Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 41 Geislingen an der Steige, ev. Stadtkirche (U. L. Frau) 1424
Beschreibung
Stifterrelief mit Grundsteinlegungsinschrift. Außen über dem Nordportal. Fast vollplastische Darstellung eines nach links gewendeten knienden Stifters, der vor sich ein großes Kirchenmodell hält, rechts neben der Figur ein Vollwappen; auf der Unterseite des weit vorkragenden abgeschrägten Sockels 3zeilige Inschrift mit schwachen Ritzlinien zwischen den Zeilen. Steinoberfläche durch Witterungseinflüsse ungleichmäßig verfärbt; Teile der Helmzier weggebrochen, Ränder des Inschriftsockels offenbar ausgebrochen und mit Gips (?) ergänzt, dieser stellenweise erneut abgeplatzt.
Maße: H. (Gesamt) ca. 42, (Inschriftsockel) ca. 15, B. 68, Bu. ca. 3 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.
Notaa) · clavs · vngelt(er) · vo(n) · vlm · hat · gelet · de(n) ersten · / stain · diz · goczhusb) · an · mitwoche(n) · in de(n) · ost(er)c) · virre(n)d) · / dvrch · haisse(n) · ainz · racz · ze · vlm +e) an(n)o · d(omi)ni · m · cccc · xx · iiijf)
Datum: 26. April.
Ungelter. |
Textkritischer Apparat
- N retrograd.
- Genitiv: dieses Gotteshauses.
- Als Kürzungszeichen ein an den Balken des t angehängter nach rechts offener Haken.
- Feiern = Feiertagen.
- Tatzenkreuz.
- Wollaib, Par. Ulm. 373 las unter dem Relief noch den offenbar auf die Wand gemalten Vermerk: erneüert / 1678., der sich aber wohl nur auf die figürliche Darstellung, kaum auf die Inschrift bezogen hat.
Anmerkungen
- Vgl. Klemm, Die Stadtkirche zu Geislingen (1876) 60. Am 20. August 1424 spricht er mit drei weiteren Ulmer Richtern ein Urteil in Lehenangelegenheiten zugunsten eines Geislinger Bürgers und untersiegelt die Urkunde: StadtA Geislingen, G1 Bü 56, vgl. Geislinger Urkundenbuch 64 nr. 56.
- Zur Familie vgl. Alberti 884f. mit zahlreichen Lit.angaben.
- Vgl. Heberle 9.
- Vgl. Joachim Gaus, Dedicatio Ecclesiae . Zum Grundsteinlegungsrelief im Münster zu Ulm, in: 600 Jahre Ulmer Münster. FS, hg. v. Hans Eugen Specker u. Reinhard Wortmann (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 19), Ulm 1977, 59–85, Abb. 1–8. Zum Akt der Grundsteinlegung in mittelalterlichen Städten, besonders in Ulm, vgl. Johannes Zahlten, Mittelalterliche Sakralbauten im südwestdeutschen Raum als Zeugnisse bürgerlicher Repräsentation, in: Stadt und Repräsentation, hg. v. Bernhard Kirchgässner u. Hans-Peter Becht (Stadt in der Geschichte 21), Sigmaringen 1995, 77–91, bes. 77–80, Abb. 1, 2.
Nachweise
- Haid 642.
- OAB Geislingen 127.
- Klemm, Die Stadtkirche zu Geislingen (1876) 60.
- Ders., Stadtkirche. Vortrag 11.
- Keppler 111.
- Weitbrecht, Wanderungen 23.
- Kdm Geislingen 25, 32f. (Abb.).
- Heimatbuch Geislingen 16.
- Burkhardt, Geschichte der Stadt Geislingen I 136.
- Ders., Ein Gang durch Geislingen und seine Sehenswürdigkeiten, in: Einwohnerbuch für die Stadt Geislingen an der Steige und Umgebung (Geislinger Wirtschaftgebiet) 1953, Geislingen 1953, V–XVI, hier: XIV.
- Heberle 8.
- Akermann/Schmolz, Stauferland 10 (m. Abb.).
- Trostel, Kirchengut 29 Anm. 97.
- Bauer, Die Geislinger Stadtkirche 4 (Abb.), 6.
- Geislingen a. d. Steige. Die Stadtkirche (Führer) 10 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 41 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0004106.
Kommentar
Die sehr schmale Minuskelschrift ragt mit ihren Ober- und Unterlängen nur wenig über das mittlere Schriftband hinaus. Die Hasten sind teilweise leicht nach links oder nach rechts geneigt. a und d sind kaum zu unterscheiden, der Balken des t und der analog gebildete Fortsatz des g setzen sehr tief an, Deckbalken und Schräghaste des zweistöckigen z sind jeweils zu einem Quadrangel reduziert.
Klaus Ungelter war Mitglied des Ulmer Gerichts1. Die Familie stammt aus Reutlingen, scheint im späten 14. Jahrhundert in Ulm auf und gehörte dort dem Patriziat an2. Die Weihe der Kirche erfolgte am 22. Juli 1428 durch den Konstanzer Weihbischof Thomas, Titularbischof von Caesarea, nachdem 1426 ein Kirchenbauablaß durch Kardinal Jordanes und Bischof Bernhard gewährt worden war3. Der Bildhauer wird wohl unter den Meistern des Hauptportals des Ulmer Münsters zu suchen sein. Als Vorbilder für das Geislinger Stifterrelief dienten sicherlich die beiden Grundsteinlegungsreliefs im Ulmer Münster von 1377 und das am Ulmer Wengenkloster von 1399. Alle drei Reliefs zeigen kniende Stifterfiguren mit Kirchenmodell und Vollwappen, allerdings ergänzt durch weitere Figuren (Heilige, Engel, Baumeister), und sind mit deutschsprachigen Inschriften versehen. Die Wendung durch haissen ainz racz findet sich in den angeführten Ulmer Stücken leicht variiert ebenfalls4.