Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 379† Kerstlingerode, ev.-luth. Kirche St. Johannes d. T. 1641, 1642

Beschreibung

Zinnsarg des Otto Christoph von Kerstlingerode. Bei der Öffnung der Kerstlingeröder Gruft 1704 war der Sarg noch vorhanden.1) Vermutlich wurde er beim Neubau der Kirche 1857/8 entfernt. Das umfangreiche Inschriftenprogramm ist in der Leichenpredigt für den Verstorbenen überliefert, die einzelnen Inschriften sind dort genau lokalisiert.2) Die Inschrift A stand am Kopfende des Sarges auf einem Zinnblech unter dem väterlichen Wappen, die Inschrift B auf dem Kreuzstamm (auff dem Creutze nach der Länge des Sarcks) des Kruzifixes, das auf dem Sargdeckel angebracht war. Offenbar umschloß die Inschrift den zum Kreuz gehörenden Titulus. Die Inschrift C unter einem Stundenglas und einem Totenkopf, die Inschrift D auf dem Balken des Kreuzes (uberzwerg des Creutzes), die Inschrift E auf dem Sargdeckel rechts, F auf dem Sargdeckel links. Die Inschrift G auf der rechten, H auf der linken Längsseite des Sarges. Am Fußende des Sarges war das mütterliche Wappen angebracht, darunter die Inschrift I auf einem Zinnblech.

Inschriften nach der Leichenpredigt.

  1. A

    Anno Christi 1641. den 5. Augusti vmb sechs zu Abend ist der WolEdle etc(etera) Otto Christoph von Kerstlingeroda in Gott selig verschieden auß dem vhralten Adelichem Geschlechte der von Kerstlingeroda Anno 1587. am Grünen Donnerstage gebohren dessen einer seiner Vorfahren Heiso von Kerstl(ingeroda) Ritter Anno Christi 999. gelebet von dem Herkommen Otto von Kerstlingeroda welcher Heiso Otten von Kerstlingeroda gezeugeta) war von obwolgemelter sel(igen) Otto Christoph von Kerstlingeroda her kommen aber ohne LeibesErben selig verstorben vnd also dieser Stamm leider erloschen seines Alters 55. Jahr etc(etera)

  2. B

    Johannis 3. Cap. Also hat Gott die Welt geliebet daß er seinen eingebornen Sohn gab auff daß alle die an jhn gläuben nicht verlohren werden sondern das ewige Leben haben Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt daß er die Welt richte sondern daß die Welt durch jhn selig werde Wer an jhn gläubet der wird nicht gerichtet wer aber nicht gläubet der ist schon gerichtet denn er gläubet nicht an den Namen des eingebornen Sohns Gottes etc(etera) 3)

    I(ESUS) · N(AZARENUS) · R(EX) · I(UDAEORUM) 4)

    NJemand mein Todt beweinen sol Ich leb in Gott vnd mir ist wol Zum sichern Port ich kommen bin Todt Sünd alln Jammer fehrt dahin Mit Christo hab ich Fried vnd Frewd Vnd leb in ewger Seligkeit

    Phil. 1. Cap. Christus ist mein Leben Sterben ist mein Gewin Ich habe lust abzuscheiden vnd bey Christo zu seyn 5)

    Johan. 1. Cap. SJehe das ist Gottes Lamb das der Welt Sünde treget 6) IN dem Creutz Christi steht alle mein Hoffnung Trost und ewige Seligkeit Amen

  3. C

    WEnn mein Stündlein vorhanden ist Vnd sol hinfahren mein Strasse So gleit dv mich HErr Jesu Christ Mit Hülff mich nicht verlasse Mein Seel an meinem letzten End Befehl ich dir in deine Hend Du wirst sie wol bewahren 7)

    Hiob XIX. Cap. ICh weiß daß mein Erlöser lebt vnd er wird mich hernach aus der Erden aufferwecken vnd werde darnach mit dieser meiner Haut vmbgeben werden vnd werd in meinem Fleische GOTT sehen denselben werde ich mir sehen vnd meine Augen werden jhn schawen vnd kein Frembder 8)

    Kein groesser Schmertz auff Erden kreiß Gefunden wird als wenn zerreist Der grimmge Todt zwey Ehlich Leut Welch habn gelebt in Fried vnd Frewdt

