Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 364† Gingen an der Fils, ev. Pfarrkirche (St. Johannes) 15./16. Jh.

Beschreibung

Hungertuch. Früher innen an der Nordwand unter der Decke an einer Querstange befestigt, an der das Tuch aufgewickelt werden konnte. Um 1659 auf die Empore gehängt; 1781 noch vorhanden in einem Kasten auf der Empore, aber bereits sehr zerfetzt und mit kaum mehr erkennbarer Bemalung1. 1880 waren „die Rollen zum Aufhängen“ des Tuchs „noch erhalten über dem Triumphbogen“2. Verbleib unbekannt. Fast quadratisches bemaltes Tuch, eingeteilt in vier Reihen zu dreimal je acht und einmal (mindestens) sechs Bildfeldern mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament, jeweils mit erklärenden Überschriften. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren die Bilder und Beischriften fast unkenntlich.

Beschreibung und Inschriften nach Wollaib.

Maße: H. ca. 650, B. ca. 650 cm.3

I. Reihe, Felder: 1. Gottvater, Salvator; 2. Erschaffung des Firmaments; 3. Erschaffung der Tiere; 4. Gute Engel; 5. Engelssturz; 6. Erschaffung Adams; 7. Erschaffung Evas; 8. Sündenfall. Keine Beischriften überliefert. II. Reihe, Felder: 1. Vetreibung aus dem Paradies; 2. Adam und Eva bei Feld- und Hausarbeit; 3. Versuchung Evas durch die Schlange; 4. Verkündigung Mariä; 5. Moses und der brennende Busch; 6. Geburt Christi; 7. Beschneidung Christi; 8. unkenntlich. Keine Beischriften überliefert. III. Reihe, Felder: 1. Drei Könige:

  1. Melchisedech opffert Gott wein und Brod

2. Verehrung Christi durch die Hl. Drei Könige; 3. David mit Haupt Goliaths, jubelnde Töchter Israels; 4. (Beschreibung fehlt); 5. Eintritt Christi in Jerusalem:

  1. der Palmtag

6. Abendmahl:

  1. das Abendeßen

7. Mannawunder; 8. Christus am Ölberg.

IV. Reihe, Felder: 1. Joab ersticht Asahel; 2. Judaskuß; 3. „Ein gecrönte Persohn vor welcher eine andere mit auffgehobenen Händen stehet ein andere mit abgewandtem Gesicht hinweg gehet“; 4. Gefangennahme Christi; 5. Versuchung Hiobs durch den Teufel; 6. Geißelung Christi. Keine Beischriften überliefert. Hunger- oder Fastentücher dienten während der Fastenzeit dazu, den Hochaltar zu verhüllen. Eine Datierung des Tuchs ist aus den spärlichen Angaben nicht zu gewinnen, doch darf man annehmen, daß es noch aus vorreformatorischer Zeit stammte, da seit der Reformation – zumal in protestantischen Gebieten – der Gebrauch dieser Tücher allmählich außer Gebrauch kam. Bemalte Fastentücher sind ab dem 15. Jahrhundert nachgewiesen4. Ob die Bildabfolge von Wollaib richtig wiedergegeben und gedeutet ist, scheint fraglich: Offenbar lag doch als Schema (nach den ersten zehn Genesis-Bildern) ein Wechsel von typologisch aufeinander bezogenen alt- und neutestamentlichen Szenen zugrunde, verwandt dem Prinzip der Biblia Pauperum.

Anmerkungen

  1. Handschriftlicher Zusatz Adolf Friedrich Schermars von 1781 in Wollaib, Par. Ulm. 409.
  2. Alfred Klemm, Aus alter Zeit, D: Gingen, in: Beil. zum Alb- u. Filsthalboten Nr. 59 (1880 V 15).
  3. Nach den ungefähren Maßangaben Wollaibs und den Glossen A. F. Schermars (Par. Ulm. 408): 12 oder mehr (Ulmer) Ellen bzw. ungefähr 23 (Ulmer) Fuß.
  4. Vgl. Johannes H. Emminghaus, Art. „Fastentuch“, in: RDK VII Sp. 826–848 m. weit. Lit.

Nachweise

  1. Wollaib, Par. Ulm. 408f.
  2. Brandauer, 1000 Jahre 69–72.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 364† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0036404.