Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 80 Faurndau (Stadt Göppingen), ev. Pfarrkirche (ehem. Stiftskirche U. L. Frau) 1465

Beschreibung

Grabplatte für Hans (Reuß) von Reußenstein und seine beiden Frauen (?) Anna von Westerstetten (?) und eine vom Stein von Diemantstein. Innen an der Südwand der Turmhalle. In den 1870er Jahren im Fußboden des Mittelschiffs gefunden und zunächst außen am Kirchenbau aufgestellt, zu Beginn des Jahrhunderts „im östlichen Abschluß des nördlichen Seitenschiffs, an die Wand gelehnt“1. Umschrift zwischen Ritzlinien; im Mittelfeld drei leicht gelehnte Schilde untereinander. Grauer Sandstein; Ränder stellenweise weggebrochen, Oberfläche bestoßen; die beiden oberen Wappen abgespitzt.

Maße: H. 196, B. 77, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. + anno · d(omi)ni · m · cccc · / lxv · ist · gelet · diser · stain · zv · geoenkena) · hanse(n) · vo(n) · / rvsze(n)stainb) · an(n)e · vo(n) / · weṣtẹ(ṛ)ṣtẹte(n)c) · vnd · [. . . .]ịgd) · vo(n) · de(m) staine) · de(nen) · got · genedig · si

Wappen:
[unkenntlich, unkenntlich], vom Stein vom Diemantstein2.

Kommentar

Die Inschrift weist keine Versalien auf. Die Oberlängen sind auffällig hoch über die Begrenzungslinie des Schriftbands gezogen, auch t überragt diese Linie meist. Regelmäßig gesetzte runde i-Punkte und die Kürzungsstriche stehen hoch über der Zeile. Als Worttrenner sind paragraphförmig ausgezogene Quadrangeln gesetzt.

Hans Reuß von Reußenstein ist auf Schloß Filseck urkundlich 1459 bezeugt3, zeitweilig nannte er sich auch nach dem Schloß „Reuß zu Filseck“4. Über seine Ehe(n) fehlen neben der Grabinschrift weitere Hinweise. Die beiden genannten Frauen, von denen die erste, Anna, höchstwahrscheinlich – trotz der nicht völlig gesicherten Lesung – der Familie von Westerstetten, die zweite, deren Vorname nicht mehr zu erschließen ist, mit Sicherheit nach Aussage des Wappens dem Geschlecht von Stein vom Diemantstein angehörte, waren vermutlich seine erste und seine zweite Ehefrau. Von den zerstörten Schilden zeigte also wohl der obere den Reußschen Bären, der untere das Westerstettensche halbgespaltene und geteilte Wappen. Unsicher ist auch, ob das genannte Jahr 1465 das Todesjahr des Hans von Reußenstein ist, der beide Frauen überlebt zu haben scheint. Für eine Grabplatte ist das Formular jedenfalls ungewöhnlich.

Textkritischer Apparat

  1. So statt gedenken; Steinmetzfehler: versehentlich wurde die Schräghaste des d nicht nach oben verlängert.
  2. Kürzungsstriche außerhalb der Begrenzungslinie nicht erhalten; sz wie k gestaltet: unten gebrochene Haste mit Oberlänge und zwei über Zeilenmitte rechts angefügten Quadrangeln.
  3. Obere Hastenenden des zweiten bis achten Buchstaben zerstört; deutlich erkennbar lediglich die tiefsitzenden Balken der t. Vom ersten und letzten e ist der abgeknickte obere Bogenabschnitt zu erkennen, nicht aber beim drittletzten Buchstaben, der zudem offenbar eine Oberlänge hat. Die Lesung als e ist somit sehr fraglich, aber bei dem übrigen Befund naheliegend.
  4. Lesung unsicher, die oberen Buchstabenhälften zerstört: zu Beginn 3 Hasten mit relativ weiten Spatien nach rechts (e, f, k oder r), dann 2 unten verbundene Hasten (b, d, o oder v); statt i vielleicht ein l zu lesen. Möglich wäre ere(m)bi(r)g = Eremberga, vgl. Förstemann, Personennamen Sp. 274; eher unwahrscheinlich dagegen fero(n)ig für Veronica, obwohl ein handschriftlicher Stammbaum der Herren von Diemantstein aus dem späten 16. Jahrhundert im Fürstl. Oettingen-Wallersteinischen Archiv zu Harburg (Extranea, v. Diemantstein I. 15. 63.) eine Veronika vom Stein vom Diemantstein aufführt, die mit einem Reuß von Reußenstein verheiratet und eine Schwester Heinrichs vom Stein († 1522) gewesen sein soll. Diese Veronika ist anderweitig wohl nicht belegt, vgl. Lausser, Die Herren von Diemantstein I 70 u. 150.
  5. Wegen der fehlenden Worttrenner vielleicht auch aufzulösen als vo(m) · de(men)stain bzw. vo(m) · de(mant)stain. Die Namensform ohne „vom Stein“ und lediglich die Zubenennung nach Diemantstein ist in Urkunden und auf Siegeln der Zeit allerdings nur selten zu belegen, vgl. Lausser, Die Herren von Diemantstein I 104, 130; erst im 16. Jahrhundert setzt sich diese Namensform durch, vgl. ders., Die Herren von Diemantstein II passim, bes. 126ff.

Anmerkungen

  1. Pfarrbeschreibung Faurndau 1905 (LKA, A 29 Bü 1223) 41; vgl. auch Klemm, Neues aus der Kirche zu Faurndau 57.
  2. Schräglinksbalken über Schildfuß. Von Klemm, ebd. und danach auch von Illig falschgedeutet als Wappen der von Liechtenstein (Schrägbalken unter Schildhaupt).
  3. Kdm Göppingen; Illig; Kirschmer/Ziegler (wie unten).
  4. Vgl. Ziegler, Schloß Filseck 16.

Nachweise

  1. Klemm, Neues aus der Kirche zu Faurndau 57.
  2. Pfarrbeschreibung Faurndau 1905 (LKA, A 29 Bü 1223) bzw. (DekA Göppingen 7. 11) 33.
  3. Kdm Göppingen 91.
  4. Faber, An unsre Leser in und aus Faurndau, in: Ev. Gemeindebl. 9/1921 (1921 IX 17).
  5. Illig, Geschichte von Göppingen u. Umgebung II 151 Anm. 1.
  6. Kirschmer/Ziegler, Faurndau 126.
  7. Walter Ziegler, Das Schloß und die Familie Reuß, in: Einweihung Schloß Filseck. Sonderveröff. NWZ/Geislinger Ztg., 17. Juni 1994, 12 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 80 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0008003.