Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 309 Wollershausen, ev.-luth. Kirche St. Marien 1616

Beschreibung

Epitaph des Johann von Minnigerode und der Dorothea von Hanstein. Grauer Quarzit und weißer Marmor.1) Das große in drei Achsen und drei Stockwerken aufgebaute Epitaph steht an der Nordwand im Chor der Kirche hinter einem schmiedeeisernen Gitter (vgl. Nr. 311). Im Mittelteil der mittleren Zone von 32 paarweise angeordneten, vollplastischen Vollwappen umgeben auf einem Sockel die ebenfalls vollplastische Figur der Pietas mit einem Kreuz (vgl. dazu Nr. 321, Kommentar) in weißem Marmor. Die oberen acht Wappen sind neu, sie wurden im Jahr 1989 als Ersatz für die ehemals dort befindlichen und stark zerstörten bzw. abhandengekommenen Wappen angebracht. Allerdings hat man bei der Ergänzung nicht berücksichtigt, daß Beschreibungen des Epitaphs aus dem 19. Jahrhundert lediglich 30 kleinere Wappen erwähnen, die zusammen mit den beiden großen Wappen für die Eheleute zwei sechzehnteilige Ahnenproben ergaben.2) Die Wiederholung der Wappen Minnigerode und Hanstein entspricht somit nicht dem alten Befund und hat eine sehr gedrängte Anordnung der Wappen im oberen Bereich zur Folge. Bei der letzten Renovierung 1989 wurden auch Teile der Figuren ergänzt, die abgebrochen waren.

Die seitlichen Achsen der mittleren Zone werden jeweils von zwei vorgebauten Säulen begrenzt, die das Gesims über der mittleren Zone tragen und heute nicht mehr symmetrisch angebracht sind. Zwischen den Säulen auf hochrechteckigen Tafeln links die Inschrift A, rechts die Inschrift B, in der die zweite Zeile mit Ausnahme der ersten beiden Ziffern für den Nachtrag des Todesdatums der Ehefrau freigelassen wurde, der jedoch nicht erfolgte. Auf dem Gesims, das die mittlere Zone nach unten abschließt, knien als Freifiguren links der Vater in Rüstung mit zwei Söhnen, rechts die Mutter mit einer Tochter. Die Kleidung und der Haarschmuck der Kinderfiguren zeigen noch Reste von Vergoldungen. Unterhalb des Gesimses, auf dem die Figuren knien, der Unterteil des Epitaphs in Form einer querrechteckigen, von seitlichen Vorsprüngen begrenzten Tafel über einem Sockel,3) links und rechts außen vor geschwungenen Abschlüssen ornamentale Verzierungen aus weißem Marmor. Über die ganze Breite der Tafel verläuft die Inschrift C. Die Inschriften A–C sind ebenso wie die im folgenden genannten Inschriften D–F äußerst exakt und gleichmäßig in den dunkelgrauen Untergrund eingehauen, die Kerben sind mit einem weißen Gips gefüllt, so daß sich eine glatte Oberfläche der Inschriftentafeln ergibt.

Über der mittleren Zone in der mittleren Achse ein Relief mit der Darstellung der Auferstehung in weißem Marmor, auf dem Rahmen aus grauem Quarzit links die Inschrift D, rechts die Inschrift E. Oberhalb des Reliefs ein Gesims, das die Bekrönung trägt. Sie besteht aus einer geschwungenen Tafel mit einem geflügelten Totenkopf in weißem Marmor davor über einem Fries, der die Inschrift F trägt. Seitlich der Tafel auf den äußeren Ecken des Frieses zwei Sockel mit je einer Schale darauf. Der flache obere Abschluß der geschwungenen Tafel könnte darauf hindeuten, daß hier ursprünglich die Figur einer Tugend stand oder vorgesehen war. Die seitlichen Achsen der oberen Zone bestehen aus hochrechteckigen oben bogenförmig abgeschlossenen Tafeln mit Sockeln oben in der Mitte, die früher vermutlich mit Figuren von Tugenden besetzt waren. Links und rechts vor den Tafeln sind jeweils zwei Tugendenfiguren aus weißem Marmor angebracht, deren Attribute fehlen. Die Figuren, die heute vor dem Hintergrund hängen, standen früher auf dem weit vorspringenden Gesims, das die mittlere Zone nach oben abschließt; die Anbringungsflächen oben auf dem Gesims sind noch zu erkennen. Die freischwebende Anbringung der Tugenden erscheint ebenso eigenartig wie der mit aufwendigen weißen Marmorschmuckteilen verzierte Fries unterhalb der Figuren, der direkt auf dem weit vorspringenden Gesims über der mittleren Zone aufliegt und von diesem verdeckt wird (vgl. Kommentar). Die Tugenden rahmen heute zwei große Vollwappen aus weißem Marmor. Oben über den Wappen jeweils ein Engelskopf, ebenfalls aus weißem Marmor. Beide Wappen sind mit Beischriften (G, H) versehen, die heute nur noch als in den Stein geritzte schwache Kontur sichtbar sind und früher vergoldet waren. An verschiedenen Stellen des Epitaphs lassen sich noch Spuren von in Gold gemalten Ornamenten erkennen.

