Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 379 Uhingen, ev. Pfarrkirche (St. Cäcilia) 1606

Beschreibung

Epitaph für Dorothea von Berlichingen zu Geltolfing und Filseck geborene von Berlichingen zu Heidingsfeld. Innen an der Nordwand des Chores, bis zur letzten Innenrenovierung der Kirche an der Südwand des Langhauses. Große vielteilige hölzerne Ädikula, bemalt. Dreistöckiger Giebel mit vasenähnlichem Aufsatz und Darstellung der Taube des Hl. Geistes; im unteren Giebelgeschoß Bild Gottvaters zwischen zwei Schriftfeldern (A), flankiert von kanellierten Säulchen; außen zwei freistehende vollplastische Putten, von denen der rechte eine mit einem Vollwappen bemalte Kartusche hält (das Pendant links verloren). Hauptgeschoß mit großem Mittelfeld zwischen hohen Rundbogenblendnischen, denen freistehende, das Gebälk tragende Säulen auf Postamenten vorgelagert sind; auf den seitlichen Ausladungen links Darstellung des Moses, rechts des Ezechiel, jeweils über dem Kopf mit Titulus bezeichnet; auf den Gesetzestafeln des Moses weitere Inschriften (B); im Mittelfeld Tafelgemälde der Auferstehung Christi, darunter in eigenem Bildfeld die kniende und betende Familie; alle Personen sind durch Beischriften (C) bezeichnet; bereits Verstorbene sind zusätzlich durch Sterbekreuzchen markiert. Im Sockelgeschoß zwischen Konsolen eine querrechteckige große Schrifttafel mit 2spaltig angeordneter Inschrift: links Versinschrift (D1), rechts Bibelsprüche (D2); im Untersatz die Sterbeinschrift in querrechteckiger Schriftkartusche (E). Inschriften (A) und (E) golden auf blauem Grund, die Namenbeischriften (C) rot, alle übrigen Inschriften schwarz. Renoviert; Inschrift (E) nicht mehr vollständig lesbar.

Maße: H. ca. 460, B. 234, Bu. ca. 5,0 (A), ca. 3,0 bzw. 0,8 (B), 0,7 (C), 1,6 cm (D, E).

Schriftart(en): Fraktur, einzelne Wörter in humanistischer Minuskel (D).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    Je / Groser / Nott // Je / Neher / Gott1)

  2. B1

    Moses. // 1 / Jicha) bin der e(inzige . . .) / 2 / Du solt de(n) n(amen . . .) / 3 Du solt de(n) feir(tag . . .) / · // 4 Du (. . .)b) / 5 Du (. . .) / 6 Du (. . .) / 7 Du (. . .) / 8 Du (. . .) / 9 Du (. . .) / 10 Du (. . .) / ·

  3. B2

    Ezechiel.

C1. Männerseite, von links nach rechts:

  1. † / Christoff Jacob. // † / Hans Friderich. // † / Christoff Conrad. // Hans Bernhart. // Vatter.

C2. Frauenseite, hintere Reihe von links nach rechts:

  1. Catrina. // Sabina. // † / Vrsula. // Anna margreta.

C3. Frauenseite, vordere Reihe von links nach rechts:

  1. Elisabeth. / vrsula // † / Maria mag=/dalina. // Dorothea. // M[u]tter. †

  1. D1

    Jchc) gehe Dahin die Richtig strasz. Auf. Christu(m) Ich mich allein verlasz / Der Jst mein Gott mein herr mein Hirtt, beÿ dem mir gar nichts manglen würdt / Sein steckhen vnd stab Trösten mich, wirdt mich Erhaltten Ewigkhlich / Dem Jch auch Jn mein Letzsten Endt, mein seel beuehl Jn seine Henndt. / Hilffc) helffer hilff, Jn angst vnd noth, Erbarm dich mein Du Trewer gott / Jch bin Doch Ja dein Liebes Kündt, Tratzd) welt Teüffle) vnd aler Sünd / Jch Traue auf Dich O Gott mein herr, wan Jch dich hab was wil ich mehr. / Jch hab Ja Dich Herr Jesu Christ, Du mein Gott vnd Erlässera) bist / Das freue Jch mich von hertzen dein, bin gueths mueths vnd harre dein / Verlasz mich gäntzlich auf dein namen, hilf helffer hilf Drauf sprich ich ame(n) / Einc) hertz mit Reu vnd leid gekrenckht, mit Christo teuwrem bluot besprengt / Welches seüftzet Zu Gott mit Rechtem glauben, gleich wie ein gürende Taube / Das würdt Doch endlich Recht getröst, ausz aler angst vnd noth Erlöst / Darumb glaub Beth hoff hab klein gedult, so wüdta) dir Gott im himel hold / Preissen würstu die guethe sein, Jn seiner kirch vnd grossen Gemein / Gottes dasa) Ewigen Vatters gueth, das hern Jesu Teuweres Bluett / Des heiligen gaistes Trost vnd mueth, sol sein mein ewig Erbgueth. //

  2. D2

    2 timot 2f) Haltc) Jm gedächtnus Jesum Christum, welcher / aufferstanden Jst von den Toden.2) Ioh. 11.g) Danc) er spricht. / Jch bin Die Auferstehung vnd Das Leben. wer / An mich glaubt Der würdt Leben Ob er gleich stürbt / Vnd wer Da Lebett vnd glaubt an mich der würdt / Nimer mehr sterben.3) 2 tim 4.h) Diec) Zeitt meines abscha=/idens Jst vorhanden Jch habe einen guetten Kampf / gekämpffet Jch habe Den Lauf volend Jch habe gla=/uben gehalten hinfort Jst mir beigelegt die Cron / Der grechtigkeith welche mir der herr an Jenem / Dag der gerecht Richter geben würd. nicht mir / aber allein. sondern auch alen Denen. die seine / Erscheinung lieb Haben.4) Psalm.i) Deinec) Toden werd=/en Leben vnd mit Dem Leichnam Aufferstehn / wachet auf vnd Rümet die Jr vnnder der / Erden Ligt5)

  3. E

    Diek) Edlen Frawen Dorothea von Berlichingen Einel) / Gepornen von Berlichingen Zu Vilseckh Welcher / Seel gott gnedig seÿn Wölle / Jst Seelig Jm hern Entschlaffen den . 28. Februariim) / Jm Jahr 1606.

