Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 264† Wiesensteig, Schloß 1555

Beschreibung

Bauinschrift auf die Grundsteinlegung und Vollendung des Schloßbaus durch Ulrich Graf von Helfenstein. 1812 wurde die Vierflügelanlage bis auf den Südflügel abgebrochen. Standort und Ausführung der Inschrift sind nicht bekannt.

Wortlaut nach Gabelkover1.

  1. O Gott ain Schöpfer aller DingJnn deinem Namen ich anfiengVffzubawen ain newes HausDa man zalte nach Ordnung außFünfzehnhundert fünfzig ainLeget ich den ersten StainVff den sibenzehenden MarcijJm Zeichen des Löwen wagts ich2) Vlrich Grave zu HelffenstainDer Baw kostet mich nit ain klainFreyherr zu GundelfingenVon newem vffzubringenDarum so hat es sich gelengtJm fünf vnd fünfzigsten Jar geendtO Gott laß dirs bevolhen seinBehüts nach dem Willen dein

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Die Inschrift thematisiert originellerweise nicht nur die Grundsteinlegung, sondern auch die Bauverzögerung wegen unerwarteter Schwierigkeiten – ein Teil des Schlosses stürzte noch während der Bauarbeiten ein und mußte neu errichtet werden – und der damit verbundenen hohen Kosten3. Die Anrufung Gottes, hier in den drei ersten und in den beiden letzten Versen, stellt ein für Hausinschriften, nicht unbedingt aber für reine Bauinschriften, typisches Element dar4. Der Bauherr des Neubaus5, Ulrich Graf von Helfenstein Freiherr zu Gundelfingen (1524–1570) führte 1555 zusammen mit seinem Bruder Sebastian die Reformation in der Herrschaft Wiesensteig ein, verfügte aber nach seiner Konversion 1567 die Rekatholisierung6.

Anmerkungen

  1. Zum Teil erhebliche Abweichungen bei Kerler und v. a. bei Burkhardt (wie Lit.). Da beide aber aus Gabelkover geschöpft haben, werden die Varianten hier nicht berücksichtigt.
  2. Die Angabe des Sternkreiszeichens harmoniert nicht mit dem Tagesdatum: Löwe im 18. Juli–17.August; vielleicht ein Überlieferungsfehler (Augusti statt Marcij?).
  3. Vgl. Der Kreis Göppingen 21985, 160 und Ziegler, Wiesensteig 77–98. Ein vom Schloß stammender Stein mit eingemeißelter Jahreszahl 1552 ist heute nebenan an der Apotheke eingemauert, vgl. Kdm Geislingen 200 und Ziegler, Wiesensteig 80, 96 Abb. 35. Bis zum Ende des Jahrhunderts erfuhr das Schloß noch einige bauliche Veränderungen, vgl. nrr. 368, 376. 1595 scheint die Schloßkapelle fertiggestellt worden zu sein. Beim Abbruch des Ostflügels des Schlosses 1812 fand man jedenfalls eine (inschriftliche?) „Weihenotiz der Schloßkapelle vom 20. Juli 1595“, vgl. Ziegler, Wiesensteig 85, vermutlich nach Rink, OAB Geislingen 1823, 73. Der Wortlaut dieser „Notiz“ ist m. W. nicht überliefert.
  4. Vgl. allg. zuletzt Joachim Widera, Möglichkeiten und Grenzen volkskundlicher Interpretation von Hausinschriften (Artes Populares 19), Frankfurt am Main (u. a.) 1990, bes. 58ff.
  5. Ein Stadtschloß ist in Wiesensteig 1453 erstmals bezeugt.
  6. Vgl. nr. 389 Anm. 4.

Nachweise

  1. Gabelkover, Grafen von Helfenstein (WLB, Cod. hist. F 393) p. 745f.
  2. Kerler 141.
  3. Burkhardt, 400 Jahre Helfensteinisches Stadtschloß in Wiesensteig, in: GMGU 13 (1952) 130 f., hier: 130.
  4. [Theodor Wurm], Chronik der Stadt Wiesensteig, Geislingen [1954] 18 (Übertragung in moderne Sprache).
  5. Franz Schmied, Wiesensteig. Lebensbild einer kleinen Stadt, Wiesensteig Esslingen 1961, 16 (teilweise).
  6. Ziegler, Wiesensteig 79.
  7. Schmitt, Burgenführer Schwäb. Alb 4, 29.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 264† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0026409.