Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 83: Landkreis Holzminden (2012)
Nr. 109 Meinbrexen, St. Johannis 1588 od. 1589
Beschreibung
Altarretabel. Holz, farbig gefaßt. Das Altarblatt zeigt eine Darstellung des Letzten Abendmahls. Neben dem Bild auf Säulentrommeln mit Beschlagwerkornament figürliche allegorische Darstellungen, links Caritas, rechts Fides; das Attribut der Fides, der Kelch, fehlt. In den Seitenteilen ist links der Evangelist Lukas angebracht, rechts der Apostel Paulus mit Buch und Schwert.1) Zwischen dem Bild und der Bekrönung ein stark vorspringendes Gesims mit Ornamenten. Darüber in einer Ädikula ein Gemälde mit der Darstellung der Fußwaschung, links daneben der Evangelist Matthäus, rechts der Evangelist Markus. Über dem Giebel ein leeres Kreuz mit einem nicht mehr aus dem Erfassungszeitraum stammenden Titulus.2) Im Hintergrund der Abendmahlsszene auf dem Kaminsims zwei Gesetzestafeln mit hebräischer Inschrift A, in zwei Spalten gemalt. Die Inschrift A1 auf der rechten Tafel beginnend und in der zweiten Zeile der linken Tafel endend. Darunter auf der linken Tafel Inschrift A2. Inschrift B unter dem Bild der Fußwaschung, Inschrift C im Fries über dem Abendmahlsbild, Inschrift D am Sockel unter diesem, rechts und links gerahmt durch zwei Vollwappen. In den Inschriften C und D sind Schrägstriche (Virgeln) als Interpunktionszeichen gesetzt, die in der Edition als Kommata wiedergegen werden. Alle Inschriften sind gemalt und durch Restaurierungen überformt.
Maße: H.: 250 cm; B.: 232 cm; Bu.: 0,3 cm (A), 1,7 cm (B), 2 cm (C), 1,2 cm (D).
Schriftart(en): Hebräische Schriftzeichen (A), Fraktur (B–D).
- A1
(3(bבִכָל לְכַבִךּ וכבָל נִפִשִׁך \ וּבכל לאדךֵ (aואַהַבתִ את יהׂוָה
- A2
(4(e(dאנ יָהיָה (cואתבה לָרעֶךֶ
- B
da sprach · P(etrus) · Zuf) · im · Nimmer mehr solltuf) · M(ir) · D(ie) · F(üße) · Waschen ·5)
- C
Vnd in dem sie assen in der nacht da er verrhaten ward nam der HErr Jhesus das Brod dancket, brachs, vn gabs den / Jüngern, vnd sprach, Nemet, esset, das ist mein leib, der für eüch gegeben wirOg) Solchs . thut Zü meinem gedechtnis6)
- D
Desselbigen gleiehenh) nam er auch den Kelch, nach dem Abendmal, dancket, gab ihn den vnd sprach, trincket : / alle draus : Dieser Kelch ist das neive testament in meinem Blut, das für eüch, vnd fur viel vergossen wir, Zur. / Vergebung der sunden . Solchs thut so offt irs trincket, Zü meinem gedechtnis. Vnd sie trincken alle Drans.i)6)
Übersetzung:
Und du sollst Jahwe lieben, von deinem ganzen Herzen, von deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. (A1)
Und du sollst deinen Nächsten lieben. Ich bin Jahwe. (A2)
Münchhausen7) | Lattorf8) |
Textkritischer Apparat
- יהֹוָה] Der Gottesname vokalisiert als Jihova. Anschließend ist ausgelassen: אֱלֹהֶיךָ (deinen Gott). – Für Hilfe bei der Transkription der hebräischen Texte danken wir Christian Schäfer vom Septuaginta-Unternehmen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
- Statt וְאָהַבְתָּ אֵת יְהוָה אֱלֹהֶיךָ בְּכָל־לְבָבְךָ וּבְכָל־נַפְשְׁךָ וּבְכָל־מְאֹדֶךָ׃
- Anschließend ist ausgelassen: כָּמוֺךָ (wie dich selbst).
- יהיָה] Der Gottesname vokalisiert als Jahwe.
- Statt ואָהַבְתָּ לְרֵעֲךָ כָּמוֺךָ אֲני יְהוָה׃
- Zu, solltu] u wird durch übergeschriebene parallele Schrägstriche gekennzeichnet.
- wirO] Fehlrestauriertes d. Die heutige Fassung zeigt eindeutig ein O.
- gleiehen] Statt gleichen.
- Drans] Statt Draus.
Anmerkungen
- Vgl. von Poser, Ausmalungsprogramme, S. 217. Zu der typisch protestantischen Verbindung von Buch und Schwert als Attribute des Paulus vgl. LCI Bd. 8, Sp. 132 u. 134. Früher als Evangelist Johannes identifiziert; vgl. Kdm. Kr. Holzminden, S. 88.
