Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 157 Schwieberdingen, ev. Pfarrkirche St. Georg 1495–1498

Beschreibung

Inschriften am Chor. – I. Bauinschrift, im Chor, Südseite, am Treppenturm (Zugang zum ehemals vorhandenen Lettner und zum Kirchenboden). Türsturz aus grauem Sandstein, Stirnseite zweizeilig beschriftet, darunter Steinmetzzeichen nr. 10; auf der schrägen Abfasung der Türöffnung Jahreszahl in arabischen Ziffern.

Maße: H. 27,5, B. 93, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. An · fang · des · kavrs · als · / man · zalt · m° · cccc° · lxxxx · v · jar ·/ [Stz.]· 1 · 4 · 9 · 5 ·a) /

Die Inschrift bezeichnet den Baubeginn des Chores, der dem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Langhaus angefügt wurde.1 Gleichzeitig entstand die nördlich an den Chor angebaute Sakristei; an ihrem nordöstlichen Strebepfeiler Bauzahl 1495 (in arabischen Ziffern) auf einem in Stein gehauenen Schriftband. – Die Schrift – heute schwarz gefaßt – beginnt mit einem durch Zierstriche bereicherten Großbuchstaben A; Trennung durch Paragraphenpunkte. II. Spruchband-Inschriften der Figurenkonsolen am Chorgewölbe. Die Gewölbeanfänger ruhen auf sternförmigen Deckplatten, die von unterlebensgroßen Halbfiguren unterfangen werden; sie halten Spruchbänder und Attribute in Händen. Die Schrift – in Schwarz auf weißen Grund aufgemalt – ist erneuert, folgt aber im Wortlaut vermutlich der ursprünglichen Beschriftung. Nordseite:

  1. S · Ba/rth/olom[äu]s / S ·/ Simon / S · An/dreas · /

Südseite:

  1. S · Jakob/us / S · T/homas / S · Johan(n)/es · Eva(ngelista)/

Kommentar

Die Vollendung des Chorgewölbes bezeugen die aufgemalten Bauzahlen (arabische Ziffern) über der Leibung des mittleren Chorfensters und an der Westseite des Chorbogens: 1498. Das Stern-Netz-Gewölbe trägt auf zwei Schlußsteinen die Meisterschilde des fürstlich württembergischen Werkmeisters Peter von Koblenz (Stz. nr. 11) und eines namentlich bisher nicht bekannten Mitarbeiters (Stz. nr. 12).1 Weitere Schilde am Gewölbe zeigen die Wappen des Bistums Speyer, der Herrschaft Württemberg und der Bauherrschaft.2 Vorhanden sind die Wappen Nippenburg, Heimerdingen, Gültlingen und Berg; sie weisen auf den Haupterben Ludwigs des Reichen von Nippenburg (gest. 1498)3: Philipp von Nippenburg (gest. 1526)4; das Wappen Berg deutet auf einen anderen Brudersohn Ludwigs, der ebenfalls in Schwieberdingen bestattet ist: Conrad von Nippenburg (gest. v. 1551).5 Die Initiative zum Neubau des Chores und seiner Ausstattung als Grablege mit mindestens vier etwa gleichzeitig entstandenen Denkmälern für Ludwig den Reichen, seinen Bruder Michael und zwei Vorfahren6 dürfte von Ludwig ausgegangen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Ziffer 4 und 5 in spätgotischer Form.

Anmerkungen

  1. Zur Baugeschichte vgl. P. Pohl, Peter von Koblenz und seine Kirchenbauten. Diss. TH Stuttgart 1949 (Masch.); H. Koepf, in: HgW 1 (1949) 37f.; ders., Die Baukunst der Spätgotik in Schwaben. Stuttgart 1958, 46.
  2. Bei der letzten Restaurierung 1964 neu gefaßt; dazu G. Braun, in: LudwigsburgerGbll. 17 (1965) 179–185.
  3. Vgl. nrr. 159, 160.
  4. Mit Philipp stieg die Familie zu höchsten Hofämtern auf – 1481 Diener von Haus aus, 1501 Haushofmeister Herzog Ulrichs, 1515 mit der Erbschenkenwürde belehnt, 1517 Landhofmeister, 1520–22 Regent; vgl. Bernhardt I 521. Philipp führte die Baumaßnahmen mit dem Turmbau nach 1515 (Erbschenkenwappen in der Vorhalle) zum Abschluß; am Gewölbe die Meisterschilde des Caspar Lechler (?) und eines Mitarbeiters (Stz. nrr. 15, 16).
  5. Vgl. nr. 290. Ferner Stammtafel Nippenburg.
  6. Vgl. nrr. 27, 32, 109, 159. – Im Chor an der Südwand Wappenstein mit dem Vollwappen Nippenburg, gehalten von Engeln; Unterkante mit Inschrift zerstört (gotische Minuskel); wahrscheinlich Bauinschrift. – Weil in der älteren Literatur eine Beziehung des Kirchbaus zu Aberlin Jörg gesehen wurde, die an einen Wappenstein mit der Jahreszahl 1495 (spätgotische Ziffern) am Außenbau anknüpft, soll dieser Stein kurz erwähnt werden: er trägt die Wappen Tegen (Pflugschar, von einem Messer durchbohrt) und Jörg (Sparren, drei sechszackige Sterne, geteilt 2:1), kann sich also nicht auf Aberlin Jörg selbst beziehen, auch weil dieser 1495 schon gestorben war. Er ist keinesfalls als Grabstein anzusprechen, eher als Hinweis auf eine Stiftung am Außenbau; vgl. H. Koepf, in: Lebensbilder 6 (1957) 41ff.

Nachweise

  1. OABLudwigsburg 1859, 313.
  2. O. Paret, in: Ludwigsburg und das Land um den Asperg. Ludwigsburg 1934, 379.
  3. Schahl, Neckarschwaben 238.

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 157 (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0015708.