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, D1).

 
Wappen
[Berlichingen], Berlichingen.
Dorothea von Berlichingen stammt aus der Linie zu Heidingsfeld (Stadt Würzburg)6. Ihr Mann Burkhard gehört der katholischen niederbayerischen Linie der Berlichingen zu Geltolfing (LKr. Straubing-Bogen) an. In erster Ehe war er mit Genoveva Ecker zu Oberpöring (an der unteren Isar, LKr. Deggendorf) verheiratet, die früh verstarb7. Zunächst fürstbischöflich würzburgischer, dann herzoglich bayerischer Rat, wechselte Burkhard 1579 in württembergische Dienste und konvertierte zum evangelischen Glauben. Er avancierte 1586 zum Haushofmeister und 1589 zum Obervogt von Waiblingen und Cannstatt, wurde aber wegen Unregelmäßigkeiten in seiner Amtsführung 1597–1599 von Herzog Friedrich inhaftiert. Ein Jahr später wurde er, der schon früher im herzoglichen Auftrag am Prager Hof gewesen war, um über die Ablösung des württembergischen Afterlehnsverhältnisses von Österreich zu verhandeln, kaiserlicher Hofrat zu Prag. Seine Frau blieb mit den Kindern – von elf Kindern sind drei Söhne und zwei Töchter nach Ausweis der Sterbekreuzchen auf dem Epitaph vor der Mutter verstorben8 – in Waiblingen und wohnte dann im Neubau des Schlosses Filseck9. Diese Umstände wie auch der Wortlaut der Versinschrift (D1) machen es wahrscheinlich, daß Dorothea selbst noch vor ihrem Tod für die Anfertigug des Epitaphs gesorgt hat. Möglicherweise entstand es noch zu Lebzeiten, und lediglich die Sterbeinschrift (E) wurde 1606 nachgetragen. Noch im Todesjahr seiner zweiten Frau heiratete Burkhard erneut (Isolde von Thain/Böhmen) und nahm wieder den katholischen Glauben an. Nach wechselvollem Schicksal starb er 1622 in Bamberg. Seinen fünf Töchtern aus zweiter Ehe trat er 1608 Schloß Filseck ab.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Die rechte Gesetzestafel ist zur Hälfte vom Rahmen verdeckt, daher sind die Gebote jeweils auf ihr Anfangswort reduziert.
  3. Versal rot ausgezeichnet.
  4. So statt Trotz.
  5. Das I noch ganz blaß zu erkennen, bei der Renovierung der Inschrift aber nicht nachgezogen. Derzeitiger Befund Teüff.
  6. Bibelstellenzitat in humanistischer Minuskel, rot ausgezeichnet, auf den Rand gesetzt.
  7. Bibelstellenzitat in roter Farbe klein über die Zeile gesetzt, humanistische Minuskel.
  8. Bibelstellenzitat in roter Farbe klein auf Zeilenmitte gesetzt, humanistische Minuskel.
  9. Ebenso; das Zitat ist offensichtlich falsch nachgezogen; vermutlich ursprünglich: Esai. 26.
  10. Vermutlich ursprünglich: Der.
  11. Wohl ursprünglich: Einer.
  12. Befund: Februar, dahinter nur noch die beiden i-Punkte zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Dt. Sprichwörterlex. 3 Sp. 1049 nr. 114.
  2. 2 Tim 2, 8.
  3. Joh 11, 25–26.
  4. 2 Tim 4, 6–8.
  5. Jes 26, 19.
  6. Ihre Eltern waren Joachim von Berlichingen und Margareta „von Fühlein“ (Füllen von Tissen?), vgl. Biedermann, Ottenwald, tab. CVIIf.; Dorothea ist dort fälschlich als Amalia v. B. aufgeführt.
  7. Das Folgende nach Ziegler, Schloß Filseck 22 und ders., Burkhardt von Berlichingen: Schloßherr ohne Schloß, in: Einweihung Schloß Filseck. Sonderveröff. NWZ/Geislinger Ztg., 17. Juni 1994, 11.
  8. Die beiden Söhne Hans Friedrich und Christoph Jakob haben 1603 ein eigenes Epitaph in der Uhinger Kirche erhalten, vgl. nr. 372.
  9. Das Rittergut war von Balthasar Moser von Filseck über Dietrich von Gemmingen 1596 IX 1 an Burkhard von Berlichingen gelangt, vgl. HStAS, A 346 Bü 81.

Nachweise

  1. Kdm Göppingen 150 (Abb.).
  2. Ramsperger, Chronik 150 (nur Inschr. E).
  3. Ders., Filseck (nur Inschr. E).
  4. Fleischhauer, Renaissance 344 (nur erwähnt).
  5. Ramsperger, Ortsbuch 77 (nur Inschr. E; Abb.).
  6. Ziegler, Schloß Filseck 27 (Abb., Ausschnitt).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 379 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0037902.