  4. D

    In der 2. Timoth. 4. Cap. JCh werde schon geopffert die Zeit meines Abschieds ist fürhanden Ich habe einen guten Kampff gekämpffet Ich habe den Lauff vollendet Ich habe Glauben gehalten Hinfort ist mir beygelegt die Krone der Gerechtigkeit welche mir der HERR an jenem Tage der gerechte Richter geben wird Nicht mir aber alleine sondern auch allen die seine Erscheinung lieb haben etc(etera) 9)

    Apoc. 14. Cap. Selig sind die Todten die in dem HERREN sterben von nun an Ja der Geist spricht daß sie ruhen von jhrer Arbett denn jhre Wercke folgen jhnen nach etc(etera) 10)

    1. Johann. I. Cap. DAs Blut JEsu Christi Gottes Sohn macht vns rein von allen vnsern Suenden etc(etera) 11)

  5. E

    1. MJt Fried vnd Frewd ich fahr dahin in GOttes Willen Getrost ist mir mein Herz vnd Sinn sanfft vnd stille wie GOtt mir verheissen hat Der Todt ist mein Schlaff worden etc(etera) 12)

    2 . HERR JEsu dir lebe ich dir sterbe ich dein bin ich todt vnd lebendig Amen

    3 . HERR nun lessestu deinen Diener im Friede fahren wie du gesagt hast Denn meine Augen haben deinen Heyland gesehen welchen du bereitet hast für allen Völckern Ein Liecht zu erleuchten die Heyden Vnd zum Preiß deines Volcks Israel etc(etera) 13)

  6. F

    ICh hab mich Gott ergeben Dem liebsten Vatter mein Es ist kein jmmer=Leben Es muß geschieden seyn Der Todt bringt mir kein Schaden Sterben ist mein Gewinn Ich lig in Gottes Gnaden Mit Frewdn fahr jch dahin Zu Christ dem Bruder mein Auff daß ich zu jhm komme Mög ewig bey jhm seyn Nun hab ich vberwunden Creutz / Leyden / Angst vnd Noht Durch sein heilig fünff Wunden Bin ich versöhnt mit Gott Auff daß ich an jhm klebe Wie eine Klett am Kleidt Vnd ewig bey dir lebe In der himlischen Frewd 14)

  7. G

    Der 51. Psalm. GOtt sey mir gnädig nach deiner Güte vnd tilge meine Sünde nach deiner grossen Barmhertzigkeit Wasche mich wol von meiner Missethat vnd reinige mich von meiner Sünde Denn ich erkenne meine Missethat vnd meine Sünde ist jmmer fuer mir An dir allein habe ich gesündiget vnd Vbel fuer dir gethan Auff daß du recht behaltest in deinen Worten vnd rein bleibest wenn du gerichtet wirst Siehe ich bin auß sündlichem Saamen gezeuget vnd meine Mutter hat mich in Sünden empfangen Siehe du hast Lust zur Warheit die im Verborgen ligt 15)

  8. H

    Der 25. Psalm. NAch dir HErr verlanget mich mein GOtt ich hoffe auff dich laß mich nicht zu schanden werden etc(etera) 16)

    Der 42. Psalm. WJe der Hirsch schreyet nach frischem Wasser so schreyet meine Seele Gott zu dir meine Seele dürstet nach Gott nach dem lebendigen Gott wenn werde ich dahin kommen daß ich Gottes Angesicht schawe etc(etera) 17)

    Der 73. Psalm. WEnn ich nur dich habe so frage ich nichts nach Himmel vnd Erden wenn mir gleich Leib vnd Seele verschmachtet so bistu doch Gott allezeit meines Hertzen Trost vnd mein Theil etc(etera) 18)

  9. I

    DJeses sel(igen) verstorbenen Haußfraw ist die Wol Edle etc(etera) Beata gebohren aus dem vhralten Adelichem Geschlecht der von Hopffgarten mit welcher er biß ins 28. Jahr im Ehestande in Fried vnd Einigkeit doch ohne Leibes Erben zugebracht vnd von derselben den 8. Februarij Anno 1642. Christlich-Adelichem Gebrauch die Leich-Ceremonien zu Göttingen in S. Johannis Kirchen gehalten vnd hernach auff sel(igen) verstorbenen Begehren nach Kerstlingeroda in das Erbbegraebniß beygesetzet worden

