Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 442 Geislingen an der Steige, ev. Stadtkirche (U. L. Frau) 1621

Beschreibung

Grabplatte der Kinder Sidonia, Serapia und Magdalena Krafft. An der Nordwand des nördlichen Seitenschiffs, 2. Stein von Osten; ursprünglich sicherlich im Fußboden, schon im 18. Jahrhundert aber in der Ostwand des südlichen Seitenschiffs aufrecht stehend eingemauert. Rechteckige Platte, auf den Längsseiten des Rahmens, links beginnend, ein Distichon und Jahreszahl (A), im eingetieften Mittelfeld in der oberen Hälfte als Bronzeauflage zwei kleine Allianzwappen mit Helm, darüber eingehauen ein Bibelspruch (B), darunter Grabschrift (C); ganz unten rechts Steinmetzsignatur (D). Sandstein, grau gestrichen, die Schrift schwarz nachgezogen.

Maße: H. 176, B. 74, Bu. 4,0 (A), 3,8 (B), 2,9 cm (C).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel (A), Fraktur (B, C), Kapitalis (B, D).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    Nil magis est certum summâ Mortalibus horâ: /Serius aut citius una terenda uia est 16211) ·

  2. B

    SAP. C: IV.2) / Jhre Seel gefeltt Gott dar=/umb eÿlet er mit Jnen ausa) / dem bösen leben.

  3. C

    Desz Edlen vnd vesten Hansz / vlrichen Krafft gewesenen / Pflegers alhie zu Geiszlingen / vnnd Susannae geborner Sch/ermarin seiner Ehlich gelieb/ten Hauszfrawen erzeigten / Kinder ligen alhie begrabn / Sidonia Serapia Madalena ·

  4. D

    S (Stz. nr. 12) F.

Übersetzung:

Nichts ist den Sterblichen gewisser als die letzte Stunde: früher oder später muß der eine Weg gegangen werden.

Versmaß: Elegisches Distichon (A).

Wappen:
Krafft, Schermar; Helmzier: Krafft.

Kommentar

Die humanistische Minuskel wirkt mit den gerade stehenden und stumpf auf der Grundlinie endenden Schäften sehr steif. e und s (an beiden Enden gebrochen) sind dem Frakturalphabet entnommen, ebenso der S-Versal am Pentameter-Anfang. Bemerkenswert sind die diakritischen Zeichen im ersten Vers. Die Fraktur ist sehr ungleichmäßig gehauen, v. a. in Inschrift (B). Die schlechte Raumaufteilung innerhalb der Zeilen (große Lücken, fehlende Worttrennung) wie auch insgesamt die ungünstige Anordnung der Schriftblöcke auf dem Stein lassen darauf schließen, daß der Steinmetz ohne Vorzeichnung gearbeitet hat.

Die Inschrift nennt keine Sterbedaten, sie diente lediglich der Grabbezeugung. Die biographischen Angaben zu den verstorbenen Kindern befinden sich auf dem dazugehörigen Epitaph, das ursprünglich unmittelbar über dem Grab aufgehängt war (vgl. nr. 357).

Textkritischer Apparat

  1. Langes s am Wortende, offenbar wegen Platzmangels.

Anmerkungen

  1. serius aut citius, vermutlich nach Ovid, Metamorphosen 10, 33, begegnet häufiger als Hexameter- oder Pentameteranfang in Gedichten, die den Tod zum Thema haben, vgl. Walther, Proverbia 4, 807 nr. 28067; 9, 584 nrr. 42221a, 42222; vgl. auch: Nil magis est certum nihil est quod tam sit ineptum / quam mors ventura … (Walther, Proverbia 3, 143 nr. 16750).
  2. Weish 4, 14; abgewandelte Pluralformen in Anpassung an die drei verstorbenen Kinder.

Nachweise

  1. Wollaib, Par. Ulm. 390f.
  2. Klemm, Stadtkirche. Vortrag 52.
  3. Kdm Geislingen 44.
  4. Burkhardt, Gräber 75. - Bischoff, Führer 18 nr. 12.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 442 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0044203.