Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 164 Göppingen, ev. Oberhofenkirche 1500

Beschreibung

Grabplatte der Witwe Anastasia von Wernau geborene von Riedheim. Innen an der Ostwand der Zillenhartkapelle, erster Stein von links. Außen durch eine Ritzlinie gerahmte Umschrift, im wannenförmig eingetieften Mittelfeld Relief der Verstorbenen in Witwentracht, liegend mit übereinandergelegten Händen, zu ihren Füßen drei Wappenschilde, die beiden (heraldisch) rechten linksgewendet. Gelber (?) Sandstein, mit Abtretungsspuren, in der unteren Hälfte stellenweise erheblich bestoßen, der untere linke Rand mit völligem Schriftverlust weggebrochen und mit Zementmörtel ergänzt.

Maße: H. 183, B. 85, Bu. 6,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien aus einem Mischalphabet.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. An(n)o · dom(in)i · Mccccc / · am · afftrmentag · Nacha) · dem palmtag · Starb · die · / Edel · frov · anastasia · / [v]ọn · Ẉ[. . . . . . . . . . . . .]b) · vo(n) rietham · vitve · der sel · got ge(n)e(dig) SIc)

Datum: Dienstag, 14. April.

Wappen:
Eckmannshofen1, Riedheim2, Wernau.

Kommentar

Die Schrift ist nicht sehr gleichmäßig ausgeführt, gelegentlich fehlt die Worttrennung (durch Quadrangeln auf halber Zeilenhöhe). Der Oberbogen des a ragt stets in den Oberlängenbereich hinein. Auffällig ist das h, dessen Bogen die obere Mittellinie nicht erreicht, dafür aber weit unter die Grundlinie verlängert ist. Die qudrangelförmige Fahne des r läuft unten bisweilen in eine eingerollte Zierlinie aus. t hat keine Oberlänge, der Balken sitzt tief und durchschneidet die Haste nicht nach links. Die Versalien greifen teils Elemente der gotischen Majuskel, teils Formen der (frühhumanistischen) Kapitalis auf. Ihre charakteristischen Ausformungen ermöglichen eine Zuweisung der Grabplatte an dieselbe Werkstatt, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein Grabdenkmal in Oppenweiler und eine Abtsgrabplatte in Murrhardt sowie 1513 ein Grabmal in Stuttgart-Stammheim gefertigt hat3.

Die bisherigen Versuche, die Verstorbene zu identifizieren, sind wenig befriedigend. Zuletzt wollte man in ihr eine Tochter des Jörg von Riedheim sehen, die in erster Ehe mit Heinrich von Wernau und in zweiter Ehe dann angeblich mit dem Ritter Konrad von Zillenhart zu Lauingen verheiratet gewesen sei. Das rechte Wappen müsse demnach „das Zillenhartsche gewesen sein“4. Nun ist dieses Wappen aber trotz Beschädigung noch eindeutig als das der Herren von Eckmannshofen (Gde. Thalmässing, LKr. Roth/MFr.) zu erkennen. Da somit weder der Name noch das Wappen der Zillenhart auf dem Grabmal erscheint, ist m. E. eine Heiratsverbindung der Verstorbenen mit einem Glied dieser Familie ausgeschlossen. Vielmehr deutet die Wappenkombination darauf hin, daß Anastasia von Riedheim in erster Ehe mit einem von Eckmannshofen und erst in zweiter Ehe mit einem von Wernau verheiratet war. Wir gehen kaum fehl, wenn wir in ihr die Mutter der Amalia von Eckmannshofen sehen, der Ehefrau Jörg von Zillenharts († 1506), deren Wappen auf Jörgs Grabdenkmal (nr. 183) und auf dem vom Ehepaar gestifteten Herrschaftsgestühl5 in der Oberhofenkirche angebracht ist. Die Riedheimerin wird sich nach dem Tod ihres zweiten Mannes zu ihrer Tochter aus erster Ehe nach Göppingen zurückgezogen haben, Tochter und Schwiegersohn waren sicherlich die Auftraggeber für die Grabplatte.

Textkritischer Apparat

  1. N retrograd; zunächst versehentlich als H ausgeführt, wie der stehengebliebene Mittelbalken noch erkennen läßt.
  2. Nur noch eine linke Schräghaste zu erkennen, demnach ein kapitales V oder W. Zu ergänzen ist – nach dem zur Verfügung stehenden Platz – vermutlich: W[erdnov · geborn] ·
  3. Beide Buchstaben als Majuskeln.

Anmerkungen

  1. Angewinkeltes Pferdebein. Zur Familie vgl. Albert Gaier, Göppinger Freihof und die Ritter von Zillenhart. Vor 100 Jahren wurde die Urzelle der Siedlung Göppingen abgerissen, in: Alt-Württemberg 17 (1971) Nr. 4; ders.; Zillenhart III/38f.
  2. Schreitender Esel. Gewöhnlich ist der Esel steigend dargestellt.
  3. Vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nrr. 86, 99 und ebd. Einl. XLVII. Die Platte für Christophora von Stammheim mit ähnlicher Darstellung wie die Göppinger, aber in primitiverer Ausführung. Schrift und Wappenformen machen die Entstehung in derselben Werkstatt wahrscheinlich.
  4. Plieninger, Stadtschreiber 76f.
  5. Vgl. nr. 153 Anm. 3. Dort auch die Helmzier: gestulpter Hut mit rechts und links in den Stulp gesteckten gestielten Rosen (bzw. rosenbesteckten Stangen).

Nachweise

  1. Kdm Göppingen 39, 43 Abb. 31.
  2. Albert Gaier, Ein Grabstein in der Göppinger Oberhofenkirche. Für Anastasia von Rietheim, die Schwiegermutter von Conrat von Zillenhart, in: Heimatgeschichtl. Bll. 1979, 1.
  3. Plieninger, Stadtschreiber 76f. Nr. 12, 79 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 164 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0016404.