Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 461 Geislingen an der Steige, Heimatmuseum 1628

Beschreibung

Gemälde mit Gedächtnisinschrift für zehn hingerichtete Offiziere und Soldaten des Reiterregiments Montecuccoli. Aus dem alten Geislinger Rathaus; noch 1880 „auf dem Zimmer der Stadtpflege“1, 1896 in der Ratsschreibereistube. Öl auf Leinwand, auf einen Holzrahmen aufgezogen. In zwei Reihen je fünf Brustbilder nebeneinander, unter den Porträts auf weißen Schriftfeldern jeweils 2zeilige Namensbeischriften (A), unten in einer über die gesamte Breite geführten Schriftzone eine in vier Blöcken zu je vier Versen angeordnete Reiminschrift (B). Stark beschmutzt, Farbe stellenweise verblaßt, aber noch gut lesbar.

Maße: H. 76, B. 98, Bu. 1,0 (A), 0,8 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur (A), Kapitalis (B).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Städt. Museum im Alten Bau, Geislingen a. d. Steige [1/2]

  1. A

    Johann Von Hückhelhouen= / reform(ierter)a)2) Leüttenandt. // Conradt Schloemer Von. / Marckhen, refor(mierter)a)2) Leüttenant · // Jörg Lobendans von Eschwig3) · / Corporal · // Friderich Miller von Roh=/lingen. Corporal, · // Hanns Cronberger Von= / Prag. Wachtmaister · // Wilhalm Motmar Von= / Mastrich4), · // Sebastian Crumholtz, von= / Naumburg, · // Andereas Schmidt Von= / Pitzenburg5), · // Peter Lateransche Von= / Columpier6), · // Hannsz Michael Von / Cottwigb), Jäger7), ·

  2. B

    WIRc) ABGEMAHLTE CAVALLLIER ·DARVNDERd) AVCH FVNF OFFICIER8)VNNTER CVCVLL REGIMENT.HABEN GEDIENT AN MANCHM END //SIND LETSTLICH AVCH INS VLMISCH KOM(M)ENVND HAN DARIN QVARTIER GENOMEN.ALLS WIR NVN AVS ZV KVHNEM MVOTHIM GLAIT GRIFFEN NACH FREMDEM GVOT //HAT MAN VNS ZVM SCHWEDTe) CONDEMNIRTVND HIER VORM RATHAVS EXEQVIRTf).DIS IST GESCHEHEN NICHT OHNE CLAG.IM AVGVSTO, DEN ZWELFTEN TAG. //DA MAHLN ALS SEHZEHNHVNDERT IARACHTVNDZWAINTZIG DIE IARZAL WARGOTT WEL VNS VNSER SŸND VERZEIHENVND EIN FREHLICH VRSTEND VERLEIHEN

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

Die Verurteilten gehörten dem kaiserlichen Kürassierregiment Montecuccoli an. Dieses war 1626 von den schlesischen Ständen als Dragonerregiment errichtet, durch Patent von 27. III. 1628 aber in ein Kürassierregiment umgewandelt worden9. Regiments-Inhaber war von 1626 bis 1633 der Obrist-Feldzeugmeister Ernst Graf Montecuccoli10, der das Regiment auch bis 1629 selbst kommandierte. Wer das Urteil über die Delinquenten gesprochen hat, wird in der Inschrift nicht gesagt. Das ius gladii der unumschränkten Gerichtsgewalt besaßen unter den Reitern nur die Obrist-Inhaber der Dragonerregimenter als einer aus der Infanterie hervorgegangenen Formation, während die schwere Reiterei als ursprünglich rein adelige Truppe nur vom Feldmarschall als ihrem höchsten Kommandanten, nicht vom Regimentschef, abgeurteilt werden durfte. Die Vollstreckung des Urteils oblag dem zum Regimentsstab gehörenden und dem Profoß unterstehenden Scharfrichter11.

Das Gemälde ist weniger wegen seiner Inschrift als wegen der Abbildung der Hingerichteten bemerkenswert. Eine Tafel mit einer Gedenkinschrift auf eine Hinrichtung – ohne bildliche Darstellung – ist aus der Osnabrücker Marienkirche bereits aus dem späten 15. Jahrhundert bekannt12. Im vorliegenden Beispiel handelt es sich aber kaum wie dort um eine öffentlich ausgestellte Belehrungsinschrift für die Bürger, sondern eher um ein dem Epitaph verwandtes Gedächtnismal, das vermutlich von Regimentskameraden der Delinquenten13, wenn nicht von diesen selbst, in Auftrag gegeben wurde. Dafür sprechen jedenfalls die Abfassung der Verse in der 1. Person und die abschließende Segensbitte.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt.
  2. Die beiden t ohne Balken, wegen der abweichenden Oberlängengestaltung aber eindeutig nicht als l zu lesen.
  3. Erster Buchstabe eines jeden Verses etwas überhöht und rot ausgezeichnet. Keine konsequente Worttrennung, daher – sicherlilch erst nachträglich – fast durchweg feine Trennstriche auf der Grundlinie eingefügt. I nur gelegentlich mit Punkt.
  4. N klein übergeschrieben.
  5. Sic!
  6. Unziales Q mit kleinem Bogen, mit der Haste auf der Grundlinie stehend.

Anmerkungen

  1. Vgl. Klemm (wie unten) und Weitbrecht, Wanderungen 177.
  2. reformiert: Teil der Rangbezeichnung in der Bedeutung „auf Halbsold gesetzt“.
  3. Eschwege (Werra-Meißner-Kr.).
  4. Maastricht (Niederlande).
  5. Wohl statt Vitzenburg (LKr. Querfurt).
  6. Vielleicht Colombier nö. Vesoul (Dép. Haute-Saône)?
  7. Innerhalb des Kürassierregiments vermutlich als Fourierschütze mit der Proviantbeschaffung betraut.
  8. Wie in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts noch allgemein üblich, werden auch hier die Unteroffizierschargen zu den Offizieren gezählt. Ein abgeschlossenes Offizierscorps bildete sich erst am Ende des 17. Jahrhunderts aus. Zur Rangordnung in den kaiserlichen Reiterregimentern vgl. v. Wrede III/1, 11 u. 96–102.
  9. 1633–34 Cronberg-Kürassiere, dann geteilt in die neuen Regimenter Silvio Piccolomini und Schönickel, vgl. v. Wrede III/2, 423; die Angaben bei Georg Tessin, Die Regimenter der europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts, Tl. 1: Stammlisten, Osnabrück 1986, 18 sind ungenau.
  10. Vor Breisach schwer verwundet und gefangen, beging 1633 in Colmar Selbstmord, vgl. v. Wrede II/2, 423.
  11. Ebd. 7, 85 u. 92f.
  12. Vgl. DI 26 (Osnabrück) nr. 66 †.
  13. Es gehörte u. a. zu den Aufgaben der Cornets (bei Dragonern: der Fähnriche), für Delinquenten „vorzubitten“, vgl. v. Wrede III/1, 97.

Nachweise

  1. Alfred Klemm, Aus alter Zeit, A3: Ein seltsames Bild, in: Beil. zum Alb- u. Filsthalboten Nr. 47 (1880 IV 17).
  2. Weitbrecht, Wanderungen 177.
  3. Heimatgeschichtliches aus der Zeit des 30jährigen Kriegs, in: GMGU 2 (1929) 35–38, hier: 36f.
  4. Burkhardt, Geschichte der Stadt Geislingen I 332.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 461 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0046108.