Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 631 Oberstenfeld, ehem. Stiftskirche St. Johannes d. T. 1626

Beschreibung

Gedenktafel außen über dem Nordportal. Aedikula aus Buntsandsein. Im halbkreisförmigen Giebelfeld Relief des Stiftspatrons mit Beischrift (A), flankiert von zwei Vollwappen. Darunter – den Wappen zugeordnet – die Inschriftblöcke (B1, B2). Auf den Rahmen-Pfeilern je zwei Wappenschilde mit Beischriften auf Schriftbändern; im Feld Inschrifttafel (C), beginnend mit zwei Psalm-Versen (Bibel-Zitat oben auf dem Rahmen). In der Sockelzone kreisrunde Inschrift-Kartusche (D) zwischen Laubwerk-Voluten, auf dem Rahmen zugehöriges Bibel-Zitat.

Maße: H. ca. 340, B. ca. 280, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D), Fraktur (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    SANCT · IOHAN(N)ES

  2. B1

    DOROTHEA VOM NEWENHAVS / APTISSIN DISER LOEBLICHENFR/ EYEN ADENLICHEN STIFTVNG KA/M IN DISEN STIFT AN(N)O: 1582 / VND ZVR APTEY A(NN)O: 1598 ·/

  3. B2

    CATHARINA VON ZEYSKHEIM / CHORIVNGFRAW DISER LOE=/=BLICHEN FEYEN ADENLIC/HEN STIFFTVNG KAM IN DI/SEN STIFFT A(NN)O: 1590 ·/

  4. C

    Psalm: 27 · V(ers) · 4 ·1) Ains bit ich von dem Herrn das hette ich gern · Das / Ich Im Hauß des Herren Bleyben möge · mein / Leben lang zue Schauwen die Schöne Gotts Dienst / Dess Herrn Vnnd Seinen Tempel zue Besuchen ·/ Psalm 84 · v(ers) 34 ·2) Mein Seele verlangt und sehnet sich nach den / Vorhöfen dess Herrn mein leib vnnd Seel freuen sich / im lebendigen Gott · dan der Vogel hat ein hauss funden / Vnnd die schwalbe Ir nest Da sie Jungen heckhen · Näm/blich Deine Altar herr zebaoth Mein König Vnnd Mein Gott ·/ M(agister) Johannes Widman(n) ·/ Zu der Zeit Stiffts Pfarrer // Vlrich Rentz Diser Zeith / Stiffts Amptmann · 1626 ·

  5. D

    AN WELC=/HEN ORT · ICH · / MEINES NAMENS · / GEDEICHTNVS · S/TIEFTEN WERDE · DA · / WIL · ICH · ZV · DIR · K=/OM(M)EN VND DICH / SEGNEN // EXOD(VS) · CAP(ITEL) · XX · VERS · XXIV3)

 
Wappen:
Neu(en)haus, Zaiskam
   
Wappen mit Beischriften:
REICZENSTEIN KRANS
GOTFART DACHENHVS

Die Tafel nennt die Angehörigen des reichsfreien evangelischen Stifts im Jahre 1626. Dorothea von Neuenhaus war 1598 als Nachfolgerin der zurückgetretenen Sophia von Remchingen zur Äbtissin gewählt worden und regierte bis zu ihrem Tod 1636.4 Von den fünf weiteren Damen des Stiftes wird nur Katharina von Zaiskam mit vollem Namen genannt; sie war die älteste Stiftsdame und hat in der Anordnung den gleichen Rang wie die Äbtissin, amtierte also wohl als eine Art Stellvertreterin.5 Die anderen Stiftsdamen sind durch ihre Wappen dokumentiert. Anna Maria von Reitzenstein war seit 1621 im Stift und wird auf dem Grabstein der Katharina von Zaiskam Abteiverwalterin genannt, weil sie nach der Flucht der Äbtissin und der anderen Stiftsdamen im Jahre 1634 nach der Schlacht bei Nördlingen zurückblieb und so die Aufhebung des Stifts verhinderte. 1650 sollte sie zur Äbtissin gewählt werden, lehnte aber wegen ihres hohen Alters ab und verließ drei Jahre später Oberstenfeld aufgrund von Differenzen mit der an ihrer Stelle gewählten Äbtissin Anna Lemlin.6 Anna Margareta Kranz war auf Empfehlung der Katharina von Zaiskam 1625 ins Stift aufgenommen worden; nach der Flucht von 1634 wird sie noch bis 1636 als Chorjungfrau genannt.7 Dorothea Elisabeth von Gottfahrt war seit 1626 in Oberstenfeld und wird bis 1637 genannt.8 Maria Ursula von Dachenhausen war seit 1625 im Stift.9 Der Stiftspfarrer Johannes Widmann (geb. um 1599) war seit 1623 in Oberstenfeld und blieb bis 1643; anschließend amtierte er bis 1655 in Beihingen, danach bis 1662 in Mundelsheim und zuletzt bis zu seinem Tode 1671 in seinem Geburtsort Feuerbach.10 Ulrich Rentz war von 1589 bis zu seinem Tod 1630 als Amtmann der oberste Verwaltungsbeamte des Stifts.11 – Die Inschrift dokumentiert die enge Verbundenheit der Stiftsdamen mit Oberstenfeld, wo unverheiratete Töchter des Adels lebenslang Unterkunft und Verpflegung in relativ großer Freizügigkeit genossen.12 Die Tafel entstand in der Werkstatt eines namentlich nicht bekannten Bildhauers, der seit 1612 in der Marbacher Gegend arbeitete.13

Anmerkungen

  1. Ps. 27, 4.
  2. Ps. 84, 3–4.
  3. 2. Mos. 20, 24.
  4. Vgl. nr. 665.
  5. Vgl. nr. 658 mit weiteren Angaben. – Die Zahl von 6 Stiftsdamen – Äbtissin, drei Chorjungfrauen, zwei Probatfräulein (Novizen) wurde 1678 verbindlich gemacht, war aber wohl schon früher eingeführt worden: Pfaff, Oberstenfeld, in: WürttJb. 1840 II, 326, 339.
  6. Ebd. 340; Ziegesar, Oberstenfeld, in: StuttgartWürttLB. Cod. hist. 2° Nr. 955, Anh. Fasc. 1.
  7. Ebd.; zur Abstammung Humbracht Taf. 250.
  8. Ziegesar a. a. O.
  9. Ebd.
  10. Sigel 75, 10.
  11. Pfeilsticker 3032, 3488.
  12. Vgl. Pfaff a. a. O. 336ff.
  13. Vgl. nrr. 552, 553, 564.

Nachweise

  1. v. Stetten, Oberstenfeld I 59 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 631 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0063106.