Die ursprünglich 30 um die Figur der Pietas herum angeordneten Wappen tragen bzw. trugen Beischriften (I), die auf dem schwarzen Steinhintergrund in Kontur eingeritzt sind und vereinzelt noch Reste von Vergoldung aufweisen. Die Beischriften sind teilweise durch die Neuanbringung der Wappen verdeckt worden, teilweise nicht mehr erhalten. Der ursprünglichen Anordung nach, die auf einer älteren Aufnahme noch zu erkennen ist, waren zu beiden Seiten der Figur im Mittelteil übereinander sechs Reihen zu je zwei Wappen angebracht, unterhalb der Figur vier Wappen. Wo die beiden mit den großen Wappen Minnigerode und Hanstein korrespondierenden mütterlichen Wappen Rüxleben und Bülzingsleben angebracht waren, läßt sich nicht mehr feststellen. Die beiden heute leeren Kartuschen rechts und links außen unter dem Gesims über dem Mittelteil waren ehemals mit Engelsköpfen besetzt.

Zu dem Epitaph gehören noch vier weitere Inschriftentafeln, drei davon nur noch als Fragmente erhalten. Sie wurden erst im Zuge der Bearbeitung des Epitaphs als zu diesem gehörig erkannt, da sie in einer Garage auf dem Gelände des ehemals Minnigerodeschen Gutes in Gieboldehausen lagerten, und wieder nach Wollershausen gebracht. Auch bei ihnen handelt es sich um grauen Quarzit mit eingehauenen Buchstaben, die mit weißem Gips gefüllt sind oder waren. Alle Steine tragen bzw. trugen oben und unten die gleichen profilierten vorspringenden Abschlüsse und weisen dieselbe Höhe auf. Der Stein mit der Inschrift J ist noch komplett erhalten, seine Profilkanten springen seitlich oben und unten vor, so daß er nicht zwischen anderen Steinen eingebaut gewesen sein kann. Diese Steintafel entspricht in ihrer Breite in etwa dem Mittelteil des oberen Aufbaus und der Schrifttafel in der unteren Zone des Epitaphs. Die Gipsfüllung der Buchstaben ist bis auf wenige Reste verloren. Alle drei Fragmente sind auf je einer Seite gerade abgeschnitten und weisen auf der anderen Seite jeweils eine Bruchkante auf. Das Fragment mit der Inschrift K mit gerader Kante links sowie nach links überstehender Profilleiste trägt noch die jeweils linke Hälfte der Inschriftenzeilen, die Buchstaben weisen keine Reste der Gipsfüllung mehr auf. Das kleine Fragment mit der Inschrift L mit gerader Kante links trägt noch etwa das linke Viertel der Zeilen, die Gipsfüllung der Buchstaben ist hier noch in Resten erhalten. Das Fragment mit der Inschrift M mit gerader Kante rechts trägt die rechte Hälfte der Zeilen, die Gipsfüllung ist hier noch vollständig erhalten. Da für das Epitaph die oben beschriebene Form bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt ist, müssen die drei Steine, die deutliche Spuren von Verbauung wie Klammerlöcher und Mörtelreste aufweisen, früher an anderer Stelle montiert gewesen sein (vgl. Kommentar).

Maße: Epitaph: H.: 414 cm; B.: 291 cm; Bu.: 3 cm (A–C, F–H), 2,7 cm (D, E), 1,7 cm (I). Steintafeln: H.: 43,3 cm; B.: 108 cm (J), 29,5 cm (K), 44 cm (L), 64 cm (M); Bu.: 3,3–3,5 cm (J–M).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A–H, J–M), Fraktur (I).

