Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 121 Göppingen, ev. Oberhofenkirche um 1490

Beschreibung

Wandmalerei mit Gründungsinschrift. Innen an der Westwand der südlichen Eingangshalle. Durch das Netzrippengewölbe in zwei Spitzbogenfelder geteiltes Bild: in einem ummauerten Friedhof, der als solcher durch einige liegende Kreuzgrabplatten gekennzeichnet ist, zwei kniende Stifterinnen, die ein großes Kirchenmodell halten, rechts im Hintergrund eine Burganlage, höchstwahrscheinlich die Hohenstaufenburg; rechts neben dem Bild schließt sich auf einer vor der Nordwestecke des Raumes schräg vortretenden Wandfläche eine schmale hochrechteckige gerahmte Schriftfläche mit aufgemalter 11- oder 12zeiliger Inschrift an, Schrift schwarz auf weiß1. Nur die Zeilen 3 bis 6 und Teile der ersten Zeile einwandfrei zu lesen, die in den Zeilen 7 und 8 bei der Aufdeckung und Konservierung 1938 offenbar nicht immer sachgemäß nachgezogenen Buchstaben ergeben keinen Sinn; die letzten drei oder vier Zeilen fast ganz vergangen.

Maße: H. (Gesamt) ca. 255, B. 321, H. (Schriftfeld) 102, B. 34, Bu. 5,5–6,0 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Anno do/ṃịṇịa) hu(n)dertb) / drissig vnd / acht iar ha/bent dise zw(ei) / geschwest(er)n / ṿḍc̣ḥ ṿ[.]ḍ / Aḍ[. . . .]s / [. . ./. . .]ṣes / Ṣ[ti]ff[t . . . . ./ . . .

Kommentar

Dargestellt ist die sagenhafte Gründung der Oberhofenkirche durch zwei Edelfräulein. Die in einem Bericht der Göppinger Stiftsverwaltung von 1679 erstmals schriftlich überlieferte Oberhofenlegende2 erwähnt freilich drei nicht namentlich genannte Jungfrauen, die im Wald „Hohenfürst“ ein Schloß bewohnt und bei Göppingen drei Höfe besessen hätten, von denen einer als Bauplatz für die spätere Pfarrkirche verwendet worden sei. Die Grabsteine der drei Stifterinnen befanden sich dem Bericht zufolge angeblich 1679 noch in der Kirche. Nach den Befunden der Grabungen 1980/81 stammt der früheste Kirchenbau aus der Mitte des 7. Jahrhunderts (Martinspatrozinium 1366 belegt), Nachfolgerbauten aus dem 8./9. Jahrhundert, dem 9./10. Jahrhundert und dem frühen 13. Jahrhundert3. Welche Jahreszahl in der Inschrift als Gründungsdatum gemeint ist, ist unklar, vermutlich aber 11384.

Die südliche Eingangshalle ist laut der aufgemalten Jahreszahl über dem sich zum Schiff hin öffnenden Bogen 1490 fertiggestellt worden. Um diese Zeit wird auch das Wandgemälde entstanden sein.

Textkritischer Apparat

  1. do-Ligatur wahrscheinlich nicht ursprünglich.
  2. Das Ende der ersten und die erste Hälfte der zweiten Zeile scheinen durch unsachgemäße Restaurierung beeinträchtigt. Auffällig ist das Fehlen des Wortabstands vor hu(n)dert, der sonst in der Inschrift konsequent durchgehalten ist. Zieht man in Erwägung, daß beim Nachziehen der Schrift vor hu(n)dert eine Haste zu viel eingefügt wurde, wäre die ursprüngliche Lesung Anno dv/sent hu(n)dert denkbar.

Anmerkungen

  1. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 109 spricht fälschlich von einer „in Stein gehauene(n) Inschrift“.
  2. Vgl. Illig, Geschichte von Göppingen u. Umgebung I 37–39; Kettenmann, Sagen 82.
  3. Vgl. Hartmut Schäfer, Die archäologischen Untersuchungen in der Oberhofenkirche Göppingen, in: Oberhofenkirche Göppingen. FS zur Wiedereinweihung am 11. Dez. 1983, 30–42.
  4. Vgl. Anm. b. Plieninger, Stadtschreiber 72 liest: do / M IIII hu(n)dert und löst die Jahreszahl als 1438 auf. Eine derartige Schreibweise für Zahlen wäre aber äußerst ungewöhnlich.

Nachweise

  1. Kirschmer, Geschichte der Stadt Göppingen I 66 (Abb.).
  2. Akermann, Göppingen 26 (Abb.).
  3. Hans-Martin Maurer, Der Hohenstaufen. Geschichte der Stammburg eines Kaiserhauses, Stuttgart Aalen 1977, Abb. 21.
  4. Hummel, Wandmalereien Kr. Göppingen 109f., Abb. 34.
  5. Ziegler, Rund um den Hohenstaufen 108 Abb. 80.
  6. Kettenmann, Sagen 89 (Abb.).
  7. Reyle, Oberhofenkirche 2, 16 (Abb.).
  8. Plieninger, Stadtschreiber 72–74 Nr. 11 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 121 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0012109.