Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 56 Drackenstein-Unterdrackenstein, kath. Pfarrkirche St. Michael 1442

Beschreibung

Epitaph der Eheleute Hans von Westerstetten genannt Schopp und Ursula geborene Ehinger. In der Langhaus-Nordwand am Kanzelaufgang beim Sebastiansaltar eingemauert. Hochrechteckig; unter Zwillingsbogen fast vollrundes Relief der thronenden Muttergottes, rechts davor kniend das betende Ehepaar, hinter diesem als Intervenient der Kirchenpatron St. Michael mit Schwert und Seelenwaage; Inschrift am linken Rand entlang einzeilig beginnend und unter dem Relief 4zeilig fortgesetzt; in der rechten unteren Ecke neben dem Schriftblock nebeneinander die beiden Vollwappen des Paares. Roter Sandstein, zwei Werkstücke (der obere Teil mit dem Zwillingsbogen ist gesondert gearbeitet); unterer Rand und Teile des Reliefs beschädigt. Das Gitter der sorgfältig vorgeritzten senkrechten und waagrechten Hilfslinien für die Inschrift ist noch deutlich zu sehen. Die Inschrift ist versenkt-erhaben gerabeitet, wobei im Mittellängenbereich der gesamte Schriftgrund, im Ober- und Unterlängenbereich nur die Konturlinien der Buchstaben und Kürzungszeichen ausgehoben sind.

Maße: H. 111,5, B. 76, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. Anno · d(omi)ni · m° · cccc° · xlij° · starb · vrsel · ehngerina) · / hansen · von · Westerstet=/=tenb) · genant · schopp · eliche / hvsfrawe · hans · schopp · / [v]on · Westerstetetna) ·

Wappen:
Westerstetten, Ehinger1.

Kommentar

Die Schrift ist ausgesprochen sorgfältig ausgemeißelt. a ragt mit dem oberen doppelt geknickten Bogen deutlich in den Oberlängenbereich; die untere Hälfte der e-Schleife ist weit nach oben zu einer umgekehrt-s-förmig geschwungenen Zierlinie verlängert; der t-Balken hat meist einen Abstrich, der beinahe die Grundlinie erreicht, bisweilen auch leicht nach oben verlängert ist. Die Oberschäfte von h und l sind gespalten mit knopfartiger Verdickung der umgebogenen Spitzen. Als Worttrenner fungieren Rosetten, daneben vereinzelt Quadrangeln mit oder ohne angesetzte Zierlinien. Der W-Versal unterscheidet sich von den Gemeinen nur durch die Verlängerung, Biegung und doppelte Knickung der linken Haste.

Die charakteristischen Schriftmerkmale bestätigen die Zuschreibung des Epitaphs durch V. Liedke an den Meister der Schwangau-Tumba im Augsburger Dom2. Weitgehende Übereinstimmungen im Bildaufbau lassen sich vor allem bei dem Epitaph für den 1442 verstorbenen Konrad von Minnwitz im Augsburger Domkreuzgang feststellen3, die Schrift scheint dort freilich von einer anderen Hand zu stammen4.

Hans von Westerstetten gen. Schopp fungierte noch 1447 als Testamentsvollstrecker seines Verwandten Rudolf von Westerstetten, Domscholasters von Augsburg5. Sein Todesjahr wurde auf dem Epitaph nicht nachgetragen. Ein solcher Nachtrag wäre, wenn überhaupt ursprünglich beabsichtigt, in dem geringen zur Verfügung stehenden Platz am Ende der letzten Zeile nur in arabischen Ziffern möglich gewesen, doch spricht die bloße Namennennung ohne jede Sterbeformel gegen eine solchen Plan.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Als „Bindestriche“, die die Zusammengehörigkeit der beiden Wortteile anzeigen, sind jeweils lange bogenförmige Zierlinien an die Hasten der voneinander getrennten t angesetzt, die durch die Richtung ihrer Biegung auf den jeweils anderen Wortteil hindeuten.

Anmerkungen

  1. Alberti 154.
  2. Liedke, Ausgburger Sepulkralskultur II 30f. Liedke revidiert seine früher geäußerte Zuweisung an den Augsburger Meister Ulrich Wolfhartshauser, vgl. ders., Augsburger Sepulkralskulptur I 32f.
  3. Liedke, Ausgburger Sepulkralskulptur II 31–33, 110, Abb. 25; Kosel 125 nr. 47, Taf. 6.
  4. Der Typ des kleinformatigen Epitaphs mit Muttergottes und einem oder mehreren im Gebet knienden Personen, die von Heiligen empfohlen werden, hat sich offenbar in Augsburg herausgebildet und fand von dort aus weite Verbreitung. Im Bearbeitungsgebiet läßt er sich nur noch einmal in Eybach nachweisen. Das Epitaph dort (für einen Ritter von Degenfeld, wie aus dem erhaltenen Rest des Oberwappens zu schließen ist) ist allerdings stark zerstört und weist keine Inschrift mehr auf; Abb. in Kdm Geislingen 116.
  5. Vgl. Kosel 344.

Nachweise

  1. Kdm Geislingen 105, 110 (Abb., dat. 1445).
  2. Illig, Geschichte v. Göppingen u. Umgebung II 259 (dat. 1445).
  3. Burger, Drackenstein 46.
  4. Michael Burkhard-Meier, Das spätmittelalterliche Wanddenkmal in Deutschland und den Niederlanden. Studien zur Typengeschichte des „Epitaphs“, Diss. Erlangen 1955 (masch.), 100f., Taf. 32a (dat. 1445).
  5. Liedke, Augsburger Sepulkralskulptur I 32f. (Abb. 22), 108 nr. 23.
  6. Der Kreis Göppingen 21985 Abb. 54.
  7. Gotik an Fils und Lauter 40 Abb. 18.
  8. Liedke, Augsburger Sepulkralskulptur II 30f., 32 (Abb. 23), 110.
  9. Schmitt, Burgenführer Schwäb. Alb 4, 24 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 56 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0005607.