Sabine Wehking [1/12]

  1. A

    ANNO D(OMI)NI : 1611 · / DEN 7. APRI(LIS) IST / DER EDLER GE=/STRENGER VND / EHRENVESTER / IOAN VON MINNI=/GERODA, ZV GIE=/BELDEHAVSEN, / SALTZ DER HEL=/DE(N), VND WOLDERS/HAVSEN ERBGE=/SESSEN, IM HERRN / SELIGLICH ENT=/SCHLAFFEN. / LIB: SAP: 3. CAP. / DER GERECHTEN / SEELEN SIND IN / GOTTES HAND, / VND KEINE QVAL / RVRET SIE AN. 4)

  2. B

    ANNO CHRISTI / 16< – – – > / IST DIE EDLE / VND VIELTVGE(N)T=/SAM FRAW DORO=/THEA GEBORNE / VON HANSTEIN, / IOAN VON MINNI=/GERODA S(EINE) EHELI=/GE HAVSFRAWE / IN CHRISTO SE=/LIG VERSCHIEDEN. / ROM: 14. CAP. / LEBEN WIR SO / LEBEN WIR DEM / HERRN, STERBEN / WIR, SO STERBEN / WIR DEM HERRN, / DARVMB, WIR LEBE(N) / ODER STERBEN, / SO SIND WIR DES / HERRN. 5)

  3. C

    ESA: 26. CAP. / GEHE HIN MEIN VOLCK, IN EINE KAM/MER, VND SCHLEVS DIE THVRa) NACH DIR ZV, VERBIRG DICH EIN KLEIN AVGENBLICK, / BIS DER ZORN FVRVBERa) GEHE. 6)/ IOH: 11. CAP. / ICH BIN DIE AVFFERSTEHVNG VND DAS LE=/BEN, WER AN MICH GLEVBETa) DER WIRD LEBEN, / OB ER GLEICH STVRBEa), VND WER DA LEBET / VND GLEVBET AN MICH DER WIRD NIMMER=/MEHR STERBEN, 7) DEN ICH LEBE VND IHR SOLT / AVCH LEBEN. 8)

  4. D

    PSAL: 68. / WIR HABEN / EINE(N) GOTT / DER DA HILFT, / VND DE(N) HER=/REN HERRN / DER VOM TO/DE ERRET/TET. 9)

  5. E

    ROM: 14. / DEN DAZV IST / CHRIST(VS) AVCH / GESTORBE(N) V(N)D / AVFERSTANDE(N) / VND WIDER LE/BE(N)DIG WORDE(N) / DAS ER VBERa) / TODE V(N)D LEBE(N)/DIGE HERR SEI. 10)

  6. F

    DER TOD IST VORSCHLVNGE(N) / IN DEM SIEG, TOD WO IST DEIN STACHEL? HELLE WO IST DEIN / SIEG? 11)

  7. G

    IOAN V(ON) [...]NGERODA

  8. H

    DOROTHEA V(ON) M[.]NGERODA G(EBORNE) V(ON) H(ANSTEIN)

  9. I

    heraldisch rechte Seite:

    We[........]gen  [.]br[.] 
    Laubingen  Witzleben 
    Liebold  Werte[..] 

    heraldisch linke Seite:

    Lan[......]  [ – – – ] 
    [.]chwichelt  Boveden 
    [...]bach  Bilaw 
    Saldern  Wertern 
  10. J

    OSE. 13. / ICH WIL SIE VO(N) DER HANDT DES TODES / ERLÖSEN O TODT ICH WIL DEIN TODT / SEIN. 12) ESA. 46. ICH WIL ES THVN / ICH WIL HEBEN TRAGEN VND ERRETTEN 13)

  11. K

    ESA [..] / ICH WIL EINEN NEW[ – – – ] / NEWE ERDE SCHAFFEN [ – – – ] / VORIGEN NICHT MEHR [ – – – ] / NOCH ZV HERTZEN N[ – – – ] 14)

  12. L

    [ – – – ] / ES KÖM[ – – – ] / ALLE DI[ – – – ] / DEN DES[ – – – ] / GVTS G[ – – – ] 15)

