Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 446 Faurndau (Stadt Göppingen), ev. Pfarrkirche (ehem. Stiftskirche U. L. Frau) 1623

Beschreibung

Grabplatte oder Epitaph des Zacharias Langjahr. Innen an der Westwand des nördlichen Seitenschiffs; früher an der Chorsüdwand, seit der Kirchenrenovierung von 1875–82 an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffs1. Platte aus grauem Sandstein, in der oberen Hälfte annähernd quadratische Schrifttafel (A) mit Ohrmuschel- und Rollwerkrahmen, in der unteren Hälfte Relief eines linksgewendeten Vollwappens in rollwerkgerahmter ovaler Kartusche sowie an den drei Außenseiten umlaufender Bibelspruch (B). Beschädigungen an den Rändern, vor allem rechts oben und an der Unterkante, hier mit Textverlust; leichte Stoßschäden an der Oberfläche.

Maße: H. 167,5, B. 92, Bu. 3,5 (A)2, 5,0 cm (B)3.

Schriftart(en): Kapitalis.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    ARAM HANC / ZACHARIAE LANGJAHR I(VRIS)C(ONSVL)TOa) NOBILI / VIRO SVPRA TITVLVM, SVPRA FORTVNAM / DVCI WIRTEMBERGICO, / SVPERIORI AVSTRIAE, / CONJVGI, LIBERIS, / AMICIS, CVNCTISQ(VE)b) BONIS, / HEV SICARIO VULNERE, / 3. NON(AS) FEBR(VARII) / ANNO M D C XXIIIc). / AETAT(IS) XXXVI / MAGNO DOLORE EREPTO / POSVIT / MOESTAd) CONJVNX.

  2. B

    SICVT SOLENT CADERE CORA[M] / FILIJSe) [INI]//Q[VITATI]S / C[ORR]VISTI. POST: SAMVEL · 3 ·4)

Übersetzung:

Diesen Grabstein hat dem Zacharias Langjahr, dem rechtskundigen, dem über seinen Titel und über seine Stellung hinaus edlen Mann, der dem Herzog von Württemberg, der Oberösterreich, seiner Frau, seinen Kindern, seinen Freunden und allen rechtschaffenen Leuten durch eine ihm – ach! – von Mörderhand beigebrachte Verwundung am 3. vor den Nonen des Februar (3. Februar) 1623 im Alter von 36 Jahren unter großem Schmerz entrissen wurde, seine betrübte Ehefrau errichtet. – Du bist gefallen, wie man vor Söhnen der Sünde fällt.

Wappen:
Langjahr von Puchberg5.

Kommentar

Die Kapitalis ist sehr regelmäßig eingehauen, Inschrift (B) hat deutlich schmalere Proportionen. Einzelne Anfangsbuchstaben sind überhöht. Abweichungen vom klassischen Kanon des Kapitalis-Alphabets: I longa mit konsonantischem Lautwert hat im Unterschied zum vokalischen I eine unten abgeschrägte, leicht unter die Grundlinie verlängerte Haste und einen Punkt; unziales Q mit kleinem Bogen, wie ein spiegelverkehrtes P; einmal (Zeile 8) Verwendung eines U mit Haste, wobei oberer Bogenabschnitt und oberes Hastenende in eigentümlicher Weise parallel nach links umgebrochen sind; Z mit linksschräggestellten Balken, der untere geschwungen. Die Schrifteigentümlichkeiten, besonders die charakteristische Form des Z erlauben es, die Grabplatte dem Schorndorfer Steinmetzen Melchior Gockheler zuzuweisen.

Zacharias Langjahr von Puchberg, geboren in Dornstetten, studierte in Tübingen6, wo er auch 1611 promoviert wurde7. Er war kaiserlicher und herzoglich württembergischer Rat; für den Kaiser verwaltete er die oberösterreichische Herrschaft Wels, worauf in der Inschrift Bezug genommen wird. Eigenartig ist der offensichtliche völlige Verzicht auf die Nennung der Titel, sowohl der akademischen (statt des Doktortitels lediglich das Epitheton iurisconsultus) als auch der Adels- und Amtstitel, und ihre Ersetzung durch die Formel nobilis supra titulum, supra fortunam. Über die Umstände von Langjahrs Ermordung ließ sich nichts ermitteln. Seine Witwe Anna heiratete in zweiter Ehe 1624 den Oberregierungssekretär Johann Konrad Varnbühler von und zu Hemmingen8.

Textkritischer Apparat

  1. j(un?)cto Kdm Göppingen; Kirschmer/Ziegler.
  2. Kürzungszeichen in Form einer 3.
  3. Neulateinische Zahlzeichen für Tausend (Haste zwischen 2 einander zugewendeten Bögen) und für Fünfhundert (Haste vor nach links offenem Bogen). XXXIII Kdm Göppingen.
  4. molesta (!!) Kdm Göppingen; Kirschmer/Ziegler.
  5. In Form eines aus zwei auswärts gebogenen Schräghasten bestehenden asymmetrischen Y, Lautwert II.

Anmerkungen

  1. Vgl. Kirschmer/Ziegler, Faurndau 127 nach Pfarrbeschreibung Faurndau 1905 (LKA, A 29 Bü 1223) 41.
  2. Überhöhte Anfangsbuchstaben 4,7 cm.
  3. Überhöhte Anfangsbuchstsaben 6 cm.
  4. 2 Sam 3, 34, danach die Textergänzungen.
  5. Löwe, ein rechtshalbes Mühlrad haltend, auf Dreiberg; Helmzier: Schildfigur wachsend über Helmkrone.
  6. Imm. 1603 I 28: Matrikeln Tübingen II nr. 17132.
  7. Vgl. Pfeilsticker §1129, danach alles weitere.
  8. Pfeilsticker §1117. Die Brüder Christoph Jakob und Zacharias Langjahr aus Wels bzw. Linz, die sich am 11. VII. 1627 gemeinsam in die Tübinger Matrikel eingeschrieben haben (Matrikeln Tübingen II 170 nr. 21536f.), sind vermutlich Söhne des Verstorbenen.

Nachweise

  1. Waltz, Misc. Hist. (HStAS, J1 Nr. 44) fol. 225r.
  2. Pfarrbeschreibung Faurndau 1905 (LKA, A 29 Bü 1223): Aufnahme durch Pfr. Faber, 1905 VIII 9 (=DekA Göppingen, 7. 11, 33f.).
  3. Kdm Göppingen 92 (zu 1633).
  4. Faber, An unsre Leser in und aus Faurndau, in: Ev. Gemeindebl. 10/1921 (1921 X 4).
  5. Kirschmer/Ziegler, Faurndau 127.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 446 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0044601.