Die Inschriften des Landkreises Göppingen
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 41: Göppingen (1996)
Nr. 16 Gruibingen, ev. Pfarrkirche (St. Martin) 2. V. 14. Jh.
Beschreibung
Fragmente von Wandmalereien. Innen an der Langhaus-Nordwand und im Chor. 1975 aufgedeckt und restauriert. I. An der Langhaus-Nordwand sind zwei Bildfelder übereinander erhalten, die Teil eines umfangreichen Zyklus zum Marienleben und zu Leben und Passion Christi gewesen sein dürften: oben Anbetung der hl. Drei Könige, unten Dornenkrönung und Verspottung Christi, jeweils mit Beischriften in schmalen Rahmenstreifen über den Bildern (A, B)1. Nur jeweils der Mittelteil der Bilder ist relativ gut erhalten, rechts Bildverlust durch Fensterdurchbruch des 18. Jahrhunderts, links durch Übermalung mit Malereien des 15. Jahrhunderts (nr. 37). II. An den drei Chorschlußwänden jeweils Reste von Malereien, deren bogenförmiger Umriß erkennen läßt, daß der Chor ursprünglich eingewölbt war. Die Bilder aller drei Wände wurden durch die Vergrößerung der Fensteröffnungen im 18. Jahrhundert im mittleren Teil zerstört; die unteren Bildzonen sind durch Wandmalereien des 15. Jahrhunderts überdeckt. An der Ostwand sind drei Bildstreifen übereinander zu unterscheiden: im obersten, links des Fensters, eine Sonnenscheibe, darunter auf einer Rahmenleiste Inschrift (C), die korrespondierende Monddarstellung (?) rechts des Fensters ist verloren; darunter links ein auffliegender Adler, rechts ein sitzender Adler mit erhobenen Schwingen im Nest; in der unteren Bildzone links Erbärmdechristus mit Leidenswerkzeugen und Beischrift (D) in der Rahmenleiste über dem Bild, rechts ein hl. Bischof mit Mitra, Stab und Ring, wohl der Kirchenpatron Martin. Nordost- und Südostwand zeigen eine einheitliche Gliederung: oben im Bogenfeld jeweils zwei einander zugekehrte (weitgehend zerstörte) Evangelistensymbole, an der Nordostwand der Stier des Lukas und der Engel des Matthäus, an der Südostwand der Adler des Johannes und der Markuslöwe ohne erhaltene Beischriften; unter den Evangelistensymbolen jeweils ein sehr breiter Ornamentstreifen mit Kreuzblumenfries; darunter einzelne Bilder, von denen kaum mehr Einzelheiten auszumachen sind. An der Südostwand ist in dem linken Bild ein Kopf zu erkennen, dessen Blick einem rechts oben fliegenden Vogel (?) zu folgen scheint, darüber Reste einer Beischrift (E); rechts vielleicht die Reste einer Marienverkündigung, ebenfalls mit fragmentarischer Beischrift im Randstreifen darüber (F).
Maße: Bu. 6 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
- A
[MELCHIOR] · CAS[PAR · ] ḄALT[HASAR . . .
- B
. . .]Ọ[.] S[P]VITVRa) · CORONATVR · [. . .
- C
[.]AG
- D
· MISERIC[ORDI]Ab) ·
- E
ẠḄE[. . .c)
- F
. . .]IM ·
Übersetzung:
… wird bespuckt und gekrönt …
Textkritischer Apparat
- Falsche Konjektur bei Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 110: „wohl vom Restaurator falsch ergänzt und ist richtig als (CHRIS)TVS zu lesen“.
- Buchstaben in eckigen Klammern vom Restaurator ergänzt.
- Halbunziales b oder unziales H mit tief angesetztem kleinem Bogen.
Anmerkungen
- Malereien an der Langhaus-Südwand, die vermutlich ebenfalls zu dem Zyklus gehörten, wurden nicht konserviert, vgl. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 110.
- Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 110f. datiert sie ins „frühe 14. Jh.“, gibt aber bei den Bildunterschriften zu Abb. 8–11 als Zeitansatz „Mitte 14. Jh.“.
- Conz (wie unten) und nach ihm wohl Dehio, Baden-Württemberg I 280 setzen die Bauzeit des gotischen Chors m. E. zu spät „um 1350“ an, die Gemälde im Chor aber schon „Anfang 14. Jh.“, was sich natürlich nicht vereinbaren läßt.
Nachweise
- Conz, Martinskirche 19f.
- Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 110f., Abb. 8–11.
- Conz, in: Gruibinger Heimatbuch 222–224 (m. Abb.; Separatdr.: 18–20).
Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 16 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0001603.
Kommentar
Der fragmentarische Zustand der Inschriften erlaubt kaum Aussagen zur paläographischen Einordnung. Gelegentlich finden sich eingestellte Zierstriche in den Bögen von C, E und O. A hat einen mächtigen Deckbalken mit langen Sporen. L kommt mit hoch gewölbtem und gewelltem Balken vor. Auch wenn die Überarbeitung durch den Restaurator täuschen kann, scheint doch die Schrift insgesamt wenig regelmäßig ausgeführt gewesen zu sein. Die Malereien dürften etwas jünger sein als die in Oberwälden (nr. 11) und Faurndau (nr. 10), aber noch der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts anzugehören2 und somit bald nach der Errichtung des gotischen Chorpolygons entstanden sein3.