  13. M

    [ – – – ]P: 3 / [ – – – ] IST IM HIMEL VO(N) DAN=/[ – – – ]RTENDES HEYLANDS / [ – – – ] HERRN, WELCHER VNS=/[ – – – ] LEIB VERKLERE(N) WIRD et(cetera) 16)

Wappen:
Minnigerode17)
Minnigerode17)Rüxleben18)
Rülicke19)Hopfgarten20)
Westernhagen21)Ebra22)
Loybichen23)Witzleben24)
Liebold25)Werther26)
Rebeningen27)Brandenstein28)
Leuthorst29)Bissingen30)
?31)Nismitz32)
Hanstein33)
Hanstein33)Bülzingsleben34)
Hardenberg35)Minnigerode17)
Landsberg36)Salza37)
Schwichelt38)Boventen39)
Seebach40)Bila41)
Saldern42)Werther43)
Veltheim44)Oldershausen45)
Rutenberg46)Goldacker47)

Kommentar

Die hohe Qualität des Epitaphs und der dazu passenden Grabplatte aus denselben Materialien (Nr. 310) zeigt sich besonders auch in der Ausführung der Inschriften auf beiden Stücken in einer senkrecht ausgerichteten Kapitalis mit hohen Buchstaben, in der beide Stücke übereinstimmen. Die Buchstaben zeigen einen Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, Linksschrägenverstärkung, Bogenverstärkung, sehr fein ausgeführte Sporen an den Schaft- und Balkenenden sowie spitz ausgezogene Bogenenden. Besonders auffällig ist das Z in Form einer 2 bestehend aus Bogen und unterem geschwungenen Balken sowie X mit gerader Linksschräghaste und geschwungener Rechtsschräghaste. Die Schattenstriche und Bogenverstärkungen sind in den Inschriften des Epitaphs breiter ausgeführt als auf der Grabplatte. Ein weiterer Unterschied besteht in der Gestaltung der G, die in der Inschrift der Grabplatte aus einem Bogen bestehen, dessen oberes Bogenende spitz ausgezogen ist und dessen unteres Bogenende in einem Sporn endet, während G in den Inschriften des Epitaphs aus Bogen und senkrechter Cauda besteht. In der Inschrift F findet sich eine frühe Verwendung des Fragezeichens in Inschriften.

Johann von Minnigerode wurde am 10. August 1556 als Sohn des in Bockelnhagen ansässigen Jobst von Minnigerode und seiner Ehefrau Brigitta von Rüxleben geboren. Zunächst diente er als Kammerjunker am Braunschweiger Hof in Katlenburg, dann am Oldenburger Hof. Zusammen mit seinem späteren Schwager Johann Wilhelm von Kerstlingerode (vgl. Nr. 321) begab er sich auf eine Bildungsreise nach Frankreich und leistete schließlich unter Herzog Franz von Sachsen-Lauenburg Kriegsdienst in Ungarn.48) Im Jahr 1601 erhielt Johann von Minnigerode durch Erbteilung die Hälfte der Familienbesitzungen in Wollershausen und begann dort mit der Errichtung eines Schlosses, an dessen Stelle heute das 1732–35 erbaute barocke Wasserschloß steht.49) Johann von Minnigerode heiratete erst verhältnismäßig spät; nach seiner Leichenpredigt dauerte die Ehe mit Dorothea von Hanstein, der Tochter des Kersten von Hanstein und der Beata von Bülzingsleben, nur sechs Jahre bis zum Tod Johanns am 7. April 1611. Aus der Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor. Dorothea von Hanstein starb am 17. September 1636 in Osterode, wohin sie sich vor den Unruhen des Dreißigjährigen Krieges zurückgezogen hatte.50) Ihr Todesdatum wurde auf dem nach dem Tod ihres Mannes angefertigten Epitaph nicht nachgetragen.

