Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 96: Lkr. Northeim (2016)
Nr. 123(†) Uslar, Schlossruine u. Museum 1559 u. später
Beschreibung
Fenstergiebel des Kellergeschosses. Stein. Von dem ab 1559 durch Herzog Erich II. erbauten Schloss „Freudenthal“, das 1612 abbrannte, sind in einem Park westlich der St.-Johannis-Kirche nur noch Grundmauern und Teile des Kellergeschosses erhalten. Einige Fenstergiebel tragen Inschriften, die sich zum Teil nicht mehr in situ befinden. Erhalten sind ein dreieckiger Giebel, heute unterhalb einer Muschel eingelassen in die Mauer des alten Amtshofes südwestlich der Kirche; in der dreieckigen Platte, umgeben von Renaissance-Beschlagwerk, ein vertieftes, rechteckiges Feld mit der Inschrift I. An der Südseite der Ruine (im Hof des früheren Krankenhauses) im Giebel über einem Fenster eine ebenso gestaltete, dreieckige Platte mit einem rechteckigen Feld und der Inschrift II. Die gleichlautende Inschrift auf einem ausgelösten Stein im Museumshof (III). An der Nordseite der Ruine drei weitere Giebel mit rechteckigen Feldern, stark verwittert; im mittleren Giebel Inschrift IV. Inschrift V, überliefert von Mithoff, hat sich in einem der beiden anderen Giebel befunden, die, anders als 1953 (Schürmann), heute vollkommen verwittert sind. Alle Inschriften vertieft. Die Worttrenner sind sternförmig.
Inschrift V nach Mithoff.
Maße: Giebel: H.: 37 cm (I), 35 cm (II, III); B.: 109 cm (I), 120 cm (II, III); Innenfeld: H.: 7 cm (II, III), 12 cm (IV); B.: 34 cm (II, III), 38 cm (IV); Bu.: 4,5 cm (I, IV), 3,5 cm (II, III).
Schriftart(en): Kapitalis.
- I
1559
- II
E(RICH) · H(ERZOG) · Z(V) · B(RAVNSCHWEIG) · V(ND) · L(VNEBVRG) ·
- III
E(RICH) · H(ERZOG) · Z(V) · B(RAVNSCHWEIG) · V(ND) · L(VNEBVRG) ·
- IV
I(NITIVM) · S(APIENTIAE) · T(IMOR) · D(OMINI)1)
- V †
D(IE) F(VRCHT) D(ES) H(ERRN) I(ST) D(ER) W(EISHEIT) A(NFANG)a)2)
Übersetzung:
Der Beginn der Weisheit ist die Furcht vor dem Herrn. (IV)
Textkritischer Apparat
- D F D H L ? ? A Schürmann (1953): „die Buchstaben [sind] nicht mehr zu entziffern“.
Anmerkungen
- Ps. 110,10 (G); auch Sir. 1,16. Zur Verwendung als Devise vgl. Dielitz, Wahl- und Denksprüche, S. 150; Löbe, Wahlsprüche, S. 38.
- Ps. 111,10; auch Sir. 1,16. Zur Verwendung als Devise vgl. Löbe, Wahlsprüche, S. 11.
- Vgl. Reuschel, Uslars Neustadt; Ders., Neue Erkenntnisse; Ders., Schloß Freudenthal, S. 79–84. Schürmann, Burgruine Freudenthal.
Nachweise
- Mithoff, Kdm. Göttingen und Grubenhagen, S. 194.
- Schürmann, Burgruine Freudenthal, S. 13.
- Witt-Krakow, Uslar, S. 78 (Abb. A), 63 (Abb. B).
- Maier/Engel, Schlösser, S. 14f. (Abb. 5–7).
- Reuschel, Schloß Freudenthal, S. 80 (Abb. A).
- Hahn, Schloß Freudenthal, S. 7 (Abb. A) u. 11 (Abb. B).
Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 123(†) (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0012302.
Kommentar
Die Buchstaben der normgerechten Kapitalis zeichnen sich durch serifenartige Sporen aus sowie durch eine Verlängerung des Bogens und der Balken nach links über den Schaft hinaus; H ist in (II) ohne, in (III) mit Ausbuchtung im Querbalken gestaltet.
Die fünf Inschriften, die gewiss nur einen kleinen Ausschnitt eines größeren Programms darstellen, sind bemerkenswert durch die Mischung aus Selbstdarstellung und Bibelzitaten, die auch für die protestantischen Untertanen des katholisch gebliebenen Herzogs akzeptabel waren. Die Ausführung setzte allerdings gebildete Leser voraus, die in der Lage waren, die Initialen zu entschlüsseln.
Der 1559 begonnene Bau des groß dimensionierten Schlosses mit einer Seitenlänge von etwa 80 mal 88 Metern, für den eine ältere Burg und Bürgerhäuser weichen mussten, führte mindestens zur Fertigstellung eines Flügels, der allerdings 1612 abbrannte. Die Ruine wurde von den Einwohnern der Stadt in den Folgejahren als Steinbruch genutzt. Die vom Herzog verfügte Umbenennung auch der Stadt in „Freudenthal“ ging mit seinem Tod unter.3)