Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 312 Wiesensteig, kath. Friedhofskapelle St. Leonhard 1581/82 (?), 17. Jh. (?)

Beschreibung

Epitaph des Joachim Bentz. Innen an der Südwand des Langhauses, in Kalk-Kasein-Technik auf den Putz aufgemalt. 1969 bei Restaurierungsarbeiten vom Restaurator Lothar Bohring aus Kirchheim freigelegt1. Ädikula, dahinter in der Art eines Wappenmantels drapierter Vorhang; als Aufsatz (Bekrönung verdeckt) eine Schrifttafel, die von zwei sitzenden Putten flankiert wird. Von der ursprünglichen 5zeiligen Sterbeinschrift (A) sind nur noch wenige Worte zu entziffern, da die Schrifttafel – gewissermaßen als epigraphischer Palimpsest – zu unbekanntem Zeitpunkt, wohl im 17. Jahrhundert, mit einer ebenfalls 5zeiligen Inschrift (D) übermalt wurde, deren Zeilenführung sich teilweise mit der der ursprünglichen Beschriftung deckt. Auch diese jüngere Inschrift ist weitgehend unleserlich. Das säulengerahmte Hauptfeld zeigt oben die Auferweckung des Lazarus und in einer niedrigeren Bildzone darunter die Familie des Verstorbenen kniend im Gebet, alle Personen mit Schriftbändern über den Köpfen namentlich bezeichnet (B). Die bereits Verstorbenen sind durch Sterbekreuze markiert2; vor Bentz und seinen beiden Ehefrauen befindet sich jeweils ein Wappenschild. In der Sockelzone eine in zwei Spalten zu je vier Zeilen angeordnete Inschrift mit in der Mitte darunter angefügtem Zusatz in kleinerem Schriftgrad (C). Inschriften (B) teilweise völlig zerstört, stellenweise durch die Restaurierung ergänzt und dabei gelegentlich in den Schriftformen verfälscht; Inschrift (C) vor allem im unteren Bereich beschädigt, die noch lesbaren Passagen offenbar ebenfalls bei der Restaurierung „aufgefrischt“.

Maße: H. (Rest) 280, B. 220, Bu. 4,0 (A), 2,0–2,3 (B), 4,0 bzw. 1,8 (C), 3,5 cm (D).

Schriftart(en): Fraktur (A, B, C), Kapitalis (D).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. A

    [. . . /. . . /. . . /. . .] der E[r]sam Jo[a]che[m] Be[ntz] / [. . .]

  2. B

    [.]ạṭḥ[. . .] // [. . . .]h // Joachem3) // Jacobus // Joachim Bentz //[. . .]ạ Ṃ[. .]iạa) // Magdalena // [. . .] // [. .]rṿe[. .]b)3) // Catharina Maÿerin // Barbera // Cath[arin]a // Barbra Harttmittn

  3. C

    A(nn)o 15·66· Jarals ich Joachim bentz ·24 Jar alt war /hab ich angefang(en) zu hausen mit Gott /Mitt Barbra harttmittn der gnade ir gott /starb im ·70 Jar[. . . . ·3 Kind]erc) gebar /Dar nach · [.]1d) · Jar mit Katharina Maÿerin /noch erzeug mitt gott noh ·7 Kinder /O gott thue disem geschlecht gebenn /hie Zeÿttlich [. . . . . . . .]ch das ewig leben /[. .]ṇ[. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .]ṇ bẹṇ[. . . . . . . . .] m[a]lle[n] lasen. Gott z[u] lob vnd Ehr [a]me[n]

  4. D

    [. . . / . . .]S[. . . .]D[. . . . . .]ṆDVS [. . . /. . .]M ẸT IN CARNE Ṃ[EA] ṾỊD[. . .4) /. . .] SALVATO[R]E(M) [ME]VṂ [. . . / . . .]

Versmaß: Deutsche Reimverse (C).

Wappen:
Bentz5, Mayer6, Hartmitt7.

Kommentar

Erhaltene gemalte Epitaphien sind in Süddeutschland eine Seltenheit8. Ob dafür der Überlieferungszufall verantwortlich zu machen ist, oder ob diese Art des Erinnerungsmals tatsächlich gegenüber den kostspieligeren Stein- und Holzgrabmälern die seltene Ausnahme darstellte, läßt sich wohl kaum mehr entscheiden.

Das Todesdatum des Joachim Bentz, das in der Inschrift (A) genannt war, ist nicht erhalten, läßt sich aber annäherungsweise aus Inschrift (C) ermitteln. Ihr zufolge ist Bentz 1541 oder 1542 geboren. Aus seiner ersten Ehe (1566) mit Barbara Hartmitt stammten zwei Töchter und ein Sohn. Wenn die zweite Eheschließung mit Katharina Mayer bald nach dem Tod der ersten Frau 1570 erfolgte, müßte die Angabe der Ehedauer von [1]1 Jahren 1581 oder 1582 als Bentz’ Todesjahr ergeben9. Auftraggeber des Epitaphs wird seine zweite Frau gewesen sein, deren Name vermutlich in dem zerstörten Passus der Stiftungsinschrift genannt war. Inschrift (C) zeigt einige, freilich wenig geglückte Reimansätze. Wann und warum die Sterbeinschrift (A) mit dem lateinischen Spruch übermalt wurde, läßt sich nicht mehr feststellen. Die – soweit erkennbar – sehr sorgfältig und regelmäßig ausgeführte Kapitalis liefert keine Anhaltspunkte für eine nähere Datierung.