Wappen:
KerstlingerodeHagen

Kommentar

Otto Christoph von Kerstlingerode, Sohn des Heiso Otto von Kerstlingerode und der Katharina von Hagen (vgl. Nr. 403), wurde im Jahr 1587 geboren. Er studierte seit 1604 in Marburg Jura19) und unternahm Bildungsreisen nach Frankreich und England.20) Über sein Leben ist wenig bekannt. Im Jahr 1614 heiratete Otto Christoph von Kerstlingerode Beata von Hopfgarten. Seit 1626 wohnte er im Schloß zu Rittmarshausen, das er bei der Erbteilung mit seinem Bruder Hans Wilhelm erhalten hatte. Heise berichtet von häufigen Streitigkeiten mit der Einwohnerschaft der Garte-Dörfer um Weidenutzungsrechte.21) Otto Christoph von Kerstlingerode starb am 5. August 1641 in Göttingen, wo auch sein Leichenbegängnis in der Johanniskirche abgehalten wurde. Da er der letzte männliche Sproß seiner Familie war, wurde der Kerstlingeröder Wappenschild bei der Leichenfeier vor der versammelten Trauergemeinde zerbrochen.22) Auf diese Zeremonie bezieht sich vermutlich die Angabe in der Inschrift I. Warum die Zeremonie erst sieben Monate nach dem Tod des Otto Christoph von Kerstlingerode stattfand und dieser der Inschrift zufolge erst sieben Monate nach seinem Tod in Kerstlingerode beigesetzt wurde, ist unklar. Die Witwe Beata von Hopfgarten heiratete in zweiter Ehe im März 1644 den Kommandanten des Eichsfelds Hans Albrecht von Westernhagen (vgl. Nr. 376). Sie starb im Jahr 1648.23)

Textkritischer Apparat

  1. welcher Heiso Otten von Kerstlingeroda gezeuget] der Hanß Wilhelm und Heiso Otten von Kerstlingeroda gezeuget Heise.

Anmerkungen

  1. Heise, Antiquitates, S. 87.
  2. Leichenpredigt für Otto Christoph von Kerstlingerode, verf. v. Heinrich Friedekindt, Goslar 1642 (SUB Göttingen, 4° N. II. 5).
  3. Jh. 3,16–18.
  4. Io. 19,19.
  5. Phl. 1,21 u. 23.
  6. Jh. 1,29.
  7. Erste Strophe eines Lieds von Nicolaus Herman (Kantor in Joachimsthal, gest. 1561), vgl. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 3, Nr. 1414, 1415, S. 1211; Fischer, Kirchenlieder-Lexicon, Bd. 2, S. 352f.
  8. Hi. 19,25–27.
  9. 2. Ti. 4,6–8.
  10. Off. 14,13.
  11. 1. Jh. 1,7.
  12. Lied von Martin Luther, vgl. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 3, Nr. 25, S. 17; Fischer, Kirchlieder-Lexicon, Bd. 2, S. 91f., Str. 1.
  13. Lk. 2,29–32.
  14. Lied von Johann Leon, vgl. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 4, Nr. 715, S. 522, mit dieser Fassung stimmt der Inschrifttext überein; Fischer, Kirchenlieder-Lexicon, Bd. 1, S. 338f. Wackernagel, Kirchenlied, Bd. 5, Nr. 666, 667, S. 436f.
  15. Ps. 51,3–8.
  16. Ps. 25,1f.
  17. Ps. 42,2f.
  18. Ps. 73,25f.
  19. Matrikel Marburg, Teil 2, S. 168.
  20. Heise, Antiquitates, S. 79.
  21. Ebd., S. 80–83.
  22. Leichenpredigt (wie Anm. 2), Vermerk auf dem Titelblatt.
  23. Westernhagen, Geschichte, S. 274 u. Stammtafel II.

Nachweise

  1. Leichenpredigt für Otto Christoph von Kerstlingerode, verf. v. Heinrich Friedekindt, Goslar 1642 (SUB Göttingen, 4° N. II. 5), S. 56–62.
  2. Heise, Antiquitates, S. 87f. (A, I).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 379† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0037908.