Inschriftenkatalog: Landkreis Holzminden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 83: Landkreis Holzminden (2012)

Nr. 54 Bodenwerder, Homburgstr. 50 1550

Beschreibung

Haus. Fachwerk. Das zweigeschossige giebelständige Fachwerkhaus mit Zwischengeschoß (früher Nr. 150) ist vier Gefache breit, das Obergeschoß und der Giebel vorkragend. Die beiden Inschriften befinden sich auf dem Schwellbalken des ersten Obergeschosses. Inschrift A und die Bibelstelle vertieft, der Rest von (B) erhaben geschnitzt.1)

Maße: Bu.: ca. 9 cm.

Schriftart(en): Mischschrift aus Minuskeln und frühhumanistischer Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Meike Willing) [1/2]

  1. A

    OrA . et lAborA :

  2. B

    Sir : 19 GeRingea) klocheit MIt gots fruchte : IsT beter Den grote wisheit Mit gots norAch=//tVNGeb)2) 1550c)

Übersetzung:

Bete und arbeite. (A)

Sir. 19: Geringe Klugheit mit Gottesfurcht ist besser als große Weisheit mit Gottesverachtung. (B)

Kommentar

Die Großbuchstaben der eigenwilligen Mischschrift sind der frühhumanistischen Kapitalis entlehnt: A mit nach rechts überstehendem Deckbalken, teils ohne Mittelbalken, teils mit geradem oder gebrochenem Mittelbalken und doppeltem rechten Schaft; G mit konturiertem mittleren Bogenabschnitt, die Innenkontur gerade, in GeRinge als Zierstrich ausgeprägt. Der Mittelteil des M ist über die Mittellinie nach oben gezogen, I mit Ausbuchtung nach rechts und gegabeltem Schaft gestaltet, D ist offen. Die Minuskelbuchstaben weisen kaum Brechungen auf: kursives s mit geschlossenem oberen Bogen, der linke Teil der Bögen zum Schaft verschmolzen; ein Schaft-s in wisheit; f und der Bogen des h sind mit Unterlängen versehen; t und e sowie t und Schleifen-s sind durch balkenartige Stege miteinander verbunden. Inhaltlich auffällig ist die Verbindung der Grunddevise des abendländischen Mönchtums (ora et labora) mit dem an die Lutherbibel angelehnten niederdeutschen Bibelzitat. Ora et labora findet sich allerdings auch später als Glocken- (vgl. Nr. 184) und als Hausinschrift im protestantischen Bereich; vgl. Nr. 249.3)

Textkritischer Apparat

  1. GeRinge] Über dem zweiten Schaft des n fehlerhaft ein aufgemalter Punkt.
  2. norAch=tVNGe] n fälschlich für v restauriert.
  3. Die letzten beiden Silben und die Jahreszahl sind rechts auf die Schiffskehle heruntergezogen.

Anmerkungen

  1. Die Vermutung von Braun, daß zunächst nur der erhaben ausgeführte Bibelspruch angebracht worden sei und erst später die vertieft geschnitzte Inschrift A und die Bibelstelle ergänzt worden seien, hat die unterschiedlichen Ausführungstechniken und die Beobachtung für sich, daß die Buchstaben des zuletzt genannten Teils mit größeren Abständen ausgeführt sind; zeitlich kann der Abstand der Anbringung aber nicht sehr groß sein, da die Buchstaben beider Teile einander sehr ähnlich sind; Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 37.
  2. Sir. 19,21.
  3. Siehe auch DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 427 (1650 od. später). DI 56 (Stadt Braunschweig II), Nr. 863 (1637). Für das 18. Jahrhundert vgl. z. B. Eggeling, Chronik, S. 344 u. 345.

Nachweise

  1. Rose, Chronik, S. 249.
  2. Kdm. Bodenwerder/Pegestorf, S. 37f. (mit Abb. 60).
  3. Hansen/Kreft, Fachwerk, S. 276 mit Abb. 228.

Zitierhinweis:
DI 83, Landkreis Holzminden, Nr. 54 (Jörg H. Lampe und Meike Willing), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di083g015k0005402.