Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 389 Wiesensteig, kath. Stadtpfarrkirche (ehem. Stiftskirche) St. Cyriakus 1608

Beschreibung

Spätgotische Figur der Muttergottes von Dotzburg mit Restaurierungsinschrift. Aus einer Werkstatt in der Nachfolge Jörg Syrlins. Am 12. Oktober 1804 aus der 1811 abgebrochenen Wallfahrtskapelle U. L. Frau zu Dotzburg1 nach Wiesensteig überführt, jetzt auf dem nördlichen Seitenaltar an der Stirnwand des Langhauses (Marienaltar). Holz, farbig gefaßt und vergoldet, mehrfach restauriert. Die zwei Kronen und das Szepter sind ebenso barocke Zutaten wie der ovale Strahlenkranz, der zusammen mit einem Rückenbrett fest auf die Rückseite der ausgehöhlten Statue montiert ist. Die in der Höhlung angebrachte Restaurierungsinschrift von 1608 ist daher derzeit unzugänglich2. Über die Ausführung können somit keine Angaben gemacht werden, die Textwiedergabe folgt der Pfarrchronik3.

Maße: H. 140 cm.

  1. Ad laudem et gloriam Dei ac Domini nostri Jesu Christi ejusdemque genitricis gloriosae semper virginis Mariae hanc ipsius imaginem tempore Lutheranismi nimis deformatam renovavit addens coronas sceptrum et radios Johan(n)es Christophorus Herb Riedlinganus tunc temporis existens indignus canonicusa) ecclesiae collegiatae S. Cyriaci in Wiesensteig. Pinxit autem Christophorus Stein pictor ibidem sumptibus Generosae Dom(in)ae Eleonorae comtissaeb) de Helfenstein natae Comtissaeb) de Fürstenberg A(nno) 1608 3. Jan(uarii)

Übersetzung:

Zum Lob und Preis Gottes und unseres Herrn Jesus Christus sowie seiner glorreichen Mutter und allzeit Jungfrau Maria hat dieses ihr Bild, welches in der Zeit des lutherischen Treibens stark entstellt wurde, erneuert und dazu noch Kronen, Szepter und Strahlen hinzugefügt Johann Christoph Herb aus Riedlingen, derzeit, wenngleich unwürdig, Kanoniker der Stiftskirche St. Cyriakus zu Wiesensteig. Bemalt hat es aber Christoph Stein, Maler ebenda, auf Kosten der edelmütigen Frau Eleonora Gräfin von Helfenstein geborener Gräfin von Fürstenberg im Jahr 1608, am 3. Januar.

Kommentar

Mit der in der Inschrift erwähnten Zeit des „Lutheranismus“, während der das Dotzburger Gnadenbild offenbar Schaden genommen hat, sind die Jahre 1555 bis 1567 gemeint. 1555 hatten die Grafen von Helfenstein in ihrer Herrschaft Wiesensteig die Reformation eingeführt, die Rekatholisierung war dann 1567 nach der Konversion des Grafen Ulrich unter der Leitung des Jesuiten Petrus Canisius erfolgt4. Gräfin Eleonora war die Tochter Joachims Grafen von Fürstenberg. Sie heiratete 1604 Rudolf III. Graf von Helfenstein († 1627) und starb 1651. Ihre Kinder stifteten 1621 eine silberne Monstranz für die Drackensteiner Schloßkapelle (nr. 439).

Textkritischer Apparat

  1. canonicus emend.; canonicae Pfarrchronik.
  2. Sic!

Anmerkungen

  1. Todtsburg, östlich von Wiesensteig auf Mühlhausener Gemarkung. Zu den Daten vgl. Ziegler, Wiesensteig 26.
  2. Mein Dank gilt an dieser Stelle dem Mesner Herrn Huttenlau, der mich bei der Untersuchung der Figur bereitwilligst unterstützt hat.
  3. 1879 wurde die Figur den Angaben der Chronik zufolge durch den Maler Eduard Mayr neu gefaßt. Bei dieser Gelegenheit dürfte die Restaurierungsinschrift aufgezeichnet worden sein: Chronik der Stadt & Pfarrei Wiesensteig von 1853–[1971] (Kath. PfA Wiesensteig; Kopie im KrAG, Sign. 2380. 2), zum Jahr 1887 (o. Seitenzählung). Keppler 119 erwähnt die Inschrift ebenfalls, seine Kenntnis beruht aber vermutlich auf der Pfarrchronik, nicht auf Autopsie.
  4. Vgl. dazu u. a. Nägele, Helfensteiner Originalurkunde 150 f.; zu den näheren Umständen der Reconversio Graf Ulrichs vgl. den Brief Canisius’ an Francesco de Borgia 1567 V 1: Beati Petri Canisii societatis Jesu epistulae et acta, ed. Otto Braunsberger, Vol. V, Friburgi Brisgoviae 1910, 449–454; zu den Wiesensteiger Vorgängen siehe ferner ebd. 779–790. Von 1567 VII 4 datiert die Ermächtigung des Konstanzer Suffraganbischofs Michael Dornvogel durch Kardinal Markus Sitticus von Hohenems, Bischof von Konstanz, die profanierten Kirchen, Altäre und Geräte der Herrschaft Wiesensteig neu zu weihen (ebd. Anm. 1).

Nachweise

  1. Chronik der Stadt & Pfarrei Wiesensteig von 1853–[1971] (Kath. PfA Wiesensteig; Kopie im KrAG, Sign. 2380. 2), zum Jahr 1887 (o. Seitenzählung).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 389 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0038908.