Inschriftenkatalog: Landkreis Luwigsburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 25: Lkr. Ludwigsburg (1986)

Nr. 99† Marbach am Neckar, ehem. Schloß 1467

Beschreibung

Wandmalereien im Schlafgemach Graf Ulrichs V. von Württemberg (1433–1480), zerstört beim Stadtbrand im Jahre 1693. An der Ostwand ein querrechteckiges Gemälde, oben und rechts von einer Randinschrift gerahmt (A). Das Bild zeigt den Grafen im Harnisch vor dem Gekreuzigten mit Maria und Johannes kniend; rechts neben ihm ein Wappen, über ihm ein verschlungenes Schriftband (B). Darunter ein zweites Gemälde im gleichen Format: Der Graf kniet in Leibrock und Filzhut vor einer Madonna im Strahlenkranz. Im gleichen Format an der Ostwand ein drittes Gemälde: Der Graf zu Pferd schwingt seinen Spieß gegen einen hockenden Bären, der sich gegen eine Hundemeute zur Wehr setzt; darüber ein verschlungenes Schriftband (C). An der Südwand ein querrechteckiges Gemälde: Der Graf und ein Jagdgenosse zielen mit der Armbrust auf einen springenden Hirsch; darüber ein Schriftband (D). An der Westwand ein zwölfzeiliger Schriftblock (E). Auf der Tür außen (F) und innen (G) je ein zweizeiliger Vers.

Abgezeichnet im Jahre 1597 vom Marbacher Präzeptor Simon Studion.

  1. A

    Vlrich Graff zue Württemberg · ANNO · DOMINI · Taußendt/Vier · CCCC° · L X · VII: Jar ward diß gemach für sein gnad gezümert. : .

  2. B

    O · Herr · bewahr min Seel vnd er, vnd docha) die mutter sin, Die behüet mich vor aller Pin.

  3. C

    Ich Jage wie gern Ich wöll. Mein Hoffnung ich Allerzitt Zue Gott Stell.

  4. D

    Hürsch Laß Dich nicht Verdriessen Baldt will Ich Vnnßer Jeegen Beschlüessenn.

  5. E

    Ich hab gehalten, was ich mich Versprochen han:Gott waiß wol, ob man mir es docha) hat gethan,Man mier hat Viel Vnreht gethan,Das wil Ich an Gott Vnd die warheit lahn,Man hat mir das meine thuen nemenHett ich mich nit gewehret, ich hett mich deß müßen schemenIch han Kriegen gehabenIch were sein gar wol lieber gewesen ab,Wie wol ist Krieg wieder Gott: Vnd leib vnd seel thut krenckenDennoch wil Ich Dein Gott gedenckenMutter Gottes bedencke mein Vnschuldtdaß ich nicht verliehre Gottes Huldt.

  6. F

    Dieß gemach heißt das Paradeis / Mein Herr Der schlaft Darumb gahnt Leiß.

  7. G

    Wer Dieß leben gibt Vmb das Ewig leben, /Der hat sich betrogen, /Vndt Zimmert Vff Einen Regenbogen.

Wappen:
Württemberg (3 Hirschstangen, Helmzier Hifthorn)

Kommentar

Das Marbacher Schloß wurde im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts im Zuge der Stadtgründung als stark befestigte Stadtburg erbaut. Um 1400 wurde die Anlage zum Schloß umgebaut und verlor ihren wehrhaften Charakter.1 Im Jahre 1462 geriet Graf Ulrich V. in der Entscheidungsschlacht des Pfälzerkrieges (1460–62) bei Seckenheim (Stadtkr. Mannheim) in pfälzische Gefangenschaft. Im Friedensvertrag mußte er Schloß, Stadt und Amt Marbach – bis dahin württembergisches Eigengut – vom Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen als Lehen nehmen und ein hohes Lösegeld zahlen.2 Um seinen Besitzanspruch auf Marbach zu demonstrieren, machte der Graf die Stadt zu einer Art zweiter Residenz neben Stuttgart.3 In diesem Zusammenhang ist die Ausmalung des Schlafgemachs zu sehen. Inschrift E nimmt direkten Bezug auf den Krieg und seinen unglücklichen Ausgang: Ulrich habe seine Bündnisverpflichtungen eingehalten, sei aber selbst im Stich gelassen worden.4 Daran ist sicher richtig, daß die Verbündeten – vor allem die Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach und Karl von Baden, der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Metz – von Kaiser Friedrich III. nicht die erhoffte Hilfe erhielten.5 Die Behauptung, Ulrich sei zum Krieg gezwungen gewesen, weil man ihm „das Seine“ habe nehmen wollen6, bezieht sich vielleicht auf die finanziellen Forderungen, die Ulrichs dritte Gemahlin, Margarete von Savoyen, an die Pfalz hatte7, und die offensichtlich ein Grund dafür waren, daß sich der politisch wenig glücklich agierende Graf in das riskante Bündnis ziehen ließ. Die Bildkomposition ist dem Wandgemälde in der Marbacher Alexanderkirche ähnlich8, weshalb der gleiche Künstler vermutet werden kann.

Bei der Ergrabung des 1693 zerstörten Schloßkomplexes in den Jahren 1978 bis 1982 wurde bemalter Wandputz gefunden9, der den hier beschriebenen Wandmalereien zugeordnet werden kann. Als Schrifttyp kann gotische Minuskel vermutet werden. Auffällig ist, daß Studion Teile von Text A in Kapitalis wiedergibt. Sollte dies heißen, daß die betreffenden Stellen in Majuskeln abgefaßt waren?

Textkritischer Apparat

  1. An beiden Stellen wäre das Wort auch zu erwarten. Abschreibfehler?

Anmerkungen

  1. Hartmut Schäfer, in: Marbach 1282–1982 (Ausstellungsbericht) 6ff. Die Umbauarbeiten waren wohl im Jahre 1405 beendet. Damals wurde im Marbacher Schloß ein Bund zwischen Eberhard dem Milden von Württemberg, Mainz, Baden und mehreren Reichsstädten geschlossen (WürttReg. nr. 5393).
  2. WürttReg. nrr. 4926, 10675; Sattler, Grafen III, 26.
  3. Der Residenzcharakter Marbachs zwischen 1463 und 1480 hat in der archivalischen Überlieferung kaum Spuren hinterlassen, weil die württembergische Kanzlei in Stuttgart blieb. Er darf aber als gesichert gelten, nicht nur durch die Wandgemälde im Schloß, sondern auch durch die Baugeschichte der Alexanderkirche (vgl. nr. 121), den Aufenthalt württembergischer Hofbeamter (vgl. nrr. 93, 94, 125, 140) und eine durch gräfliche Privilegien ermöglichte intensive Bautätigkeit (Rathaus 1465, Spital 1470 – WürttReg. nrr. 1536; 1538; 1550; 1617).
  4. E, Zeile 1–3.
  5. Gebhardt, Handbuch der Geschichte I (81954) 568.
  6. E, Zeile 5.
  7. Sattler, Grafen II, 221f. – Pfaff, Geschichte Württembergs II 195f. – Stälin, Geschichte Württembergs I, 641.
  8. Nr. 89.
  9. Schäfer (wie Anm. 1) 25.

Nachweise

  1. Simon Studion, in: WürttLBStuttgart, Cod. hist. F 57, fol. 151ff.
  2. Fleischhauer, Grafenschloß, in: HgW 1 (1949/50) 68.
  3. Munz-Kleinknecht, Marbach 56 (Abb. 7–8).
  4. Marbach 1282–1982 (Ausstellungsbericht) 37 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 99† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0009900.