Inschriftenkatalog: Landkreis Göttingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 66: Lkr. Göttingen (2006)
Nr. 59 Bursfelde, Klosterkirche 2./3. V. 15. Jh.
Beschreibung
Wandmalerei in der Westkirche. Die Wandmalerei wurde 1902/3 freigelegt und ist daher in der älteren Literatur nicht erwähnt. In den Zwickeln über den Pfeilern und Säulen zu beiden Seiten des Mittelschiffs jeweils Halbfiguren von Engeln mit Schriftbändern, die in einer Wolke stehen. Auf der Südseite von Osten nach Westen fünf Engel mit den Schriftbändern A–E, auf der Nordseite von Westen nach Osten ebenfalls fünf Engel mit Schriftbändern, der linke ebenso wie das Schriftband nur noch schemenhaft (F), auf den Schriftbändern der anderen vier Engel die Inschriften G–J. Die Initialen in Rot, die Minuskeln in Schwarz auf weißem Grund, als Worttrenner rote Quadrangeln. Die Inschriften sind teilweise beschädigt, an einigen Stellen sind die Buchstaben noch schemenhaft zu erkennen, an anderen Stellen sind Teile des Textes vollständig zerstört. Vor der Emporenbrüstung im Westen des Kirchenschiffs weitere Wandmalereien, darin neben der Darstellung der klugen Jungfrauen ein weiteres Schriftband, dessen Inhalt sich aufgrund einer zu starken Übermalung bei einer Restaurierung nicht mehr sinnvoll rekonstruieren läßt.
Maße: Bu.: ca. 8 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der Buchschrift.
- A
Regina · celi · letare · all(elui)a · Quia · quem · meruisti · / portare · all(elui)a Resurrexit · sicut · dixit · alleluia · 1)
- B
Te · deum · [........]a) · te · [do]min[u(m)] · con[fi]tem(ur) · 2)
- C
T[e] · ae(tern)um · p(at)rem · om(n)is · terra · venerat(ur) · Tibi · o(mne)s · angeli · tibi · celi · et · vniuerse · p(otes)tates · 2)
- D
Tibi · gherubyn · et seraphi(n) · / · incessabili · voce · proclamant · 2)
- E
[...]b) S(an)c(tu)s S(an)c(tu)s · d(omi)n(u)s · de(us) · sab[....]c) / Plenid) · s(un)t · celi · (et)e) · t(er)ra · m[aies.......]f) 2)
- F
[ – – – ]g)
- G
Te · martiru(m) · candidat(us) · laudat · ex(ercitus)h) / Te · p(er) · orbe(m) · t(er)rar(um) · s(an)c(t)a · (con)fitet(ur) · i) · eccl(esi)a · 2)
- H
P(at)rem · imme(n)se · maiestatis Uenera(n)/du(m)j) · tuu(m) · veru(m) · et [.............]k) S(an)c(tu)m · q(uoque) · p(ar)aclit(um) · sp(iritum)l) 2)
- I
Tu · rex · gl(ori)e · christe · Tu · p(at)ris · se(m)pit(er)n(us) · es · fili(us) · / Tu · ad · libera(n)du(m) · susceptur(us) · ho(m)i(n)e(m) · no(n) · horruisti · m) 2)
- J
Tu · deuicto · [mortis]n) · [......] · [......]o) / · regna · celoru(m) Tu · ad · dextera(m) · dei · sede[s] 2)
Übersetzung:
Königin des Himmels, freue dich, halleluja, weil der, den du zu tragen würdig warst, halleluja, auferstanden ist, so wie er gesagt hat, halleluja. (A)
Dich Gott (loben wir), zu dir Herr bekennen wir uns. (B)
Dich, den ewigen Vater, verehrt die ganze Erde. Dir rufen alle Engel, die Himmel und sämtliche Mächte, Cherubim und Seraphim mit ununterbrochener Stimme zu: (C, D)
(Heilig), heilig, heilig Herr Gott Zebaoth. Himmel und Erde sind voll von der Erhabenheit (deines Ruhms). (E)
Dich lobt das glänzende Heer der Märtyrer, zu dir bekennt sich die heilige Kirche über den gesamten Erdkreis hinweg. (G)
Den aufgrund seiner unendlichen Erhabenheit zu verehrenden Vater, deinen wahren und (einzigen Sohn) und auch den Heiligen Geist, den Beistand. (H)
Du König der Ehre, Christus, du bist der ewige Sohn des Vaters. Du, der du die Gestalt des Menschen annehmen wolltest, ihn zu befreien, hast (den Schoß der Jungfrau) nicht gescheut. (I)
Nachdem du (den Stachel) des Todes besiegt hast, (hast du den Gläubigen) das Himmelreich (geöffnet). Du sitzt zur Rechten Gottes. (J)
Textkritischer Apparat
- Zu ergänzen: laudamus. Das Wort ist vollständig zerstört.
- Der Beginn des Schriftbandes ist vollständig zerstört. Lediglich rote Farbreste am Beginn könnten darauf hindeuten, daß hier ein weiteres S(an)c(tu)s gestanden hat.
- Zu ergänzen zu sabaoth. Der zweite Teil des Wortes ebenso wie die Begrenzung des Schriftbandes außen rechts vollständig zerstört.
- Nur noch schemenhaft zu erkennen.
- Tironisches et.
- Zu ergänzen zu maiestatis gloriae tuae. Die ersten Buchstaben hinter dem m noch in Ansätzen zu erkennen, der wenige vorhandene Platz rechts davon läßt darauf schließen, daß die beiden letzten Wörter stark gekürzt oder nicht mehr ausgeführt waren.
- Im Anschluß an die Inschrift E fehlt das Textstück Te gloriosus apostolorum chorus te prophetarum laudabilis numerus, das auf diesem Schriftband gestanden hat.
- Das Schriftband direkt hinter ex nach hinten eingerollt, in der Mitte über den beiden Buchstaben ein Häkchen, wohl als Kürzungszeichen.
- Hier ein größeres Spatium zwischen zwei Worttrennern. Möglicherweise wurde hier falsch ausgeführter Text getilgt. Der Text ist so vollständig.
- Unter dem Versal ein kleines o in schwarzer Farbe, dessen Funktion nicht klar ist.
- Zu ergänzen unicum filium. Die beiden Wörter sind vollständig zerstört.
- Das Schriftband direkt hinter sp nach hinten eingerollt. Über p ein Kürzungsstrich.
- Das Schriftband hinter horruisti nach hinten umgeschlagen, zu ergänzen virginis uterum.
- Die Buchstaben noch in Ansätzen zu erkennen.
- Zu ergänzen aculeo aperuisti credentibus, der Worttrenner nach aculeo erhalten, die beiden letzten Wörter dürften aus Platzgründen stark gekürzt gewesen sein.
Anmerkungen
- Corpus antiphonalium officii, Bd. 3, Nr. 4597.
- Te Deum.
- Wandmalerei, S. 103.
Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 59 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0005901.
Kommentar
Die Wandmalereien werden aus stilistischen Gründen auf die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert.3) Sie dürften am Ende der Baumaßnahmen gestanden haben, die die Erneuerung der Kirche nach der 1433 begonnenen Bursfelder Reform auch am Kirchenbau dokumentierten. Eigentümlicherweise sind die das Regina coeli und das Te Deum singenden Engel in der Bursfelder Klosterkirche bisher in der Literatur unberücksichtigt geblieben, obwohl es sich hierbei um ein bedeutendes Inschriften- und Wandmalereiprogramm handelt, zu dem es zumindest im norddeutschen Raum keine Parallelen zu geben scheint.