Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 14 Hirsau, Klosterkirche St. Peter und Paul, Lapidarium 1300

Beschreibung

Grabplatte des Abtes Gottfried. Nordwand, 11. Stein von links; früher im Chor1. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein. Im Mittelfeld oben erhabener Ring mit erhabener Querzeile in der Mitte, beide beschriftet (A). Umlaufende Inschrift zwischen eingeritzten Linien (B). Unterhalb der Mitte Bruchlinie von links oben nach rechts unten; Verwitterungsschäden.

Maße: H. 209, B. 84, Bu. 6 (A), 4 (B) cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. A

    + AN(N)O · D(OMI)NI / + MCC · IX · C · VIIII · + VI · K(A)L(ENDAS) · MARC(II) · a)

  2. B

    + O(BIIT) · GOTTFRID(VS) / · ABB(AS) · IACET · HIC · QI(V)b) · [F]RAVDE · CARE/(N)S · VAS · MAN/SIT · DVM · VIXIT · XP[S]c) · SIBI · P[RO]PICIVS · SIT

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1300 an den 6. Kalenden des März (Februar 24) starb der Abt Gottfried. Hier ist er begraben, der ein Mensch ohne Trug blieb, solange er lebte. Möge Christus ihm gnädig sein.

Kommentar

Die Schrift ist eine Kapitalis ohne unziale Buchstaben. A hat Deckbalken und gebrochenen Querbalken, nur Sporen und Schwellungen an den Hastenenden verraten die Tendenz zur gotischen Majuskel.

Abt Gottfried von Münchingen wurde 1293 zum Abt gewählt. Der Codex Hirsaugiensis charakterisiert ihn als ‚reparator et conservator diligentissimus‘ der zerstreuten und entfremdeten Güter des Klosters, ‚mediocriter literis eruditus, moribus contentus avitis‘2. Dieses Urteil klingt offenbar auch in der Formulierung QVI FRAUDE CARENS VAS MANSIT DUM VIXIT an, die für eine Grabschrift atypisch erscheinen muß3. Auch die Formel CHRISTUS SIBI PROPICIVS SIT ist selten4. IACET HIC – DVM VIXIT ist ein Hexameter.

Ungewöhnlich wie das Formular ist auch die Anordnung der Schrift auf dem Inschriftträger. Die Beschriftung des erhabenen Ringes im Mittelfeld muß als Beginn gelesen werden, ihr schließt sich die Umschrift an. Zu Unsicherheiten in der Datierung hat die Schreibung der Jahreszahl geführt; der Steinmetz hat offensichtlich einen Fehler (Verlesung seiner Vorlage?) dadurch korrigiert, daß er das dritte C dem irrtümlich gemeißelten IX nachstellte und durch zusätzliches Einschlagen der VIIII die richtige Zahl 1300 wiederherstellte5.

Textkritischer Apparat

  1. Das dritte C durch zwei senkrechte Striche von den rechts bzw. links stehenden Zahlen abgehoben.
  2. Lies: QVI; I als Enklave in Q, V heute zerstört.
  3. = CHRISTUS.

Anmerkungen

  1. Parsimonius fol. 124v: ‚lapis e regione suggesti positus est versus chorum‘.
  2. Codex Hirsaugiensis fol. 12v. – Hier auch das Todesjahr des Abtes mit 1300, die Zahl seiner Regierungsjahre mit 7 belegt. – Vgl. auch Schreiner, Benediktinerkonvente S. 143.
  3. Vgl. aber Theodulfi Carmina 28, 327 p. 502: ‚Nolo dolo reri vel acerba fraude carere‘.
  4. Vgl. aber CIFM II p. 117 (verlorenes Epitaph eines Kanonikers aus Limoges aus dem Jahr 1251): ‚spiritus in caelo sit propitio sibi Christo‘.
  5. So schon Klemm, in: Bes. lit. Beilage Staatsanzeiger (1881) S. 234f. – Anders die Überlieferung bei Parsimonius, der 1299 liest (wie Anm. 1). Parsimonius scheint an der Deutung selbst Zweifel gehabt zu haben, denn er gibt eine Nachzeichnung der Datierung im Ring und Querbalken.

Nachweise

  1. Parsimonius fol. 124v.
  2. Klemm 1881, S. 234f.
  3. Crusius, Annales Suevici Lib. III partis III p. 189.
  4. Bach, Grabdenkmale S. 120.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 14 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0001400.