Die Annahme, Johann von Minnigerode hätte bereits den Umbau der Kirche in Wollershausen veranlaßt,51) ist falsch. Dies belegen die Leichenpredigten für die beiden Eheleute zweifelsfrei; während in der Leichenpredigt des Johann von Minnigerode der Kirchenbau mit keinem Wort erwähnt ist, wird in der Leichenpredigt für Dorothea von Hanstein ausführlich abgehandelt, daß sie nach dem Tod ihres Mannes den neuen Chor errichten ließ und die Kirche mit Ausstattungsstücken versah. Dazu gehörten neben der Kassettendecke (Nr. 313), dem Altar (Nr. 306) und der Kanzel (Nr. 322) auch die Grabplatte (Nr. 310) und das Epitaph samt Gitter (Nr. 311). Offenbar beschloß die Witwe Dorothea von Hanstein – möglicherweise aufgrund einer Verfügung ihres Ehemanns –, in der Kirche von Wollershausen ein Familienbegräbnis einzurichten und den Bau zu diesem Zweck erheblich zu vergrößern. Den Terminus ante quem für diese Baumaßnahme stellt das inschriftlich auf dem Altar genannte Herstellungsjahr 1614 dar.

Gleichzeitig mit dem Baubeginn wurden wohl die Grabplatte und das Epitaph in Auftrag gegeben. Beide Stücke wurden in derselben Werkstatt und im selben Material gefertigt. Da das zum Epitaph gehörende Gitter (Nr. 311) die Jahreszahl 1616 trägt, ist es wahrscheinlich, daß auch die beiden Grabdenkmäler zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt wurden. Sie zeichnen sich durch eine außergewöhnlich hohe Qualität aus, die den Rückschluß auf eine überregional bedeutende Bildhauerwerkstatt zuläßt. Da keinerlei schriftliche Quellen zur Anfertigung der beiden Stücke erhalten sind, kann die Werkstatt nicht näher lokalisiert werden. Es handelte sich jedoch offensichtlich um eine zwischen 1610 und 1620 überregional tätige Werkstatt, die Aufträge von etlichen untereinander verwandten Adelsfamilien einer Gegend erhielt. Diese Werkstatt läßt sich anhand der bislang zu ermittelnden Vergleichsstücke nur vorläufig an deren Standorten festmachen: In der Kirche von Zaunröden das Epitaph für Otto von Hagen und seine Ehefrau Anna Maria von Knorr aus der Zeit um 1614 sowie eine heute verdeckte Grabplatte für Christoph von Hagen aus grauem Stein mit weißer Schrift,52) in der Klosterkirche Wülfinghausen das Epitaph für Hermann Rauschenplat und Anna von Steinberg von 161953) und in der ehemaligen Kirche von Kerstlingerode das nicht mehr erhaltene Epitaph für Johann Wilhelm von Kerstlingerode und seine Ehefrau Maria von Minnigerode von 1619 (vgl. Nr. 321). Während sich letzteres lediglich anhand der auffälligen Materialbeschreibung in Kombination mit der engen verwandtschaftlichen Beziehung – Maria von Minnigerode war die Schwester des Johann von Minnigerode – zur Gruppe dieser Denkmäler zuordnen läßt, zeigen die beiden Epitaphien in Wülfinghausen und Zaunröden trotz jeweils individueller Gestaltung weitgehende Übereinstimmungen in Material und Aufbau, in der Gestaltung der Figuren und in der Schriftausführung. Ganz besonders gilt dies für das Wülfinghäuser Epitaph, vor allem dann, wenn man die vier separat erhaltenen Inschriftentafeln des Wollershäuser Epitaphs mit Hilfe einer Fotomontage in das heutige Epitaph an die Stelle stellt, an die sie aufgrund ihrer Abmessungen passen (vgl. Abb. 250 u. 251, Tafel 86 u. 87).

Schon der Provinzialkonservator Siebern bemerkte in seinem Gutachten vor der Restaurierung des Epitaphs im Jahr 1928: An der Nordwand des Chores befindet sich das Epitaphium des Johann von Minnigerode ... eine ganz hervorragende künstlerische Leistung, die, für eine andere großräumige Umgebung berechnet, hier bedauerlicher Weise nicht voll zur Wirkung kommt, da die vorkragenden Glieder schon auf dem Erdboden ansetzen.54) Siebern konstatierte das Mißverhältnis zwischen der Höhe des Epitaphs und der Höhe des Chors ohne Kenntnis der vier zu dem Epitaph gehörenden Tafeln. Setzt man nun – dem Aufbau des Wülfinghäuser Epitaphs folgend – das Tafelfragment K mit vorspringender Profilkante an der linken Seite und die zwei Tafelfragmente L und M mit geraden Kanten in der Zone zwischen dem weit vorspringenden Fries und dem Fries mit den Marmorverzierungen ein und die Tafel mit beidseitiger Profilierung zwischen dem Mittelteil der oberen Zone und der Bekrönung, so bekommt das Epitaph Proportionen, die zu der oft konstatierten hohen bildhauerischen Qualität des Stücks passen, und es ergibt sich dann – von einer zusätzlichen Inschriftentafel in der unteren Zone des Wülfinghäuser Epitaphs abgesehen – der gleiche Aufbau beider Epitaphien.

