Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 360† Hohenstaufen (Stadt Göppingen), Barbarossakirche St. Jakob M. – 2. H. 16. Jh., 1723, 1814

Beschreibung

Wandmalerei: Bild des Kaisers Friedrich Barbarossa mit Versbeischriften. Innen an der Nordwand auf die zugemauerte Pforte aufgemalt. Die erste erhaltene Beschreibung findet sich in einem Brief des Hohenstaufener Pfarrers Martini von 1656. Demnach befand sich über dem Kaiserbild eine Versinschrift (A), „juxta Latus dextrum Imperatoris“, also wohl vom Betrachter aus links neben dem Bild, eine weitere Versinschrift (C), auf der anderen Seite („juxta Sinistrum Latus“) eine erklärende Beischrift (D). Spätere Überlieferungen zitieren einen Nachsatz zur ersten Inschrift, der bei Martini fehlt (B), möglicherweise also erst nachträglich hinzugefügt wurde. Eine Zeichnung in Pistorius’ Göppinger Chronik (um 1770) gibt das Gemälde mit den Inschriften (A) und (B) wieder. Demnach war der Kaiser in Lebensgröße vor einer Landschaft mit zwei Bergen dargestellt, von denen der rechte mit Burg und Kirche offenbar der Hohenstaufen sein soll. Friedrich ist in einen Harnisch gekleidet und mit der Kaiserkrone gekrönt und hält in der Rechten ein Szepter, in der Linken ein Schwert; über ihm ein Wappen. Das Gemälde wurde im 18. und 19. Jahrhundert wiederholt restauriert. Ein Kupferstich von 18151 überliefert zwei Renovierungsinschriften (F, G). Die Restaurierung vom September 1814 wurde notwendig, da „der Kalch, auf welchem das Bild gemalt war, anfieng abzufallen“2. Sie wurde von Karl Alexander Heideloff durchgeführt, der das Gemälde, „nachdem er das Urbild vorher abzeichnete, und dann das alte auslöschte, nach jenem … neu gemalt hatt“3. Dabei wurden wohl die Inschriften (C) und (D) nicht mitkopiert, da sie in den späteren Beschreibungen nicht mehr erwähnt werden. Vermutlich waren sie 1814 gar nicht mehr zu lesen. Schon 1723 wurde – wahrscheinlich anstelle der Inschrift (D)4 – von Walz Inschrift (E) hinzugefügt5. 1874 war das Bild bereits wieder stark zerstört, 1891 wurde es entfernt, als die Türöffnung wieder aufgebrochen wurde6.

  1. A

    Hic transibat CaesarDer großmächtig Kaiser wolbekantFridericus barbarossa genantDas demütig Edel teutsche bluttÜbt gantz und gar kein übermuthauff disem berg hat hoffgehaltenwie vor und nach ihm die AltenZu Fuß in dise Kircha) ist gangenOhn allen pracht ohn Stoltz ohnb) prangenDurch dise thür wie ich berichtIst warlich war und kein gedicht

  2. B

    Amor bonorum terror malorum Anno Domini 1152

  3. C

    Ein tausent und fünffhundert JahrDazu thue fünff und zwantzig zwarGantz teütschland gar Rebellisch warDie Oberkeiten lidten gefahrVon vil tausent bauren unbesinntKlöster Flecken schlösser hahnd verbrentIm selben Jahr dis bergschloß alltbekommen hatt die arme gstalltVerhergt verwüst verbrent ist wordenGott behüt uns vor auffruhr und morden

  4. D

    Fridericus Barbarossa ist in Anno 1152 zum Kaiser erwöhlt und in Anno 1190 in Armenia in einem wasserc) umbkommen hat alsod) 38 Jahr regirt

  5. E

    Fridericus Barbarossa oder Änobarbus, ein von Leib und Gemüth unvergleichlicher Fürst, vom Vater ein Ghibelliner, von der Mutter ein Wölff, hat er als Röm. Kaiser glorwürdigst regiert von anno 1152 biß 1190.

  6. F

    In recentiorem recens efficti memoriam Caesaris apposuit M(agister) Walz 1723

  7. G

    Renovari curavit Pastor Am(m)ermüller 1814

Übersetzung:

Hier ging der Kaiser hindurch7. – Liebling der Guten, Schrecken der Bösen. – Zum frischeren Andenken an den frisch gemalten Kaiser hat dies hinzugefügt Magister Walz. – Dies ließ Pfarrer Ammermüller 1814 erneuern.

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, C).

Wappen:
Hl. Römisches Reich/Staufer8.

