Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 129 Kirchbrak, St. Michaelis 1593

Beschreibung

Grabplatte für Johann von Grone. Roter Sandstein, grau übermalt, im Chorraum rechts aufgestellt. Inschrift A läuft um den Stein. Im Innenfeld in einer Nische der Verstorbene, kniend vor Christus am Kreuz mit dem Titulus B, vor ihm sein Helm. Beide Inschriften sind erhaben in vertiefter Zeile gehauen. In den Ecken des Innenfeldes vier Wappen ohne Beischriften.

Maße: H.: 188,5 cm; B.: 112 cm; Bu.: 6,2 cm (A), 1 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/1]

  1. A

    ANNO · 15 · 93 · DEN 16 · FEBRUARŸ · IST / DER EDEL VND ERENVESTE IOHAN VON GRON DEN ABENT · VM · 9 · / VHER · VON OTTO VON KAMPEN DEM / MORDER · BESLICHER WISE · ERSHOSSEN · DER SELENa) GOTT · GENEDICH · SI :

  2. B

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDAEORVM)1)

Wappen:
Grone2)Friesenhausen4)
Freiswersen3)Hacke5)

Kommentar

Die Buchstaben sind mit Sporen versehen. Der Mittelbalken bei F und E ist stark verkürzt, der unteren Balken bei E und L verlängert. Auffallend ist das Ÿ, das in der Buchstabenhöhe der Kapitalis entspricht, in der Form aber aus zwei verbundenen Minuskel-Buchstaben besteht: an das linke i in der Form eines rechtsschrägen Kurzschaftes, der oberhalb der Mittellinie endet, schließt sich mit linksschrägem Anstrich eine i-longa mit nach rechts durchgebogenem Schaft an. Die Cauda des R ist geschwungen, die Cauda des G nach links durchgebogen. Während die Inschrift in der oberen Schmalseite eine recht breite Ausführung der Buchstaben und weite Spatien zwischen den Wörtern zeigt, ist die linke Langseite von (A) am Anfang und Ende sehr gedrängt ausgeführt, so daß einzelne Buchstaben sehr schmal werden. Die 1 ist als Schaft ausgeführt, in 1593 unten gespalten und beidseitig nach oben umgebogen. Die rechtsgewendete 5 ist mit stark gerundetem Bogen und Deckbalken mit Anstrich ausgeführt: außerdem findet sich eine spitze 3, während 9 und 6 geschlossen sind. Wie das auffällige Ÿ sowie E und L erinnern auch die Ziffern und die Ornamentik sowie die Gestaltung der Nische und des Kruzifix stark an den Stein für Katharina Bickhaber; dies legt einen Werkstattzusammenhang nahe; vgl. Nr. 127.

Johann von Grone (vgl. Nr. 116), Simons Sohn, ein Neffe Heinrich von Grones (vgl. Nr. 204),6) war verheiratet mit Anna von Campe. Am Abend des 16. Februar 1593 saß er in Kirchbrak im „Unteren Krug“ des Wirtes Eylert Niehof mit seinem Schwager Otto von Campe (1568–1595) zusammen, dem Sohn Bartold von Campes aus der Stadtoldendorfer Linie (vgl. Nr. 118), der ihn im Verlauf eines Streites mit einem Gewehr erschoß. Der Mörder hatte als Offizier in spanischen Diensten zwischen 1589 und 1591 am Krieg gegen Frankreich teilgenommen und nach seiner Rückkehr Anna von Stöckheim geheiratet. Otto von Campe floh nach seiner Tat und nahm an zwei Feldzügen gegen die Osmanen teil, in deren Verlauf er 1595 in Ungarn getötet wurde.7) Außer der Inschrift auf der Grabplatte erinnerte auch ein Kreuzstein am „Tiebrink“, der vermutlich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verschwand, an das Geschehen, an das sich zudem eine Ortssage von einem ruhelos umherwandernden Ritter anschloß.8)

Der Pastor von Kirchbrak, Caspar Hasenjäger, wußte über Johann von Grone kurz vor dessen Heirat auch nichts Gutes zu berichten: Dieser habe die Tochter eines Bauern geschwängert undt zu Fall gebracht, habe ein rohes und wildes Leben geführt, Predigt und Sakramente mißachtet, in seinem Haus sich eine Köchin als concubinam gehalten und schließlich einen Jemmerlichen Todschlag begangen, von dem er sich durch eine Geldbuße freigekauft habe.9)

Textkritischer Apparat

  1. SELEN] Der obere Balken des ersten E ist links über den Schaft hinaus verlängert; möglicherweise wurde der Buchstabe irrtümlich zunächst als T angefangen.

