellt. Die Buchstaben in Inschrift II A entsprechen in ihrer Grundform eher der idealtypischen Kapitalis. Die Cauda des G ist gerade, M ist konisch, O spitzoval. Die schaftförmige 1 ist unten gespalten, die schräggestellte 5 mit Schaft, durchgebogenem Balken und gebrochenem Bogen.

1566 war die Martini-Kirche, die nach 1542 den eigenen Pfarrer und Kirchenvorstand verloren hatte, so baufällig, dass Einsturzgefahr bestand. Nachdem Benedikt von Mandelsloh, Besitzer des Adelsgutes in Moringen, 1566 20 Rtlr. gestiftet hatte, folgten seinem Beispiel andere gottselige Personen, nämlich Thylo Deusecken, Valentin Schwartzeburg, Barthold Hornhard und Georg von Mandelsloh, die insgesamt 73 Rtlr. gaben; daran erinnerte auch eine Inschrift in der Kirche (Nr. 129). Die Gewölbe wurden abgenommen und durch eine Balkendecke ersetzt; vermutlich erinnerte daran die Inschrift auf Stein I von 1571.2)

Die Inschriften auf Stein II wurden von Domeier mit einer durch Kirchenrechnungen belegten Verkürzung und Reparatur des im Dreißigjährigen Krieg ausgebrannten Kirchturms im Jahr 1659 in Verbindung gebracht. Tatsächlich gab es zu dieser Zeit einen Kämmerer Hans Heinrich Stapel, der von 1671 bis 1677 oder 1678 Bürgermeister war; er starb 1679.3) Andererseits entspricht die erhaltene 5 in ihrer Form Ziffern des 16. Jahrhunderts, und eine Jahreszahl 1659 lässt sich nicht ergänzen.

Textkritischer Apparat

  1. GENAD(E)] Kürzungsstrich nach D.
  2. ANNO] Das O kleiner.
  3. CRVMAVGEN] Die beiden V teilen sich jeweils einen Schaft mit dem M, in das das A zugleich so eingeschrieben ist, dass sich die beiden Buchstaben den rechten Schaft teilen.
  4. Zu ergänzen ist ALT(ERLEVTE) oder ALT(ARISTEN).
  5. [.]5 : [1]9] Vor der sicheren 5 ein größerer Abstand bis zur Ecke, danach ein großer Abstand mit Doppelpunkt; die 1 ist nur schwach zu erkennen, die 9 ist beschädigt. Domeier, der die Inschrift II B sonst nicht hat: 1659.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon, Bd. 2, Sp. 1, Nr. 10. Nach 5. Mo. 32,3 bzw. Ps. 115,1.
  2. Domeier, Moringen1, S. 96f. u. 136; Ders., Moringen2, S. 92 u. 135.
  3. Vgl. Domeier, Moringen1, S. 59 u. 141; Ders., Moringen2, S. 63 u. 139.

Nachweise

  1. Domeier, Moringen1, S. 97.
  2. Domeier, Moringen2, S. 92.
  3. Scheibe, Zeugnis, S. 234 (nach Domeier).
  4. Krack, Martini-Kirche, S. 66 u. 67 (nach Domeier).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 139 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0013909.