Kommentar

In der jüngeren Literatur findet man wiederholt die Behauptung, das Wandgemälde sei samt Inschriften erst 1723 von dem damaligen Hohenstaufener Pfarrer Walz geschaffen oder in Auftrag gegeben worden9. Tatsächlich sorgte Walz aber nur für eine Renovierung des Bildes und fügte ihm eine erklärende Beischrift mit Renovierungsvermerk (E, F) hinzu10. Die jetzt ermittelte handschriftliche Überlieferung der Inschriften von 1656 stellt sicher, daß das Gemälde damals bereits bestand: Pfarrer Martini teilte seinem Amtskollegen zu Rudersberg, Johann Georg Waltz, auf dessen Bitte den Wortlaut der Texte mit11, und nichts deutet darauf hin, daß die Inschriften etwa erst kurz zuvor angebracht worden seien. Ammermüller will die Verse nach ihrer Machart „höchstens“ in den „Schluß des 16. Jahrhunderts“ datieren12, doch scheint mir eine Entstehung noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts durchaus denkbar. Der Wortlaut von Inschrift (C) erweckt den Eindruck, als sei sie noch in der frischen Erinnerung an die Ereignisse des Bauernkriegs von einem Augenzeugen verfaßt worden. Im 16. Jahrhundert setzte eine rege Beschäftigung mit der Geschichte des staufischen Hauses ein, schon 1475 waren die Staufergräber in Lorch geöffnet, die Gebeine umgebettet und ein neues, noch erhaltenes Hochgrab geschaffen worden. Der ehemalige Lorcher Konventuale und spätere Stadtpfarrer von Gmünd Jakob Spindler († 1556) verfaßte eine Staufer-„Genealogia“, die er 1550 in ihre endgültige Form brachte13, Wolleber, Studion und Crusius beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenfalls mit den Staufern. Spindler, dessen Beteiligung auch an der Ausstattung der Lorcher Klosterkirche mit Stauferbildern und Versbeischriften erwogen wurde und der das Gmünder Pfarrhaus mit – nicht näher bezeichneten – „picturis ac rithmis“ versehen hat14, kommt wohl als Urheber der Hohenstaufener Verse nicht in Betracht15. Ob mit der zweimaligen Nennung von Kaiser Friedrichs Regierungsantritt 1152 ein Hinweis gegeben ist auf die Entstehungszeit der Wandmalerei – etwa aus Anlaß des 400. Jubiläums –, muß offenbleiben. Auch kann die Tatsache, daß Crusius in seinem Tagebuch bei der Schilderung seiner Wanderung auf den Hohenstaufen 1588 Bild und Inschriften nicht erwähnt16, nicht als zwingendes Kriterium für eine spätere Entstehung ins Feld geführt werden.

Textkritischer Apparat

  1. Zu Fuß in dise Kirch Martini; In diese Kirch zu Fuß Steinhofer.
  2. pracht, ohn Stoltz ohn Martini; Stoltz, ohn Pracht und Steinhofer.
  3. wasser Martini; Fluß Steinhofer.
  4. also Martini; fehlt Steinhofer.

Anmerkungen

  1. Ammermüller, 2. Aufl. (wie unten), Titelkupfer. Vgl. die Beurteilung der Wandmalerei wenige Jahre zuvor durch Philipp Ludwig Hermann Roeder, Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Schwaben…, Bd. 2, Ulm 1791, Sp. 764f.: „Malerei und Verse sind gleich elend“.
  2. Ebd. 138f.
  3. Ebd. Vorher war nur mehr „der Kopf allein ziemlich alt“, Rumpf und Panzer sollen um 1760/70 neu gemalt worden sein; vgl. Kaisser, Führer 1874 (wie unten) 96.
  4. Inschrift (D) wird von Steinhofer II 100 zwar noch 1746 überliefert, doch zitiert er vermutlich ohnehin nicht nach Autopsie, sondern nach älteren handschriftlichen Aufzeichnungen.
  5. Wortlaut nach Kaisser, Führer 1874 (wie unten) 96; fast gleichlautend in der Zeichnung von 1770.
  6. Kettenmann, Sagen 86. In der Barbarossakirche sind Reste weiterer Wandmalereien erhalten: An der Chor-Nordwand eine Muttergottes, umgeben von Rosenkranzmedaillons, davor ein kniender Stifter: eine früher noch sichtbare Jahreszahl 1501 ist mittlerweile verblaßt. An der Chor-Ostwand zwei Stifterfiguren: Frau und Ritter mit Wappen (unkenntlich) und Schriftbändern (verblaßt), E. 15./A. 16. Jh. 1932 wurden bei einer Restaurierung Malereien des 17. Jh. (so Kdm Göppingen 104) am Chorbogen entfernt: Über dem Chorbogen befanden sich Medaillons mit einem Schriftband, Inschrift nicht überliefert; in der Chorbogenlaibung Reste von Malereien mit fragmentarischer Inschrift: Kitzenmeyer . . . Schulmeister . . hier, vgl. Kdm Göppingen 104; Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 114f.
  7. Kaisser, Führer, 2. Aufl. (wie unten) 68 übersetzt etwas unpassend: „Hier ging der Kaiser ein“.
  8. Gekrönter schwarzer Doppeladler mit Szepter in der Rechten und Reichsapfel in der Linken, belegt mit einem goldenen Brustschild darin die drei roten staufischen Löwen.
  9. Kdm Göppingen 103; Baumunk (wie unten) 156, der die Auffassung des Hohenstaufener Pfarrers Eduard Keller (1825–34) wiedergibt; Akermann, Aller schwäb’schen Berge schönster 16.
  10. Richtig erkannt von Ammermüller, Kaisser und Kettenmann (wie unten).
  11. „Petitioni Tuae nuperae satisfacturus, exhibenda hic transmitto, quae verbotenus ita se habent: …“ (Martini, wie unten).
  12. Ammermüller, 2. Aufl. (wie unten) 139.
  13. Zu Spindler vgl. ausführlich: Wolfgang Seiffer, Jakob Spindler, Stadtpfarrer zu Gmünd, und die Geschichtsforschung über Kloster Lorch und die Staufer im 16. Jahrhundert, Diss. Tübingen 1966 (1969).
  14. Ebd. 15 n. Anm. 4.
  15. Er wirkte nach dem Bauernkrieg bis 1534 in Murrhardt, kehrte dann für kurze Zeit nach Lorch zurück, von wo er mit dem übrigen Konvent durch die Einführung der Reformation vertrieben wurde. Danach war er bis zur Berufung als Kaplan, dann Pfarrverweser und schließlich Pfarrer nach Gmünd 1543 Pfarrer in den katholisch gebliebenen rechbergischen Orten Donzdorf, Waldstetten und Steinenkirch.
  16. Schmid, Fußwanderung 14–33.