Anmerkungen

  1. Io. 19,19.
  2. Wappen Grone (aufgerichtete gerautete Wecke). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 5 u. Tafel 3.
  3. Wappen Freiswersen (rechtsgewandter Kopf mit spitzer Mütze (Kogel), an der drei Schellen hängen), Familie aus Lippe (wie Friesenhausen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131. Hier: runde Schellenkappe, gewendet. Vgl. auch Nr. 241.
  4. Wappen Friesenhausen (drei Sterne 2:1). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 63 u. Tafel 133. Vgl. auch Nr. 241.
  5. Wappen Hacke V (Zählung Spießen) aus der Grafschaft Mark (zwei ins Andreaskreuz gestellte Hakenlanzen). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 163 u. Bd. 2, Tafel 149. Vgl. auch Nr. 241.
  6. Zur Verwandtschaft vgl. Behrens, Grone, Stammtafel I u. S. 13. Die Angaben dort müssen aber insoweit korrigiert werden, daß Simon (N. 36) ein Bruder von H(e)inrich (N. 42) ist; Hinrich (N. 38) ist identisch mit diesem. Vgl. dazu die Belehnung des Wedekind Schwanenflügel durch Heinrich von Grone mit Wissen seiner „Vettern“ Heinrich, Johann und Simon, seines Bruders Simon Söhne; HStAH Dep. 51 A, Nr. 67 (zit. nach Findbuch).
  7. Rauls, v. Elze/v. Campe, S. 27f. Rauls nennt irrtümlich den 26. Februar als Datum des Geschehens; danach auch Rauls, Stadtoldendorf, S. 71. Das Geschehen wird bestätigt durch den Eintrag im Kirchenbuch von Halle für 1593 (Beerdigungen, KbA Hannover), S. 42f.: NOTA Den 16. Februarij freytagk vor Sexagesimae zu abendt zwichen achten vndt neun Uhr Ao 93 wirdt der Edle vndt Ehrenvester Johann von Grone zu Brach in Eylerdt Niehofs hause, vom dem godtlosen Buben Otten von Campe seinem eigen swager mordlicher weise erschoßen, das ehr zur selbigen stundt Gotte seine seel aufgeopfert vndt daselbst Todt bliben: Der ehrliche Mann Eylerdt da ehr den vnmudt vermerkt gehet ehr mit seinem weibe zu bette vndt leset seine Junker wenn Ihres gefallent mit ein ander gebaren, gar ehrlich vndt einem wirte wohl anstehendt stück. Die leich wirt den 20 Februarij Dengstagk vor Matthiae Christlich zur erdte bestattett, Gott verlihe Ihme eine froliche vferstehung vndt vns ein seliges stündtlein, vndt behüte uns Ja vor einem plotzlichen Todt, Amen. Otto von Camp(en) bleibt A(nn)o 95 vor dem Türgken. Zitiert auch bei Hölscher, Kreuz- oder Sühnestein, S. 2f.; vgl. ebd., S. 4f. Der „Untere Krug“ ist der jetzige Hof Westerbraker Str. 4; Hölscher, St. Michael, S. 17. Zu Otto von Campes Kriegszeit vor 1591 vgl. StAW 7 Alt, W 1407.
  8. Hölscher, Mord (o. S.). Hölscher, Kreuz- oder Sühnestein, S. 1 u. 3. Voges, Sagen, S. 291f.
  9. Zitiert bei Hölscher, Kreuz- oder Sühnestein, S. 4.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden, S. 311.
  2. Voges, Sagen, S. 291f. (teilweise Wiedergabe) – Hölscher, Kreuz- oder Sühnestein, S. 1 (fehlerhafte Wiedergabe).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 129 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0012901.