Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 238(†) Bevern, St. Johannis 1633

Beschreibung

Sarg des Statius von Münchhausen. Kupfer, schwarz bemalt. Der Sarg wurde anläßlich einer Reparatur der Kirche im Jahr 1838 geöffnet. Vor dem Abbruch des Kirchenschiffes 1891 wurde er erneut aus der Gruft genommen, photographiert und später wieder im Boden des 1893 vollendeten Neubaus beigesetzt. Die Stelle gibt heute ein Kreuz an. Auf dem Deckel des Sargs in Weiß ein gemalter Kruzifix mit einem geschweiften Kreuz, darunter ein Totenschädel. Über dem Kreuz eine zweizeilige, nicht überlieferte Inschrift, unterhalb des Balkens, rechts des Stammes, die Inschrift A, links des Stammes eine weitere nicht überlieferte Inschrift. Unter dem Totenschädel die über die ganze Breite verlaufende Inschrift B. Auf den Seiten weitere Inschriften: am Kopfende, unter den Wappen der Eltern des Verstorbenen, die Inschriften C und D, neben dem Anfang von (C) die Wappenbeischrift E; am Fußende die Inschrift F. Auf der rechten Längsseite sind Inschriften in drei Kolumnen angebracht, links die Inschriften G und H, in der Mitte I und rechts J. Die linke, nicht photographierte Seite war vermutlich entsprechend mit Inschriften versehen. Alle Inschriften weiß auf den schwarzen Untergrund gemalt.1)

Inschriften nach Uhden/Sander.

Maße: L.: 206 cm; B.: 86 cm; H.: 59 cm.2)

  1. A

    Joh. 11: / Ich bin die aufferstehung Und daß leben Wer / an mich glaubt der wird leben ob er gleich stürbe / Und Wer da lebet und glaubet an mich Der / Wird nimmer mehr sterben3)

  2. B

    Todt ich Will dir ein Gifft sein Hellea) ich Will dir / eine Pestilentze sein4) / Gott sei Danck der Unß den Siegk gegeben hadt Durch / Unserm Herrn Jesum Christum5)

  3. C

    Stats von Münchhausen H(ilmars) S(elig) S(ohn)b) / welcher Anno Christi 1555 / Mitt Wochens u(nter) den H(eiligen) pfingsten6) auff diese Welt Gebohren / Und Anno 1633 den 27. Martiy / den Mitt Wochen Morgens kurtz Vor 8 Uhr in Gottseliger Andacht / Und innigen Gebet sanft und selig entschlafen / Seines Alters 78 Jahr Weniger 11 Wochen / Den ich lebe Und ihr solt auch leben7)

  4. D

    Aufgesetzet ist mir die ehre Kron /mit schönster zier bin ich geschmücket /Gebalsamirt hadt mich Christus Gottes Sohn /der mich an sein herz(e) trücket /Der mein Seel geführdt /die ihm ist an Vertrauwedt /mit großen Jubiliren / Wie ein bräudigam sene Bräudt8)

  5. E

    D(ie) V(on) Reden

  6. F

    Ich bin der Wegk Die Wahrheit Und das leben / Niemandt Kombt zum Vatter den durch mich9) / Meine Schafe hören meine stimme / Und ich kenne sie Und sie folgen mir Und ich gebe Ihnen das ewige leben und sie Werden / Nimmermehr umbkommen und Niemandt Wird / sie aus meiner handt reißen Ich Und der Vatter / sind einß10)

  7. G

    Psalm 68 / Gott lecht Uns eine last auf aber Ehr hilft Uns auch / Wir haben einen Gott der da hilft / Und den Herrn der Vom tode errettedt11)

  8. H

    Hiob 19 / Ich Weiss dass mein erlöser lebet Und ehr Wirdt mich / hernacher auß der erden Wieder aufferwecken Und werde / darnach mit dieser meiner haudt Umgeben Werden Und Werde / in meinem fleische Gott sehen denselben Werde / ich mir sehen Und meine augen Werden ihn schauen Und / kein frembter12)

  9. I

    Darauf mich nun zu Sanffter ruh /Gott gethan meine Augen zu /Meinen Lauff habe ich nun Vollbracht /Der Weldt gesagt einen guetten nacht /Mein trübsahl hat nun gantz ein ende /Meine Seehle ißt in Gottes Hende /Der leib im grabe in der erden /Zu staub Und aschen muß Wieder Werden /Rein hat mich gemacht Christi bludt /Erlöset aus der Hellenc) Gludt13) /Feind) Wenig tage Werden hingehen /Als den in freuden Werde ich Wieder auffstehen

  10. J

    Psalm 91 / Er begehret mein so Will ich ihm aushelfen er kennt / meinen Namen darumb Will ich ihn schützen / er ruffet mich an so Will ich ihn erhören / ich bin bey ihm in der noth ich Will ihn herausreissen / Und zu ehren machen ich Will ihn sättigen / zu langem leben Und will ihm zeigen mein heil14)

Versmaß: Deutsche Reimverse (D, I).

Wappen:
Münchhausen15)Reden16)

Kommentar

Bei der Öffnung des Kupfersarges 1838 wurde der Verstorbene in einem weiteren Holzsarg mumifiziert gefunden, sein Haupt- und Barthaar war noch zu erkennen. Auf der Brust lag ein goldener Kruzifix, die Christusfigur war aus einem weißlichen Stein gefertigt. Der dem Sarg entnommene Kruzifix wurde 1845 aus der Kirche gestohlen. Die Grabplatte für Statius von Münchhausen, die im Vorgängerbau die Gruft bedeckte, ist jetzt an der Wand angebracht; vgl. Nr. 237.