Nachweise

  1. Eigenhändiger Brief des Pfarrers M. Joachim Martini zu Hohenstaufen 1656 VI 28 an Johann Georg Waltz, eingebunden in: Joh. Georg Waltz, Waiblinga ex Flammis Caesarianis Rediviva. Waiblinger Stadt unnd Ambts Chronicon, 1653 (WLB, Cod. hist. F 169a) fol. 18r.
  2. Steinhofer II 100.
  3. Christoph Gli. Pistorius, Nachrichten und Beobachtungen, so die Amtsstatt Göppingen betroffen, um 1770 (WLB, Cod. hist. F 217) p. 53 (Abzeichnung des Bildes mit Inschr. A, B, E).
  4. J. F. Ammermüller, Hohenstaufen, oder Ursprung und Geschichte der Schwäbischen Herzoge und Kaiser aus diesem Hause, sammt den Schicksalen der Burg und einer Berg- und Orts-Beschreibung. Ein Lesebuch für biedere Schwaben, Sachsen und Franken, Stuttgart 1805, 125f.; 2. Aufl. Gmünd 1815, 138f., Titelkupfer (Abb.).
  5. Rink, Urkunden-Buch zur Familien-Geschichte der Dynasten von Rechberg und rothen Löwen (GRA Donzdorf), 3. Anhang.
  6. A. L. Pleibel, Hohenstaufen und Rechberg mit ihren Umgebungen. Eine Schilderung der interessantesten Punkte des nordöstlichen Theiles der Schwäbischen Alb von der Teck bis zum Rosenstein, Urach 1860, 25.
  7. B[ernhard] Kaisser, Der Führer zu den Hohenstaufen-Denkmalen. Der Burren, das Wäscherschlößchen, der Kaiserberg Hohenstaufen, Wäschenbeuren, das Kloster Lorch. Nach Quellen bearb., Gmünd 1874, 95f.
  8. Ders., Der Führer zu den Hohenstaufen-Denkmalen Burren, Wäscherschlößchen, Hohenstaufen, Wäschenbeuren, Kloster Lorch … Nach Quellen bearb. u. aus eigener Anschauung geschildert, 2. gänzl. umgearb. Aufl. Göppingen o. J., 68.
  9. E. Hörle, Der Hohenstaufen, Stuttgart 1901, 6f.
  10. Kdm Göppingen 104.
  11. Kaisser, Geschichte und Beschreibung des ehem. Ritterguts Wäschenbeuren 130f.
  12. Karl Kirschmer, Hohenstaufen. Berg–Burg–Dorf–Amt. Ein Heimatbüchlein, Göppingen 1948, 53.
  13. Illig, Geschichte von Göppingen u. Umgebung II 61–63.
  14. Manfred Akermann, Hohenstaufen. Kurzführer zur Geschichte von Geschlecht und Burg der Staufer, Göppingen o. J., 26.
  15. Ders., Hohenstaufen. Kurze Geschichte des staufischen Geschlechts und der schwäbischen Herzogsburg auf dem Hohenstaufen, Heidenheim an der Brenz 31977, 27.
  16. Bodo Michael Baumunk, Ein bescheidenes Nationalheiligtum. Zur Geschichte der Barbarossakirche, in: Hohenstaufen 10 (1977) 153–164, hier: 155f., Abb. 28.
  17. Kettenmann, Sagen 86f. (m. Abb. u. weiterer Lit.).
  18. Akermann, Aller schwäb’schen Berge schönster 16.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 360† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0036006.