Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 96: Lkr. Northeim (2016)

Nr. 18 Moringen, Liebfrauen 1. H. 14. Jh.

Beschreibung

Glocke. Bronze. „Martiniglocke“. Die leicht erhaben gegossene Inschrift verläuft unterhalb der Glockenschulter zwischen zwei Kordelstegen, der untere ist stellenweise beim Guss verrutscht. Die Buchstaben wurden aus teilweise gedrehten Wachsfäden gelegt. Die Krone ist mit Flechtband verziert. Die Glocke wurde in den 1620er Jahren wegen der Kriegs-Zeiten aus der St.-Martin-Kirche im ungeschützten Oberdorf in die Liebfrauenkirche in der Stadt gebracht.1)

Maße: H.: 109 cm; Dm.: 125,5 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Julia Zech) [1/3]

  1. + IN · PRI(N)CIPIO ERAT · VERBUM · ET · UERBVM · ERAT · APVD · DEVM2) · S(ANCTVS) · PETRVS · S(ANCTVS) · PAV(LV)S · S(ANCTVS) · IOHANNES · S(ANCTVS) · NICOLAVS · I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)3) ·

Übersetzung:

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott. Der heilige Petrus. Der heilige Paulus. Der heilige Johannes. Der heilige Nikolaus.

Kommentar

Die Schäfte der Buchstaben sind etwa zur Hälfte mit Zierstrichen versehen bzw. verdoppelt. Am P in PAV(LV)S sind Schaft und Zierlinie nach außen gezackt. Einfache Schäfte weisen, wie auch die Bögen des S, zumeist einen Nodus auf; die Schaftenden sind keilförmig verbreitert, seltener unten gespalten und umgebogen. Für INRI werden rein kapitale Formen ohne Nodi oder Zierstriche verwendet. In Bögen finden sich zumeist senkrechte Zierstriche, seltener sind Ansätze zu Bogenschwellungen wie beim R im ersten ERAT und beim M in UERBVM. Der Wechsel von kapitalen und runden Formen kommt vor bei N, T, D und B, erstreckt sich aber nicht auf das immer unziale E. A erscheint überwiegend in der flachgedeckten Form, bei der der linke Schaft und der Mittelbalken verdoppelt sind; im ersten ERAT und in IOHANNES ist der rechte Schaft schräg, bei APVD ist es der linke. Das kapitale N kommt in Normalform vor und retrograd in NICOLAVS und in IOHANNES; dort ist das zweite N rund mit konturiertem Schaft und geschwungenem Bogen gestaltet. Auffallend ist das aus der runden Grundform entwickelte N in IN: Der Bogen ist zu einem senkrechten, verdoppelten rechten Schaft und einem geschwungenen Abschlussstrich oben umgeformt, der linke Schaft ist unten nach außen umgebogen. Der Wechsel von V und U tritt im selben Wort ein. Beim U in VERBUM ist der senkrechte linke Schaft verdoppelt und unten umgebogen, der rechte geschwungen; in UERBVM findet sich dagegen ein eckiges U, bei dem der linke senkrechte Schaft verdoppelt, der rechte mit Nodus versehen ist. V wird abgewandelt durch die Position der Zierlinien, die am linken wie am rechten Schaft auftreten, aber auch ganz wegbleiben können. I erscheint in PRI(N)CIPIO dreifach variiert mit verdoppeltem Schaft, die gespaltenen Enden unten hochgebogen, sowie mit Nodus am einfachen und am verdoppelten Schaft. C, E und D sind aus einer kreisförmigen Grundform entwickelt, die Bogenenden sind mit spitzwinklig angesetzten Zierhäkchen versehen. Der Bogen des C ist fast geschlossen; der Abschlussstrich am unzialen E ist zumeist senkrecht mit nach außen umgebogenen Enden ausgeführt, in beiden ERAT und in IOHANNES hingegen der bogenförmigen Grundform eingepasst. Beim retrograden kapitalen D in APVD ist der Schaft bogenförmig, die Lesung ist durch die nach rechts angesetzten Zierhäkchen an den Bogenenden markiert. An dem unmittelbar folgenden, geschlossenen unzialen D in DEVM ist der freie obere Bogenabschnitt hingegen nach links gerichtet. In UERBVM erscheint ein halbunziales B, das R in VERBUM ist weit offen, die oberen Bogenenden von P und R sind sonst über den Schaft hinaus verlängert und teilweise abgeknickt; die Cauda des R ist zumeist geschwungen, mit Nodus im zweiten ERAT. Der linke Bogen des rechtsgeschlossenen M ist geschwungen und einmal (in UERBVM) ohne Verbindung zum geschlossenen Bogen ausgeführt. Die variantenreiche Form der voll entwickelten gotischen Majuskel lässt insgesamt auf eine Entstehung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts schließen.

Zur Anbringung des Anfangs des Johannesevangeliums auf Glocken vgl. den Kommentar zu Nr. 5. Die Glocke wurde geläutet, wenn Verstorbene aus den zur Martini-Kirche gehörenden Dörfern zu Grabe getragen wurden.4)

Anmerkungen

  1. Antiquitates Moringenses, S. 58. Domeier, Moringen1, S. 113. Letzner führt sie kurz vor 1600 noch in der Martinikirche auf; Letzner, Klösterchronik (Cod. Ms. Hist. 248), S. 866; (Cod. Ms. Hist. 249), fol. 963r.
  2. Io. 1,1.
  3. Io. 19,19.
  4. Antiquitates Moringenses, S. 58.

Nachweise

  1. Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 133.
  2. Letzner, Klösterchronik (Cod. Ms. Hist. 248), S. 866; (Cod. Ms. Hist. 249), fol. 963r.
  3. Antiquitates Moringenses, S. 58.
  4. Domeier, Moringen1, S. 113 (Nr. II).
  5. Domeier, Moringen2, S. 105 (Nr. II).

Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 18 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0001809.