Die Bemalung des Sarges zeichnet sich durch die Mischung von alt- und neutestamentlichen Bibelzitaten mit Trostgedichten aus, deren Stil an Gesangbuchlieder erinnert. Das ganze Programm entspricht mit seinem tiefen Vertrauen auf Erlösung und Auferstehung der Leichenpredigt, die Andreas Compertus d. J. am Tag des Begräbnisses, dem 24. Juli 1633, gehalten hat. Seine Schilderung der letzten Tage des Verstorbenen ist ein Exempel des idealen christlichen Sterbens.17) Der 91. Psalm und vor allem die in Inschrift J zitierten Schlußverse waren demzufolge der Lieblingspsalm des Verstorbenen, den er jeden Tag morgens und abends und besonders oft während seiner Krankheit gebetet habe; auf Wunsch der Witwe hat ihn Compertus seiner Predigt zugrunde gelegt.18) Hiob 19 (Inschrift H) hatte der Pastor in einer von ihm auf Wunsch des Sterbenden zwei Nächte vor dessen Tod improvisierten Predigt zitiert.19) Compertus stellt den Verstorbenen nicht nur als gottesfürchtigen Christen, sondern auch als fürsorglichen Grundherrn heraus, der in seinen Besitzungen neun Kirchen und zwei Schulen gebaut und zwei Kirchen erneuert habe. Auch betont er die Anwesenheit der ganzen Gemeinde beim vom Schloß ausgehenden Begräbnis.20) 1636 protestierten allerdings Bauern in Bevern gegen die Herrndienste und die hohen Kontributionen, die sie zu zahlen hätten, weil Statius von Münchhausen das Dorf zu groß angelegt habe.21)

Textkritischer Apparat

  1. Helle] D. h. Hölle.
  2. H(ilmars) S(elig) S(ohn)] (H. S. G.) Uhden/Sander; G ist aber wohl verlesen für S. Zur Verbesserung vgl. Nr. 237, Inschrift A.
  3. Hellen] D. h. Höllen.
  4. Fein] Sein Uhden/Sander; wahrscheinlich verlesen.

Anmerkungen

  1. Uhden/Sander, Bevern, S. 241, 448 u. 450, mit Abb. 127. Zum Kirchenneubau vgl. ebd., S. 241f. Kdm. Kr. Holzminden, S. 9.
  2. Maße nach Uhden/Sander, Bevern, S. 241.
  3. Jh. 11,25–26.
  4. Hos. 13,14.
  5. 1. Ko. 15,57.
  6. 5. Juni 1555. Ebenso in der Leichenpredigt Münchhausen, fol. Fiiiv. Anders auf der Grabplatte: 3. Juni; vgl. Nr. 237. Die Stammtafeln Münchhausen stellen beide Angaben nebeneinander; ebd., S. 114.
  7. Jh. 14,19.
  8. Wie ein bräudigam sene Bräudt: Bild nach Eph. 5, 30–32.
  9. Jh. 14,6.
  10. Jh. 10,27–28 u. 30; Vers 29 ist ausgelassen.
  11. Ps. 68,20–21.
  12. Hi. 19,25–27.
  13. Rein hat mich gemacht Christi bludt / Erlöset aus der Hellen Gludt; nach dem „Te deum laudamus“; vgl. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 1, S. 24, Nr. 26, Str. 9: ... quos pretioso sanguine redemisti. Deutsch von Martin Luther 1529; vgl. ebd., Bd. 3, Nr. 31, S. 19, Z. 35f.: Nu hilff vns, Herr, den dienern dein / die mit deim tewrn blut erlöset seyn. In der Form am nächsten steht das der Anfang der dritten Strophe der zehnstrophigen ursprünglichen Fassung des Kirchenliedes „Vor deinen Thron tret ich“ des Bodo von Hodenberg von 1646: Gott Sohn, du hast mich durch dein Blut / erlöset von der Höllenglut. In der heutigen sechsstrophigen Fassung des EKG (Nr. 629) nicht mehr enthalten. Zu dem Osteroder Amtmann Bodo von Hodenberg (1604–1650), vgl. BBKL, Bd. 2, Sp. 919.
  14. Ps. 91,14–16.
  15. Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siemacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2., Abt. 2, S. 7 u. Tafel 6.
  16. Wappen Reden (dreimal geteilt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 319 u. Tafel 373.
  17. Vgl. dazu allgemein Hufschmidt, „Sehliglich entschlafen“, bes. S. 254–260.
  18. Vgl. die Leichenpredigt Münchhausen, bes. fol. Bff. und die Prosopograhia pie defuncti nobilis, ebd., ab fol. Fiiv. (Die Leichenpredigt ist nicht paginiert; für den Buchbinder sind aber die Lagen unten auf jedem zweiten Blatt mit den Buchstaben A–K, ggf. mit den Zusätzen ii oder iii gekennzeichnet; die iv. Lage ist nicht gekennzeichnet). Ausführlich zitiert bei Uhden/Sander, Bevern, S. 447f.
  19. Vgl. Leichenpredigt Münchhausen, fol. Jiiiv.
  20. Ebd., fol. Aiiiv u. Givv–H.
  21. Vgl. Neukirch, Adelskultur, S. 218.

Nachweise

  1. Uhden/Sander, Bevern, S. 448–450, mit Abb. 127.
  2. Kat. Adel im Weserraum, S. 259 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 238(†) (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0023808.