Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 71 Donzdorf, kath. Pfarrkirche St. Martin 1458

Beschreibung

Epitaph Ulrichs I. von Rechberg zu Hohenrechberg gen. in der Kappen. Innen an der Westwand der nördlichen Kapelle („Gruftkapelle“); ursprünglich wohl in der „Hohen Rechberger Capell“ der Pfarrkirche1. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein. Oben und an den beiden Längsseiten, vielleicht auch unten, umlaufendes geschwungenes und vielfach gefaltetes Schriftband mit Sterbeinschrift; im Feld, fast vollrund vor der Platte stehend, ein Ritter im Plattenharnisch und federbesteckter Schaller, mit der Rechten vor sich ein Schwert, in der Linken einen Wappenschild haltend; links, dem Wappen gegenüber, in Kniehöhe der Helm mit Helmzier; zu Füßen des Ritters ein liegender Löwe. Federbusch, Schild und Helm unterbrechen die Umschrift. Unterer Rand stark bestoßen und abgebrochen, übrige Ränder stellenweise ausgebrochen und geflickt, dabei an einer Stelle unsachgemäße Ergänzung der Inschrift; Schwert und Parierstange abgebrochen.

Maße: H. (Rest) 232, B. 98, Bu. 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. Anno · d(omi)nia) · M° · // cccc° · / lviij° · do · starb · volrichb) · von · // hohenrechberg ritterc) // an · der · // · siiben · brüderd) · tag

Datum: 10. Juli.

Wappen:
Rechberg.

Kommentar

Die Minuskelschrift ist sorgfältig und regelmäßig und mit weiten Wortabständen gehauen. Als Worttrenner sind Quadrangeln gesetzt, die oben und unten, einmal auch an allen vier Ecken, in gewellte und leicht eingerollte Zierlinien auslaufen. Die Oberschäfte von b, h und l sind gespalten; r hat durchweg einen senkrechten Abstrich an der quadrangelförmigen Fahne. Nicht ganz dem Kanon der Textura entspricht das o, dessen linke Haste oben eine kurze Rechtsbrechung aufweist. Das einleitende Wort anno ist mit deutlich vergrößertem Minuskel-a geschrieben, dem somit Versalfunktion zukommt. Das Tausender-Zahlzeichen M ist ein in die Form der gotischen Minuskel umgesetztes unziales M mit linkem geschlossenen und rechtem offenen, unter die Grundlinie verlängerten Bogen.

Wo die Werkstatt ansässig war, in der das qualitätvolle Epitaph angefertigt wurde (Ulm? Gmünd?), ließ sich bislang noch nicht nachweisen2. Das in Aufbau und Gestaltung sehr ähnliche Epitaph für Ulrichs Bruder, den 1453 (?) verstorbenen Wilhelm von Rechberg zu Weißenstein, in der ev. Pfarrkirche zu Weikersheim (Main-Taube-Kreis) könnte als Muster gedient haben.

Ulrich I. von Rechberg starb in Frankfurt am Main. In erster Ehe war er mit Kunigunde von Rosenberg, in zweiter mit Agnes Vogtin von Matsch (Südtirol) verheiratet3.

Textkritischer Apparat

  1. So der ursprüngliche Buchstabenbestand; durch unsachgemäße Ergänzung der oberen Hälften der beiden letzten Buchstaben jetzt doi. Beim zweiten Buchstaben ist die untere Brechung der rechten Haste noch eindeutig zu erkennen, die Lesung dni daher gesichert.
  2. o klein über das v übergeschrieben.
  3. Folgt vf montag Kdm Geislingen 88f., offenbar nach Rink, Familien Geschichte II 47: „Uf Montag ist von mir ergänzt, weil es auf dem Stein verwittert ist“. Auf Rink geht demnach auch die Textfassung auf den zwei Zeichnungen des Grabmals im Rechberg-Epitaphien-Album (wie unten) zurück, auf denen die Inschrift eingetragen ist ohne Orientierung an Schriftform und -verteilung des Originals. Nach Rinks „Ergänzung“ müßte die Umschrift ursprünglich auch am unteren Rand weitergeführt gewesen sein. Allerdings finden sich am Original keine Anhaltspunkte, und auch ein Foto aus dem Beginn dieses Jahrhunderts (ebd. 89) weist bereits dieselbe Zerstörung des unteren Plattenrands auf wie heute, die nicht auf den Verlust von Text hindeutet. Inhaltlich ist die Ergänzung unbedenklich: der 10. Juli 1458 war tatsächlich ein Montag.
  4. ü als u mit winzigem übergeschriebenem e.

Anmerkungen

  1. Gabelkover (HStAS, J1 Nr. 154/15, Umschlag 329: v. Rechberg) fol. 8v sah dort eine „tafel“ für Ulrich von Rechberg, die zwar fast dieselbe Sterbeinschrift aufwies, aber nach der Beschreibung (Vollwappen Rechberg und vier Ahnenwappen Oettingen, Helfenstein, Rechberg, Veringen) nicht mit dem Figurengrabmal identisch sein kann. Vermutlich handelte es sich um einen heute verlorenen Totenschild (nr. 72 †). An eine Translozierung des Epitaphs aus der Hürbelsbacher Kapelle zu denken, aus der auch das Grabmal für Ulrichs gleichnamigen Sohn (nr. 139) stammen soll, das aber ebenfalls schon ursprünglich in Donzdorf war (vgl. Erwin Kohler, Die Hürbelsbacher Kapelle, in: Hohenstaufen 5 [1966] 12–31, hier: 27 m. Anm. 34), ist abwegig und durch nichts zu beweisen; vgl. Einl. S. XXIf.
  2. Klemm (wie unten) vermutet eine Ulmer Wekstatt, Julius Baum, Die Ulmer Plastik um 1500, Stuttgart 1911, 36f. Anm. 4 dagegen einen wohl einheimischen Bildhauer.
  3. Stammtaf. d. mediatisierten Häuser 17. Taf. 3. Eintrag im Calendarium der Pfarrei Donzdorf nach Rink, Familien Geschichte II 47: „B. [Tagungsbuchstabe] VI (idus) Septem Frat. Die isto obijt strenuus Miles Volricus de rechberg de Hohenrechberg Jn Frankfurt. Anno dni. – M°cccc°lviij°.“

Nachweise

  1. Rechberg-Epitaphien-Album (GRA Donzdorf, o. Sign.), angelegt 1809, 2 Zeichnungen.
  2. Rink, Familien Geschichte II 47.
  3. StAL, E 258 VI, Bü 17 OA. Geislingen: Bemerkungen zum topograph. Blatt Donzdorf von E. Paulus, 1832.
  4. Alfred Klemm, Über die beiden Jörg Sürlin, in: Münster-Blätter 4 (1883) 74–96, hier: 89 Anm.
  5. Kdm Geislingen 88f. (Abb.).
  6. Gemeinder, Herren von Rechberg (II): Stammlinie Hohenrechberg.
  7. Halbey 114; Nr. 36; Abb. 99.
  8. Schahl, Die Bau- und Kunstwerke in Donzdorf, Taf. 15 (Abb.).
  9. Hummel, Donzdorf 19 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 71 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0007104.