Textkritischer Apparat

  1. Vermutlich [Ann]a M[ar]ia.
  2. Vom Versal geringe Reste erhalten, vielleicht B; demnach wohl [Ba]rbe[ra] zu lesen, Oberlänge des b nicht erhalten.
  3. Die ergänzte Zahl ergibt sich aus der Gesamtzahl der abgebildeten Söhne und Töchter.
  4. Dem Zusammenhang nach wohl zu [1]1 zu ergänzen.

Anmerkungen

  1. Fundmeldung im Geislinger Fünftälerbote 1969 IV 30, S. 14 mit Abb. eines Ausschnitts. Das Epitaph wurde vermutlich im Zuge der Barockisierung der Kirche um 1737/38 (vgl. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 121) übertüncht. Das damals eingezogene flache Tonnengewölbe überdeckt jedenfalls den obersten Teil der Wandmalerei. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Fragmente weiterer offenbar spätmittelalterlicher Wandgemälde zu sehen, die demnach entweder im 18. Jahrhundert nicht übermalt worden oder unter dem schadhaften Putz mittlerweile wieder zum Vorschein gekommen waren. So erwähnt die OAB Geislingen 269 „gräßliche Abbildungen des Fegfeuers an den Wandungen des Chors“, wohl Reste eines Jüngsten Gerichts an der Chorbogenwand, und die handschriftliche Chronik der Stadt & Pfarrei Wiesensteig 1810–1853 (Kath. PfA Wiesensteig; Kopie im KrAG, Sign. 2380.1) 16 berichtet von einer „alte(n) Mahlerey, welche einen Canonicus im Superpelliceum mit einem Marderpelze, und herabhangenden Schweifchen vorstellet“. Beide Bilder sind jetzt spurlos verschwunden. Das Bentz-Epitaph wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts schon einmal teilweise aufgedeckt; jedenfalls paßt darauf die Notiz von Wunder, Geschichte der kirchlichen Kunst im oberen Filstal. Mit besonderer Berücksichtigung der Architektur, in: Archiv für christl. Kunst 27 (1909) 37–40, 51–54, 62f., 83f., 95f., hier: 96: „Aus Anlaß der heurigen Restauration fand man an mehreren Stellen unter der Tünche Wandmalereien aus dem 16. Jh., schöne Umrahmungen von Grabplatten, im Stil der deutschen Renaissance.“ Wegen des schlechten Erhaltungszustands wurden diese Malereien seinerzeit wieder übertüncht.
  2. Ob alle Kreuze erhalten sind, ist fraglich.
  3. Mit Sterbekreuz.
  4. In Anlehnung an Iob 19,26: et rursum circumdabor pelle mea et in carne mea videbo Deum.
  5. Auf einem Hügel oder Dreiberg eine Blume mit 3 (oder 5?) vierblättrigen (?) Blüten; fast unkenntlich.
  6. Fast völlig zerstört; die Reste könnten auf einen Löwen oder ein anderes aufgerichtetes vierbeiniges Tier mit langem Schwanz hindeuten.
  7. Hausmarke, davon nur mehr der untere Abschnitt ansatzweise zu erkennen (Vierfuß?).
  8. In Italien sind dagegen aus dem 15. und 16. Jahrhundert mehrere Exemplare erhalten, so z.B. die beiden Reiterbilder der Condottieri John Hawkwood (1436) und Nicolo da Tolentino (1456) im Dom S. Maria Reparata zu Florenz; das Grabbild des seligen Dominicus Parisinus (1488) in S. Agostino zu San Gimignano; das Epitaph des Gian Tommaso Sanseverino (1537) in S. Maria delle Grazie zu Mailand und ebenda das nur mehr fragmentarisch erhaltene des Adam Zepiczky de Sudomircz (1550); das Fondi-Grabmal (um 1560/71) in S. Agostino zu Siena, vgl. Peter Anselm Riedl, Das Fondi-Grabmal in S. Agostino zu Siena (Sb. Ak. Heidelberg phil.-hist. Kl. 1979/6), Heidelberg 1979.
  9. Eine Ergänzung der Ehedauer zu [2]1 Jahren und somit die Verschiebung des Todesjahres um 10 Jahre ist ebenfalls zu erwägen, doch weisen die Kinder-Darstellungen eher auf 5- bis 15jährige als auf bis zu 25jährige.

Nachweise

  1. Ziegler, Kulturdenkmale Kr. Göppingen 136 (nur erwähnt).
  2. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 121f. (nur erwähnt). –Wiesensteig, hg. i. A. d. Kath. Pfarramtes Wisensteig, Ottobeuren 21990, 14 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 312 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0031200.