Die Inschriften des Landkreises Göppingen

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 41: Göppingen (1996)

Nr. 4† Boll, Stiftskirche (jetzt ev. Pfarrkirche) St. Cyriakus E. 12./ A. 13. Jh. (?)

Beschreibung

Weiheinschrift auf einem Stein „in der tröst Cammer“ (Sakristei?)1.

Wortlaut nach Gabelkover.

Schriftart(en): Schrift vermutlich gotische Majuskel2.

  1. + . SCEa) IIb) K(ALENDAS)c) AVG(VSTI)d) DEDICATUM EST HOC TEMPLUM IN HONOREM DOMINI NOSTRI JHESUe) CHRISTI ET SANCTAE MARIAE

Übersetzung:

(…) am Tag vor den Kalenden des August (31. Juli) ist diese Kirche geweiht worden zur Ehre unseres Herrn Jesu Christi und der hl. Maria.

Kommentar

Das Formular – Datierung nach römischem Kalender, Wortwahl und Satzstellung (Subjekt hinter dem Prädikat) – weist auf eine Entstehungszeit der Inschrift im 11. bis 13., allenfalls noch im 14. Jahrhundert3. Dazu paßt die Ausführung in Majuskelinschrift. Bei Grabungen 1951 stieß man auf Baureste aus der Zeit um 1100. Nach der Umwandlung zur Stiftskirche durch eine Gräfin Berta, vielleicht eine Schwester König Konrads III., etwa 1135/424 wurde um 1200 die Kirche als dreischiffige flachbedeckte Pfeilerbasilika neu errichtet. Die Weiheinschrift könnte mit diesem Neubau in Zusammenhang stehen5. Das Cyriakus-Patrozinium ist 1286 erstmals bezeugt6. Die Tatsache, daß der hl. Cyriakus in der Weiheinschrift noch nicht erwähnt ist und die Kirche Christus und Maria dediziert wird, könnte ebenfalls auf eine Entstehung der Inschrift noch im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert hindeuten7.

Textkritischer Apparat

  1. Bedeutung unklar; dieser Beginn der Inschrift nur bei Gabelkover (J1 Nr. 136 I). Wie groß die nach dem Kreuz durch den Punkt markierte Lücke war und ob hier eventuell die Jahreszahl stand, läßt sich nicht entscheiden.
  2. II Kdm Göppingen, richtig emendiert aus: 11. Bauhinus; om. Gabelkover (J1 Nr. 136 I); 2 Gabelkover (Cod. hist. F 22).
  3. Kürzung durch Doppelpunkt (Gabelkover, J1 Nr. 136 I); kl. Gabelkover (Cod. hist. F 22); Cal. Kdm Göppingen; Calend. Bauhinus.
  4. AVE Gabelkover (J1 Nr. 136 I); Aug. Gabelkover (Cod. hist. F 22), Bauhinus; August. Kdm Göppingen.
  5. Gabelkover (J1 Nr. 136 I); Jesu Gabelkover (Cod. hist. F 22), Bauhinus, Kdm Göppingen.

Anmerkungen

  1. So Gabelkover (J1 Nr. 136 I). Nach Kdm Göppingen 72 unter Berufung auf einen nicht näher bezeichneten „Bericht aus dem späten 16. Jahrhundert“ befand sich der Stein „am Tor“. Die Quelle ist vermutlich Bauhinus, der den Stein als neben der Kirchtür befindlich erwähnt.
  2. Der Beginn der Inschrift, der offenbar nicht mehr eindeutig lesbar war, ist bei Gabelkover (J1 Nr. 136 I) in Majuskeln wiedergegeben, auch die Verwechslung von G und (unzialem) E (vgl. Anm. d). spricht für eine Ausführung in Majuskelschrift. Nach Bauhinus, New Badbuch 24 war die Inschrift „nicht mit Lateinischen, sondern die dem alten Gothischen Buchstaben gleich gesehen, darein gehawen“.
  3. Parallelbeispiele finden sich besonders häufig in der 2. Hälfte des 11. und im 12. Jahrhundert. Die Datierung ist freilich in der Regel ausführlicher, die Jahreszahl fehlt nur selten (2 Beispiele in Derendorf und Haan: Kraus II nrr. 626 und 632), sehr oft wird auch der Konsekrator genannt. Reiches Vergleichsmaterial bei Funken, Bauinschriften 69–163.
  4. Walter Ziegler in: Der Kreis Göppingen 21985, 94. Zu Berta von Boll, vgl. nrr. 170, 230.
  5. Zur Baugeschichte vgl. Dehio Baden-Württemberg I, 91; Kdm Göppingen 72.
  6. LdBW III 283.
  7. Dies widerspräche allerdings der These, daß sich an der Stelle der Stiftskirche bereits eine Benediktinerniederlassung befunden habe, die wie das 861 gegründete Kloster in Wiesensteig Cyriakus zum Patron hatte (so W. Ziegler, wie Anm. 4, und Rapp 3). Während die kopiale Überlieferung den Anfang der Inschrift möglicherweise unvollständig wiedergibt, gibt es für Fehlstellen am Ende – also etwa eine verkürzte Patroziniumsliste – keine Anhaltspunkte.

Nachweise

  1. Gabelkover (HStAS, J1 Nr. 136 I), Mappe Göppingen, fol. 66r.
  2. Ders. (WLB, Cod. hist. F 22) fol. 83v.
  3. Bauhinus, New Badbuch 24.
  4. Kdm Göppingen 72.
  5. Boll. Dorf und Bad 45 (nach Bauhinus).

Zitierhinweis:
DI 41, Göppingen, Nr. 4† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di041h012k0000403.