Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 309 Geislingen an der Steige, ev. Stadtkirche (U. L. Frau) 1581

Beschreibung

Grabstein der Eheleute Jörg Weckherlin und Dorothea geborene Schmid. Innen an der Südwand des südlichen Seitenschiffs, 4. Stein von Osten; 1879 vom Friedhof Rorgenstein in die Kirche versetzt1. Zweiseitig bearbeiteter, oben mit Rollwerkrahmen gegiebelter schlanker Stein. Auf der Vorderseite im Giebelfeld 3zeilige Inschrift (A), darunter breite rundbogige Flachnische mit im Bogen und auf den Längsseiten umlaufender Umschrift (B), in der oberen Hälfte der Nische zwei Vollwappen in Relief, in der unteren Hälfte querreckteckige, annähernd quadratische Schrifttafel mit 11zeiliger Inschrift (C). Die Rückseite durch die derzeitige Aufstellung nicht sichtbar, Ausführung im einzelnen nicht bekannt; Beschreibung und Wortlaut nach Klemm: oben Relief der Auferstehung Christi mit Steinmetzsignatur (D), darunter(?) Inschrift (E) in „deutscher Schrift“, ferner Inschrift (F) in „lateinischer Schrift …, auf künstlich verschlungenen Bändern sich außen an den Rändern umher ziehend“. Grauer Sandstein, abgewittert und bestoßen, links unten erheblicher Schriftverlust, zerstörte Stelle mit Zement überschmiert; letzte Zeile zusammen mit dem Fundamentsockel abgebrochen.

Maße: H. 982, B. 56, Bu. 1,3 (A), 1,7 (B), 1,8 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A, C, F), Kapitalis (B, D, E).

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    Jörg Wec=kerli(n)s vnd seins hauszfraw · Grabstein vnd Rhuostetli(n)a) ansch[aw]b)

  2. B

    VIDVA FILII FILIAEQ(VE) LVGENTES MARITO ET PARENTI PIE DEFV(N)CTO SIBIQ(VE) SECVTVRIS · F(IERI) · F(ECERVNT) ·

  3. C

    Anno Do(min)j : 1581 · den 6 Februarj Jst / in Gott seliglich entschlaffe(n), der Ehr(n)=hafftc) vnd Fürnem Jorg Wec[kh]erli(n) Ge=wessner Burgermeister allhie seins / [alt]ers 52 Jhar · / 〈. . . . . . . . . . . . . . .〉 ist ihme die Ehren vnd / [tuge(n)t]sam sein gewessne Eheliche hausz[=/fraw Do]rathea Schmidi(n) Jrs alters im / [〈. .〉 Jhar se]li[g]lich [nach]gefolgt, Wole=/[. . . . . . . . . .] f[r]öliche aufferstehu(n)g gne=/[dig . . . . . . . . . .] Amen ·

  4. D

    H(ans) (Stz. nr. 5) S(challer)

  5. E

    Herr Jesu Christ, sigreicher gott,ob uns hinnäm der zeitlich tod,tröst uns doch dein urste(n)d und macht,das unser kains hie schaide(n)s acht.Das alte recht ist: du bist erdenZu erden mustu wider werden.Dein recht wollt wir nit widerstreben,weil wir wüsten, das all die leb(e)n,die in dir und dem namen deinhie christlich abgestorben sein.Dann weil du aufferstanden bist,auch wider kommest zur letzten frist,so wart(en) wir hie in stiller ruoh,bis kompt die selbig zeit her [zu],da alle todten aufferstahnUnd dich mit freuden schawen anall die dich alhie han bekentund auff dein [. . .] ir end.

  6. F

    GREGORIVS IN SEINEN MORALIB(VS) LIB(ER) 14: VNSER ERLÖSER HAT DEN TOD AVFF SICH GENOME DAS WIR VNS ZV STERBEN NIT FV̈RCHTEN VND SEIN AVFFERSTEHVNG GEZAIGT, AVFF DAS WIR AVCH WIDER AVFF ZV ERSTEHN [. . . . VNS GETRÖ]STEN.3)

Übersetzung:

Witwe, Söhne und Töchter haben trauernd dem selig verstorbenen Ehemann und Vater und sich, die ihm folgen werden, (dies Denkmal) anfertigen lassen.

Kommentar

 
Wappen:
Weckherlin, Schmid4.

Versmaß: Deutsche Reimverse (A, E).

Die gotische Minuskel ist leicht nach rechts geneigt, mittleres Schriftband und Leerzeile haben die gleiche Höhe. Die Versalien kombinieren – nicht immer glücklich – Frakturformen mit Elementen der gotischen Minuskel. Die Kapitalis zeigt fast durchweg klassische Formen, auffällig sind allerdings die sehr langen oberen Balken von F und T und die langen unteren Balken von E und L.

Bemerkenswert sind die zusätzlich zu den Sterbeinschriften angebrachte Grabbezeugungsinschrift (A) und das anderweitig auf Grabmälern bislang nicht belegte, gleichwohl passende, Zitat Gregors d. Gr. Der beidseitig bearbeitete Stein stand ursprünglich aufrecht direkt am Grab.

Zu Weckherlin vgl. nr. 308. Der Grabstein wurde in der Werkstatt des Ulmer Steinmetzen Hans Schaller gefertigt5.

Textkritischer Apparat

  1. o über u übergeschrieben.
  2. Ergänzung nach Klemm.
  3. Kürzungsstrich über r unsicher.

Anmerkungen

  1. Wenn der Rorgensteiger Friedhof tatsächlich erst 1608 angelegt wurde (vgl. nr. 393), muß mit einer früheren Versetzung des Steins vom Kirchhof bei der Stadtkirche gerechnet werden.
  2. Ohne Fundamentsockel. Da die übrigen Maße genau mit dem werkstattgleichen Grabstein nr. 303 übereinstimmen, darf als ursprüngliche Gesamthöhe einschließlich dem unbearbeiteten (unterirdischen) Sockel 145 cm angesetzt werden.
  3. Gregorius Magnus, Moralium lib. XIV cap. 55, ed. Migne PL 75, Sp. 1075.
  4. Senkrecht gestellte offene Zange, Helmzier: 3 gestielte Blumen.
  5. Vgl. Klemm, Stadtkirche. Nachträge 18.

Nachweise

  1. Klemm, Stadtkirche. Nachträge 8–10.
  2. Ders., Aus alter Zeit, A: Geislingen, in: Beil. zum Alb- u. Filsthalboten Nr. 137 (1879 XI 15).
  3. Kdm Geislingen 43.
  4. Bischoff, Führer 10f. nr. 4.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 309 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0030900.