Inschriftenkatalog: Landkreis Northeim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 96: Lkr. Northeim (2016)
Nr. 65 Kreiensen, Friedenskirche 1482
Beschreibung
Glocke. Bronze. Die an einem Gestell hängende kleine Stundenglocke stand zur Zeit der Aufnahme im Jahr 2013 im Kirchenraum. Die erhaben gegossene Inschrift zwischen Stegen unterhalb der Schulter. Die mithilfe von Modeln angefertigten Buchstaben wurden beim Guss teilweise gestört und fast bis zur Unkenntlichkeit flachgedrückt, verschmiert oder verschoben. Als Worttrenner dienen griechische Kreuze, die teilweise eine Tendenz zum Tatzenkreuz aufweisen. An der Flanke noch die Registriernummer der Ablieferung im Zweiten Weltkrieg.1)
Maße: H.: 42 cm; Dm.: 46 cm; Bu.: 2,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
a(nn)o d(omi)nia) m cccc lxxxii + consvlorb) + viva + fleoc) + mortva + pellod) + nocivae)2) +
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1482. Ich tröste, was lebt; ich beweine, was gestorben ist; ich vertreibe, was schadet.
Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt (consvlor … nociva).
Textkritischer Apparat
- a(nn)o d(omi)ni] Das o als kleiner Kreis über dem a; dni folgt ohne Abstand zum a.
- consvlor] Irrtümlich für consolor; der untere Bogenabschnitt des s hat sich über den linken Schaft des darauffolgenden v geschoben, bei dem es sich keinesfalls um ein o handelt, da oben zwei gebrochene Schaftenden zu erkennen sind; das erste o ist ausgefüllt.
- viva + fleo] Flachgedrückt und dadurch erheblich beeinträchtigt.
- pello] e ohne Balken ausgeführt, das o erheblich kleiner.
- nociva] n verschmiert, o ausgefüllt, v an dem gebrochenen linken unteren Bogenabschnitt mit Anhängseln, so dass der Eindruck eines p entsteht.
Anmerkungen
- 5/8/5.
- Vgl. Walther, Proverbia, Bd. II/1, S. 373 (Nr. 3193b).
- Etwa gleichzeitige Glocken mit der vorliegenden Inschrift finden sich in Helmstedt und Braunschweig; vgl. DI 61 (Stadt Helmstedt), Nr. 25 (1480); DI 35 (Stadt Braunschweig I), Nr. 237 (1489).
Nachweise
- Kdm. Kreis Gandersheim, S. 243.
- Corpus bonorum von Greene (1752); StAW 129 Neu 72, Nr. 99, S. 179 (mit Fehllesungen).
Zitierhinweis:
DI 96, Lkr. Northeim, Nr. 65 (Jörg H. Lampe, Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di096g017k0006500.
Kommentar
Trotz der vielfältigen Störungen beim Guss lassen sich einige Merkmale der Schrift ausmachen: Sie zeigt ein doppelstöckiges a, bei dem der obere Bogen (außer in mortva) nicht gebrochen ist; beim runden s sind die Bögen als ineinander verschoben intendiert (vgl. Anm. b); das t steht im Mittelband. In pello ist das p die ganze Zeile füllend vergrößert.
Der im Mittelalter verbreitete Spruch, der zum Typus der Funktionsbestimmung der Glocken gehört, findet sich auch noch auf einer Glocke in St. Sixti in Northeim aus dem Jahr 1317; Nr. 13. Dort weitere Nachweise.3)