Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 27 Göppingen-St. Gotthardt, ev. Filialkirche (St. Gotthard) 2. H. 14. Jh.
Beschreibung
Glocke eines Nürnberger Gießers (Hermann Keßler oder Nachfolger). Im Dachreiter. Schulterinschrift zwischen unregelmäßigen Schnurstegen.
Maße: H. (o. Krone) 37, Dm. 48, Bu. ca. 2,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
+a) AVE · MARIA · GRACIA · PLENAb) · DOMINVS · TECVM · BENEDICḄc)1)
Übersetzung:
Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, gesegnet . . .
Textkritischer Apparat
- Tolosanerkreuz.
- flora Glockenbeschlagnahmeakten.
- Sic! Letzter Buchstabe unsicher. Nach den Glockenbeschlagnahmeakten: benedict . . ., „danach noch 3 Buchstaben, vielleicht L oder I, T und DB“.
Anmerkungen
- Beginn des Ave Maria; vgl. Lc 1, 28.
- Vgl. Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern 14.
- Ebd.
Nachweise
- Glockenbeschlagnahme 1917 OA Göppingen (LKA, A 26, 1484,5).
- Dt. Glockenatlas WürttHohenzollern nr. 690.
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 27 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0002706.
Kommentar
Als Worttrenner sind in unregelmäßigem Wechsel Rosetten und Glöckchen gesetzt. Diese wie auch die Form des Invokationskreuzes und die Schrift sind charakteristisch für eine Gruppe von meist mit dem Mariengruß beschrifteten Glocken, unter denen sich einige datierte befinden, die die Zeitspanne von 1360 bis 1401 markieren2 und die einer signierten Glocke zufolge dem Nürnberger Gießer Hermann Keßler, die späten vielleicht auch einem Nachfolger zuzuweisen sind3. Die Schrift zeichnet sich durch spitz ausgezogene Bogenschwellungen, bei C, O und E mit gleichzeitiger Bogeninnenschwellung, aus sowie vor allem durch weit ausladende gewellte und spitz zulaufende Sporen. Die auf der Grundlinie nach außen umgebogenen Bogenenden des symmetrischen unzialen M und des runden N sind analog zu den Sporen gebildet. C und E haben kräftige Abschlußstriche, L einen weit hochgezogenen keilförmigen Balkensporn mit knopfförmiger Spitze. Sehr ähnliche Schriftformen auch in Steininschriften vorwiegend des 3. Viertels des 14. Jahrhunderts stützen die zeitliche Einordnung der Glocke.
Die Gotthardkapelle war bis 1555 Filial des Göppinger Oberhofenstifts, dann selbständige Pfarrkirche, und ist heute Filial von Holzheim. Der Baubeginn des chorlosen schlichten Baus könnte noch ins 14. Jahrhundert fallen und damit mit dem Guß der Glocke in Verbindung gebracht werden. Eine zweite Glocke der Filialkirche stammte von 1452 (nr. 68 †).