Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 409 Donzdorf, kath. Pfarrkirche St. Martin 1614

Beschreibung

Zwei Emporenstützen mit Wappen und Jahreszahl. Vordere (östliche) Stützen der ehemaligen Herrschaftsempore. Holzsäulen, jeweils mit würfelförmigem hohem Kapitell über Wulst; Schaft mit geschnitztem Rautenmuster. Beide Kapitelle sind auf der Ostseite mit einem eingesetzten geschnitzten Wappen und mit darunter eingeschnitzten Ziffern versehen, die zusammen eine Jahreszahl ergeben. Die Ziffern auf dem nördlichen Kapitell sind zuerst zu lesen. Die heutige Anordnung ist also falsch: entweder wurden die beiden Säulen vertauscht oder – wohl eher – jeweils um 180° gedreht, d. h. Wappen und Jahreszahlen befanden sich ursprünglich auf der vom Haupteingang aus beim Betreten der Kirche sichtbaren Westseite der Säulen. Die südliche Säule weicht in der Schnitztechnik von ihrem Pendant ab, vielleicht handelt es sich um eine Kopie des 19. Jahrhunderts.

Maße: H. 255 (Gesamt), 41 (Kapitell), B. 30, T. 30, Zi. 10–13,5 cm.

Schriftart(en): Arabische Ziffern.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. 1 · 6 // 1 4

Wappen:
zweimal Rechberg.

Kommentar

Die Ziffern 6 und 4 sind sehr eigenwillig gestaltet und nicht mit letzter Sicherheit zu identifizieren. Der Bogen der 6 ist schlingenförmig geschlossen, indem die rechte Bogenlinie die linke deutlich überschneidet, das linke Bogenende ist weit nach rechts oben verlängert und endet in einer runden Zierschleife. Die letzte Ziffer kann eigentlich nur eine 4 sein, die in dieser Form anderweitig aber nicht belegt und für das frühe 17. Jahrhundert ungewöhnlich ist: „aufgerichtete“ 4 mit dreieckigem Corpus, das hier durch die rechtsschräge Stellung der Haste sehr breit und flach wird. Die Haste endet unten in einer großen runden Zierschleife. Die Unsicherheit bei der Lesung der Ziffern und die bislang nicht bemerkte Vertauschung bzw. Drehung der beiden Holzstützen führte zu verschiedenen Fehldeutungen der Jahreszahl: 15161 oder gar 14182. die Form der ersten 1 mit unten gespaltener Haste, wobei die linke Spaltungslinie im runden Bogen nach oben verlängert zur Haste zurückgeführt wird und diese überschneidet, ist erst ab etwa 1600 möglich. Trennzeichen stehen bei Jahreszahlen in arabischen Ziffern oft nur zwischen den Tausender–, Hunderter– und Zehnerstellen, die Minderzahl wird dagegen ohne Trenner zusammengeschrieben. Auch dies spricht dafür, daß die vorgeschlagene Ziffernfolge die richtige ist. Die stilistische Gestaltung der Wappenschilde widerspricht einer Datierung ins frühe 17. Jahrundert nicht.

Der Ein- bzw. Umbau der Herrschaftsempore erfolgte also rund hundert Jahre später als bislang angenommen.

Anmerkungen

  1. Kdm Geislingen 84; Schahl, Die Bau- u. Kunstwerke von Donzdorf 69; Hummel, Donzdorf 6. Schahl erkannte immerhin, daß der Stil der Wappen nicht zu diesem Zeitansatz paßt und vermutete daher, die Wappen seien „um 1560/1570“ nachträglich eingesetzt worden.
  2. Fotokartei des LDA Stuttgart, Neg.-Nr. KB 620/4–5 (1987).

Nachweise

  1. Kdm Geislingen 84.
  2. Schahl, die Bau- u. Kunstwerke von Donzdorf 69.
  3. Hummel, Donzdorf 6.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 409 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0040905.