Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 170 Boll, ev. Pfarrkirche (ehem. Stiftskirche St. Cyriakus) um 1500, 1531 (?)

Beschreibung

Totenschild (?) eines Heinrich (Risch) von Irrenberg, nachträglich umgeändert in eine Gedenktafel für den „Grafen Heinrich von Irrenberg“, Ehemann der Berta (von Boll). Innen an der Westwand des südlichen Seitenschiffs. Runde Holztafel, bemalt. Im Feld Vollwappen, Umschrift nur auf der oberen Hälfte des Rands umlaufend. Teile der Inschrift nachträglich übermalt bzw. neu hinzugefügt. Vermutlich restauriert1.

Maße: Dm. 54, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal in gotischer Majuskel, gotische Minuskel mit Frakturversalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. 〈· Graf ·〉 Hainricha) · von · ÿrrenbergb) 〈fro berchten Der · Aein · Man · (et)c(etera)c)

Wappen:
Risch von Irrenberg2.

Kommentar

Die Nameninschrift in gleichmäßig ausgeführter Textura, großen Wortabständen, rot ausgezeichnetem Versal der gotischen Majuskel und paragraphförmig ausgezogenen Quadrangel-Worttrennern weist wie die Form von Wappenschild, Helm und Helmdecken in das ausgehende 15. bzw. beginnende 16. Jahrhundert. Die Zusätze sind in deutlich gedrängteren, schon an die Fraktur erinnernden Schriftzügen ausgeführt, zudem mit (schwarzen) Frakturversalien und – nicht konsequent – mit einfachen Quadrangeln als Worttrenner versehen. Diese Schrift ist eindeutig von derselben Hand, die 1531 den größeren „Totenschild“ für einen Grafen von Ravenstein, ebenfalls einen Ehemann der Berta von Boll, beschriftet und vermutlich auch bemalt hat3. Besonders charakteristisch sind die übereinstimmenden Formen von a, Bogen-r, D-Versal und (etc.)-Kürzel. Es scheint fast so, als ob man erst zu diesem Zeitpunkt den Heinrich von Irrenberg, von dem sich zufällig eine Wappentafel (Totenschild?) in der Boller Kirche befand, durch diesen Zusatz zum Grafen „erhoben“ und gleichzeitig zum Ehemann der Berta von Boll erklärt habe. Die ursprüngliche Inschrift hat vermutlich noch einen – bei der Umarbeitung getilgten – Sterbevermerk enthalten. Aus Symmetriegründen ist zumindest noch das Todesjahr oben rechts anzunehmen, vielleicht lief die Inschrift aber auch auf dem gesamten Rand um.

Eine Niederadelsfamilie, die sich nach Irrenberg (Weiler in Geigelbach, Gde. Ebersbach-Musbach, LKr. Ravensburg) nannte, wird urkundlich zwischen 1244 und 1309 erwähnt4, ihr Wappen ist m. W. nicht bekannt. Ein Zusammenhang mit dem Heinrich des Boller Totenschildes läßt sich nicht nachweisen. Er gehörte vielmehr nach Ausweis des Wappens der ursprünglich teckschen, dann helfensteinischen Ministerialenfamilie der Risch von Irrenberg an, die um Boll Güterbesitz hatten5. Ob Heinrich in der Stiftskirche begraben ist oder ob der Schild lediglich an ihn als Wohltäter der Kirche erinnern soll, läßt sich nicht mehr klären. Die Tafel war ihrerseits wohl bereits die Kopie eines älteren Denkmals aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, denn der letzte Heinrich Risch, der urkundlich nachweisbar ist, scheint letztmals 1350 auf6, die Familie scheint mit Ulrich Risch gen. Wartmann (urk. 1392, 1394 †) erloschen zu sein.

Textkritischer Apparat

  1. Versal rot ausgezeichnet.
  2. Zweites r als eckig gebrochenes, zu zwei übereck untereinandergesetzten Schrägbalken umgeformtes Bogen-r, daher gelegentlich Fehllesung yrzenberg (so Kettenmann 50).
  3. c der gotischen Minuskel mit an den Balken angehängtem Suspensionskürzungszeichen: Schleife mit s-förmigem, zum Schwellzug verstärktem Abschwung.

Anmerkungen

  1. Außerdem sind zwei wohl gleichzeitig angefertigte, fast gleich große runde Tafeln (Dm. 52 cm) erhalten, die dasselbe Wappen, jedoch ohne Oberwappen zeigen und keine Inschriften tragen.
  2. Dreimal silber-rot geteilt; Helmzier: 2 Büffelhörner in den Schildfarben. Vgl. Alberti 378f.
  3. Nr. 230; zum historischen Hintergrund vgl. dort.
  4. LdBW VII 653.
  5. Alberti 378f.
  6. HStAS, A 602 U. 8369 (Febr. 10, mit Wappensiegel) und U. 12154 (April 19); vgl. Württ. Regesten Nrr. 8369, 12154. Hilfreiche Auskünfte zur Genealogie der Adelsfamilie verdanke ich Herrn Eckhard Christof, Boll.

Nachweise

  1. Bauhinus 25.
  2. Gabelkover (WLB, Cod. hist. F 22) fol. 83v.
  3. Kdm Göppingen 74.
  4. Illig, Geschichte von Göppingen u. Umgebung I 66.
  5. Mayer, Ortsgeschichte von Boll 58.
  6. Kirschmer/Ziegler, Faurndau 27 (Abb.).
  7. Bühler, Zur Geschichte der frühen Staufer, nach 32 Abb. 6.
  8. Schäfer, Romanische Kirche 83 (m. Abb.).
  9. Boll. Dorf und Bad 230.
  10. Kettenmann, Sagen 49f., Abb. 11.
  11. Rapp 8.

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 170 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0017002.