Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 81 Holzminden, Luther-Kirche 1577

Beschreibung

Inschriftentafel. Roter Sandstein. In den südöstlichen Strebepfeiler rechts neben dem Südeingang eingelassen. Die Inschrift ist erhaben in vertieftem Feld gehauen, glatt vor schraffiertem Hintergrund. Die Jahreszahl ist von der weiteren Inschrift durch einen Kordelsteg getrennt.

Maße: H.: ca. 100 cm; B.: ca. 115 cm; Bu.: ca. 10–15cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/1]

  1. 1 · 5 · 77 / MICHAEL · FE/LIX · CONSVL · C(ONSVL) · R(EGENS) ·a) / HBCb)1) V(ERBVM) D(OMINI) M(ANET) I(N) AE(TERNVM)2)

Übersetzung:

1577. Michael Felix, Ratsherr (und) regierender Bürgermeister.3) HBC. Gottes Wort bleibt in Ewigkeit.

Kommentar

Die von Formen der frühhumanistischen Kapitalis beeinflußte Schrift mit unregelmäßig breiten Buchstaben zeichnet sich durch ein konisches kapitales M aus, bei dem der Mittelteil zum Teil weit oberhalb der Mittellinie endet. Das H ist mit Nodus auf dem Mittelbalken, das A in MICHAEL mit beidseitig überstehendem Deckbalken gestaltet; E, L und D weisen Sporen auf, die runden C sind außer in CONSVL sehr weit geöffnet. R ist mit langer Cauda und Abschlußstrich am Schaft versehen.

Die Inschrift bezieht sich auf den Umbau der im Kern romanischen Kirche, deren Gewölbe so einsturzgefährdet waren, das sie ab 1577 eingerissen wurden. Bei der Neuwölbung wurde die Kirche von einer drei- zu einer zweischiffigen Anlage umgestaltet. Stilistisch erinnert an den Umbau vor allem das rundbogige Eingangsportal mit seinen Renaissanceformen. Die Baumaßnahmen wurden von der Gemeinde, u. a. durch eine Kollekte, finanziert.4) Dementsprechend ließen sich die 1577 amtierenden Bürgermeister durch Bauinschriften an der Kirche verewigen; vgl. Nr. 82. Das ausgesprochen protestantische Bekenntniswort wurde nur wenige Jahre nach der Durchsetzung der Reformation im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel nach dem Tod Heinrichs d. J. 1568 angebracht.5)

Die Familie Felix (Feling, Veling) hatte seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Ackerbürger erhebliches Gewicht in Holzminden. Michael Felix erscheint 1579 und 1581 als Bürgermeister in den Akten, nach 1588 ist er tot; seine Witwe steht noch bis 1614 in den Steuerlisten.6) Legt man die Verhältnisse von 1627 zugrunde, wählten 24 „Kurherren“ die ein Jahr amtierenden fünf Ratsherren und zwei Bürgermeister, von denen einer zum Regierenden Consule elegiret wurde; im Normalfall war die Wiederwahl in den Rat üblich.7) Die Auflösung der Initialen in der zweiten Zeile als C(ONSVL) R(EGENS) („regierender Bürgermeister“) erscheint so gerechtfertigt.

Textkritischer Apparat

  1. C ·R ·] Das R, kleiner und in den Bogen des C gestellt, ragt rechts in den Rahmen hinein.
  2. HBC] Die Buchstaben, deutlich kleiner als der Rest der Inschrift, stehen über der Grundlinie und ragen links in den Rahmen hinein.

Anmerkungen

  1. Auflösung unklar. Göhmann nimmt für C „Amtsinhaber“ an, was aber inhaltlich und sprachlich nicht überzeugt; Göhmann, Lutherkirche, S. 32.
  2. Protetstantische Devise nach 1. Pt. 1,25.
  3. Zur Auflösung und Übersetzung vgl. bereits Kieckbusch, Bürgerleben, S. 24 u. 114.
  4. Kdm. Kr. Holzminden, S. 61 u. 63. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 24. Göhmann, Lutherkirche, S. 29–33.
  5. Vgl. Göhmann, Lutherkirche, S. 26–29. Zur Verbreitung der Devise vgl. Angermann, Volksleben, S. 195. DI 42 (Stadt Einbeck), Einleitung, S. XXIf.
  6. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 14, 24, 103, 115, 354 u. 383f.
  7. Ebd., S. 114; nach StAW 7 Alt, R 287. Die älteren Teile des Stadtarchivs sind seit der Plünderung der Stadt im Jahr 1625 und dem Brand von 1640 weitgehend verloren; vgl. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 263f.

Nachweise

  1. Kdm. Kr. Holzminden, S. 64.
  2. Göhmann, Lutherkirche, S. 32.
  3. Kieckbusch, Bürgerleben, S. 24 (mit Abb. S. 25).

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 81 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0008109.