- . I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDAEORVM) .
- Dt. 6,5; zur Auslassung vgl. Anm. a.
- Lv. 19,18; zur Auslassung vgl. Anm. c.
- Jh. 13,8.
- Einsetzungsworte zum Abendmahl nach 1. Ko. 11,23–25. Vgl. Luthers Deutsche Messe von 1526; D. Martin Luthers Werke, Schriften Bd. 19, Weimar 1897, S. 72–113, hier S. 97ff.
- Wappen Münchhausen (Mönch). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2., Abt. 2, S. 7, Tafel 6.
- Wappen Lattorf (in Silber ein mit sechs Büscheln von je drei Weizenähren – eigentlich abwechselnd rot und gold – besteckter Kranz). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2,1, S. 228 u. Tafel 280. Heutige Farbfassung nicht original.
- Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 496.
- Vgl. Oertel, Abendmahlsbild, S. 262 u. S. 234f. (Abb. 3a u. 3b).
- Vgl. Kat. Renaissance im Weserraum, Bd. 2, S. 87. Gmelin, Plastik und Malerei, S. 749f.
- Vgl. Anton, Wand- und Deckenmalerei, S. 153–155.
- Vgl. Dürr, Politische Kultur, bes. S. 99–101.
- Vgl. Freist/Seebaß, Pastoren, Bd. 1, S. 73 u. 137; Bd. 2, S. 56 (Nr. 732).
Nachweise
- Kdm. Kr. Holzminden, S. 88.
- Kat. Renaissance im Weserraum, Bd. 2, S. 87 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 109 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0010909.
Kommentar
Die Versalien sind zum Teil mit Schleifen und Kontra-Schleifen versehen, besonders das V am Anfang von (C) und das S in Solchs (C, D), sowie D am Anfang von (D); gebrochenes E in HErr, der linke Schrägschaft des A ist oben links durch einen Schwellzug, unten links durch eine Schlinge verlängert, am rechten Schaft finden sich zwei Zierpunkte; außerdem ein zweibogiges, zweistöckiges Z in Form einer 3.
Die Gemälde stammen vermutlich von Johann Hopfe aus Hildesheim (gest. 1615), von dem in seiner Heimatstadt eine Darstellung der sieben (katholischen) Sakramente aus dem Jahr 1590 oder früher erhalten ist.9) Hopfe arbeitete für Auftraggeber aus allen drei Konfessionen. Ab 1591 verfertigte er für Schloß Brake bei Lemgo einen großen Zyklus zur Abrahamsgeschichte (heute im Landesmuseum Detmold), der starke Einflüsse reformatorischer Theologie zeigt. Ab 1603 stand er im Dienst des Fürsten Ernst von Schaumburg in Bückeburg, wo er bei der Ausschmückung der lutherischen Schloßkapelle mitwirkte. Außer dem Abendmahlsbild in Meinbrexen, das auf einen zuerst 1551 in den Niederlanden gedruckten Stich von Giorgio Ghisi (nach einer Zeichnung von Lambert Lombard) zurückgeht, ist ihm, wie zuerst H. Oertel angenommen hat,10) noch ein Gemälde für einen Altar in Schlüsselburg an der Weser (Kreis Minden) zuzuschreiben.11) Die Ersetzung des vierten Evangelisten durch Paulus ist typisch für protestantische Bildprogramme.12) Abendmahlsdarstellungen waren auf Altarbildern in lutherischen Kirchen verbreitet.13)
Den Inschriften A1 und A2 liegen hebräische Bibeltexte zugrunde. Beide Inschriften sind sinnvoll gekürzt („deinen Gott“ in A1 bzw. „wie dich selbst“ in A2), so daß der Auftraggeber des Hebräischen mächtig gewesen sein muß. Die durch Restaurierung überformte Ausführung ist nicht mehr in allen Einzelheiten korrekt.
Die Kirche in Meinbrexen wurde seit 1579 neu errichtet. Das Programm der Wandmalereien (Nr. 108) und des Altarretabels sind offenbar aufeinander angestimmt. Für beide kann eine Entstehung in den Jahren 1588 oder 1589 angenommen werden. Die 1589 aufgestellte Kanzel komplettierte den Innenraum; vgl. Nr. 110. Stifter des Altarretabels wie der Wandmalereien ist Statius von Münchhausen (1555–1633), der 1577 die Gutsherrschaft Meinbrexen erhielt; vgl. den Kommentar zu Nr. 108. Verfasser des Inschriftenprogramms dürfte wiederum Andreas Compertus d. Ä. (1547–1610) gewesen sein, der seit 1572/73 der erste Pfarrer in Meinbrexen (und Derental) war;14) vgl. Nr. 83, 84 u. 183.