Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 115† Lenglern, ev.-luth. Kirche St. Laurentius 1508

Beschreibung

Altar. Der Altar stand in der alten Kirche St. Laurentius, die 1780 abgebrochen wurde (vgl. a. Nr. 120). Möglicherweise ging beim Abbruch der Kirche auch der Altar verloren. Die Inschriften sind durch eine Abschrift des Pastors Eberhard Johann Baring überliefert, der 1763 bis 1784 Pastor in Lenglern war.1) Baring gibt keine Beschreibung des Altars, sondern macht nur Angaben zum Platz der Inschriften. Danach befand sich die Inschrift A unter einer Marienfigur (sub statua M. V.), bei der es sich den Tituli der Inschrift zufolge um eine Darstellung der Anna Selbdritt gehandelt haben muß. Die Inschrift D stand auf dem rechten Altarflügel (Ad alam dextram) vermutlich als Beischriften zu den entsprechenden Heiligenfiguren, möglicherweise als Gewandsauminschriften. Die beiden anderen Inschriften sind nicht lokalisiert.

Inschriften nach Baring.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B), mit Versalien der frühhumanistischen Kapitalis (C), frühhumanistische Kapitalis (D).

  1. A

    anna // ihesvs // maria

  2. B

    hinric(us) alborn cort claues alder(lude) to der tit 1508

  3. C

    Hoc opus conpletum est per iohannem lantzen · Anno salutifere incarnacionis domini 1508

  4. D

    S(ANCT)US · CRISSTOFFER(US) · ORA · P(RO) NOB(IS) ·2) S(ANCTUS) · RE(N)NA(L)D(U)Sa) S(ANCT)A · ABBA I(NN)OCE(N)CI(US) [..]b)

Übersetzung:

Heinrich Alborn, Cort Claves, Kirchenvorsteher zu der Zeit 1508. (B)

Dieses Werk wurde fertiggestellt durch Johannes Lantzen. Im Jahr der heilbringenden Fleischwerdung des Herrn 1508. (C)

Heiliger Christophorus, bete für uns. Heiliger Reinold, heilige Abba, Innozenz ... . (D)

Kommentar

Ahlborn und Steinmetz, die die Inschriften bereits nach Baring ediert haben,3) nahmen an, daß sie sich auf Altarsteinen befunden hätten. Dabei haben beide offenbar die oben zitierte Lokalisierung der Inschriften A und D bei Baring völlig außer acht gelassen. Die eigenartige Vermutung von Ahlborn und Steinmetz beruht darauf, daß Baring ohne Angabe des Platzes im gleichen Zusammenhang wie die Inschriften des Altars – allerdings auf einem anderen Blatt – auch die auf einem Steinquader an St. Martini erhaltene Bauinschrift der alten Kirche von 1515 (Nr. 120) aufgezeichnet hat. Daraus haben die beiden Autoren offensichtlich geschlossen, daß es sich auch bei den anderen Inschriften um Steininschriften handeln müsse. Dies entbehrt jedoch jeder Grundlage. Vielmehr deutet der Umstand, daß die Heiligenanrufungen in der Inschrift D in frühhumanistischer Kapitalis ausgeführt waren, darauf hin, daß es sich bei den einzelnen Bestandteilen der Inschrift um Gewandsauminschriften der betreffenden Figuren gehandelt haben könnte, wie sie auf den spätgotischen Altären aus der Zeit um 1500 üblich sind (vgl. Nr. 84 u. 114).

Bei der in der Inschrift D genannten heiligen Abba oder Ebba handelt es sich um eine sehr selten vorkommende schottische Heilige, die sich als Äbtissin des Klosters Coldingham bei einem Einfall der Dänen um das Jahr 870 verstümmelt haben soll, um so der Schande einer Vergewaltigung zu entgehen und die bei der anschließenden Zerstörung des Klosters den Tod fand.4) Aus welchem Grund diese Heilige in der Kirche von Lenglern besonders verehrt wurde, ist nicht bekannt. Eine Verwechslung mit Anna ist jedoch auszuschließen, da Abba nicht nur in der kopialen Überlieferung der Altarinschriften vorkommt, sondern auch in der im Original erhaltenen Bauinschrift von 1515 außen an der Kirche (Nr. 120), in der der Heiligenname zweifelsfrei zu lesen ist.

Textkritischer Apparat

  1. Die Wiedergabe bei Baring legt eher eine Auflösung als RE(N)HA(R)D(U)S nahe. Da sich der Name jedoch nicht als Heiligenname nachweisen läßt, handelte es sich bei dem dritten Buchstaben vermutlich um ein N mit eingezogenem Schrägschaft, das in der Ausführung einem H ähnelt. Ahlborn liest hier S. LAURENTIUS.
  2. Am Ende der Inschrift zwei Zeichen, die Baring mit 29 wiedergibt.

Anmerkungen

  1. Aufzeichnungen Barings, KKA Göttingen, Pfarrarchiv Lenglern, Nr. 1102b. Zur Amtszeit Barings Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 73.
  2. Lit. Text, Allerheiligenlitanei.
  3. Friedrich Ahlborn, Ein Flügelaltar in einer alten Dorfkirche zu Lenglern. In: Göttinger Tageblatt vom 21./22. September 1935. Erwin Steinmetz, Zur Geschichte der Lenglerer Kirche. In: Göttingen. Zeitschrift für Fremdenverkehr, Heimatkunde, Wirtschaft und Kultur 7, 1962, S. 12–15.
  4. Vgl. Acta Sanctorum, August, Bd. V, S. 265–269, sowie Bibliotheca sanctorum, hg. v. Filippo Caraffa u. Giuseppe Morelli. Rom 1964, Bd. 4, Sp. 886f.

Nachweise

  1. Aufzeichnungen des Eberhard Johann Baring, KKA Göttingen, Pfarrarchiv Lenglern, Nr. 1102b.
  2. Friedrich Ahlborn, Ein Flügelaltar in einer alten Dorfkirche zu Lenglern. In: Göttinger Tageblatt vom 21./22. September 1935 (A–D, D unvollständig).
  3. Erwin Steinmetz, Zur Geschichte der Lenglerer Kirche. In: Göttingen. Zeitschrift für Fremdenverkehr, Heimatkunde, Wirtschaft und Kultur 7, 1962, S. 12–15, hier S. 15 (A–D, D unvollständig).

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 115† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0011507.