Mit dem Einbau der Tafeln wäre das Epitaph um 86,6 cm höher geworden – ganz abgesehen von einer möglichen bekrönenden Figur auf dem oberen Sockel – und wäre damit trotz der Anbringung direkt auf dem Fußboden nicht mehr im Chorraum unterzubringen gewesen, der heute einen Spielraum von 84 cm zwischen Epitaph und Decke aufweist. Dieser Umstand läßt zwei mögliche Schlüsse zu. Entweder war das Epitaph zunächst für eine Kirche mit ganz anderen Abmessungen bestimmt – wie etwa die Kirche St. Laurentius in Gieboldehausen –, oder die Diskrepanz der Größenverhältnisse wurde erst bei Anlieferung des Epitaphs aus einer vermutlich weiter entfernten Werkstatt deutlich. Da das Epitaph zur gleichen Zeit entstand wie der Chor, ist eine Fehlplanung der Abmessungen durchaus wahrscheinlich. Es ist jedoch ebenso möglich, daß Dorothea von Hanstein zunächst eine Grablege in Gieboldehausen für ihre Familie vorgesehen hatte und ihren Plan kurz darauf änderte.

Textkritischer Apparat

  1. V mit zwei Punkten zur Bezeichnung des Umlauts.

Anmerkungen

  1. Als Material des Epitaphs und seiner Vergleichsstücke (vgl. Kommentar) wurde bislang durchgängig schwarzer und weißer Marmor oder Alabaster angegeben. Für die Bestimmung des dunklen Steins als grauen Quarzit danke ich Herrn Andreas Koch vom Geologischen Institut der Universität Göttingen.
  2. Verschiedene Beschreibungen und Berichte über Renovierungsmaßnahmen im 20. Jahrhundert an dem Epitaph befinden sich im Pfarrarchiv der evangelischen Kirche Gieboldehausen.
  3. Der heutige Sockel geht auf eine grundlegende Renovierung des Epitaphs in den Jahren 1929/30 zurück.
  4. Wsh. 3,1.
  5. Rö. 14,8.
  6. Jes. 26,20.
  7. Jh. 11,25f.
  8. Jh. 14,19.
  9. Ps. 68,21.
  10. Rö. 14,9.
  11. 1. Ko. 15,55.
  12. Nach Hos. 13,14.
  13. Jes. 46,4.
  14. Jes. 65,17: Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken wird noch zu Herzen nehmen.
  15. Jh. 5,28f. in verkürzter Form. Vermutlich zu ergänzen zu: Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden desselben Stimme hören, die da Guts getan haben.
  16. Phl. 3,20f.: Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilands Jesu Christi, des Herrn, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird.
  17. Wappen Minnigerode (aufgerichteter Angelhaken). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 13 u. Tafel 14.
  18. Wappen Rüxleben (geteilt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 341 u. Tafel 394. Die Hörner der Hemzier sind bei der Ersetzung des Wappenschildes falsch gestaltet, da das Wappen Rüxleben die nach außen gebogenen Büffelhörner trägt (so auch auf der Grabplatte Nr. 310), keine nach innen gebogenen spitz endenden Hörner.
  19. Wappen Rülicke (geteilt, oben und unten ein laufender Windhund). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 7, Abt. 3, S. 77 u. Tafel 46.
  20. Wappen Hopfgarten (gekreuzte dreizinkige Gabeln). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 177 u. Tafel 225.
  21. Wappen Westernhagen (aufgerichteter hersehender Löwe). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 20 u. Tafel 22.
  22. Wappen Ebra (schräge Leiter). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 120 u. Tafel 163.
  23. Wappen Loybichen (aus Gebüsch hervorspringender Wolf). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 102 u. Tafel 66.
  24. Wappen Witzleben (dreimal geteilter Sturzsparren). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 455 u. Tafel 494.
  25. Wappen Liebold (zwei Flügel). Nicht nachweisbar.
  26. Wappen Werther (quadriert, 1. u. 4. steigender Löwe, 2. u. 3. schräger Zweig mit drei Blättern). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 11, S. 66 u. Tafel 38.
  27. Wappen Rebeningen (Vogel auf Hügel mit Ring im Schnabel). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 129 u. Tafel 84.
  28. Wappen Brandenstein (laufender Fuchs mit Gans im Maul). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 96 u. Tafel 125.
  29. Wappen Leuthorst (zwei Wellenbalken). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 6, S. 98 u. Tafel 62; dort: zwei schrägrechte wolkige Balken.
  30. Wappen Bissingen (zwei abgewendete Sensenklingen). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 12, S. 73 u. Tafel 56.
  31. Wappen ? (geteilt, als Helmzier Stoß mit drei Federn).
  32. Wappen Nismitz (Pfahl). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 281 u. Tafel 332.
  33. Wappen Hanstein (drei Mondsicheln, 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8 u. Tafel 9.
  34. Wappen Bülzingsleben (behelmter Löwe, Helm mit Fähnlein besteckt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 103 u. Tafel 135.
  35. Wappen Hardenberg (Keilerkopf). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 8 u. Tafel 9.
  36. Wappen Landsberg (geteilt, oben Fuchs, unten schräges Gitter). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 78; Bd. 2, Tafel 190.
  37. Wappen Salza (quadriert, 1. u. 4. Lilie, 2. u. 3. zwei abgewendete aufgerichtete Angelhaken). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 344 u. Tafel 397.
  38. Wappen Schwichelt (drei abgerissene Löwenköpfe, 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 9 u. Tafel 7.
  39. Wappen Boventen (gespalten, vorne steigender Löwe, hinten Schlüssel). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 4, Abt. 6, S. 25 u. Tafel 15; dort: Löwe mit Schlüssel.
  40. Wappen Seebach (drei Seeblätter, 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 374 u. Tafel 422.
  41. Wappen Bila (zwei abgewendete Beile, dazwischen gestümmelter Ast). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 88 u. Tafel 113.
  42. Wappen Saldern (Rose). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 11, S. 50 u. Tafel 29.
  43. Wappen Werther (quadriert, 1. u. 4. steigender Löwe, 2. u. 3. schräger Zweig mit drei Blättern). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 6, Abt. 11, S. 66 u. Tafel 38.
  44. Wappen Veltheim (breiter Balken mit zwei Querfäden belegt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 10 u. Tafel 9.
  45. Wappen Oldershausen (quadriert, 1. u. 4. neun Rosen, 3:3:3). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 14 u. Tafel 15. Die Rosen sind nur noch sehr schwach erkennbar.
  46. Wappen Rutenberg (acht anstoßende Rauten, 5:3). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 102; Bd. 2, Tafel 253.
  47. Wappen Goldacker (geteilt, oben oberhalber aus der Teilungslinie wachsender Bock, unten gespalten). Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 3, S. 29 u. Tafel 31.
  48. Leichenpredigt für Johann von Minnigerode, verf. v. Johann Wilhelm Duderstadt, gedr. Erfurt 1612 (SUB Göttingen, 4° N. V. 14).
  49. Geschichte Minnigerode, S. 22f.
  50. Leichenpredigt für Dorothea von Hanstein, verf. v. Johann Sinderam, gedr. Mühlhausen 1636 (SUB Göttingen, 4° N. IV. 6).
  51. Geschichte Minnigerode, S. 22f.
  52. Vgl. dazu: Lothar Triebel, Das Epitaph des Otto von Hagen in Zaunröden. In: Unser Eichsfeld 1933, S. 221–225 (mit Abb.). Edgar Rademacher, Kleine Kirche mit zwei Namen. In: Eichsfeld, Heimatzeitschrift des Eichsfeldes 45, 2001, S. 212–214 (mit Abb.).
  53. Vgl. Die Kunstdenkmale des Kreises Springe, bearb. v. Heiner Jürgens, Arnold Nöldeke u. Joachim Freiherr von Welck. Neudruck Kunstdenkmälerinventare Niedersachsens, Bd. 19, Osnabrück 1978, S. 226f. u. Abb. Tafel 120.
  54. Akte im Pfarrarchiv der evangelischen Kirche Gieboldehausen.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 205 (A, B, G, H).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 309 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0030906.