Inschriftenkatalog: Stadt Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 33: Stadt Jena (1992)

Nr. 97† Stadtkirche St. Michaelis 1576

Beschreibung

Epitaph des Wolfgang und der Catharina Druckscherf; im oberen Teil Gemälde der Kreuzigung, darunter Erhöhung der ehernen Schlange und Vernichtung der Horde Korah.1) Im 17. Jh. an einem der südlichen Pfeiler.2) – Iss. auf der Kreuzigungsdarstellung (A) und unter den Gemälden (B).

Nach Beier.

  1. A

    Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?a)

  2. Bb)

    Hic stirps Wolfgangi Druckscherfii mun(us) adornans,p(er)solvit tumulis utriusq(ue) parentis honorem:Vir pius et prudens, et iust(us) et artibus aequus,Musarum et patriae fuit officiosus in urbem,Ipse parens, iuncto viginti explevit is orbesconnubio, patriae cives, rectoq(ue) patronoscultoresq(ue) DEo, doctisq(ue) reliq(ui)t amicos.Lustrum annosq(ue) duos bene condidit inde Senatorconsiliis felix. duo lustra est funct(us) et annumconsulis officio. Vigesima Februa vitamadde dies geminos lux finiit, egit ut aetasquinquaginta annos nati cum tempore Christiquatuor adiunctis. p(rae)stans virtutibus uxoraucta quater natis, Catharina, semelq(ue) puellafermè exegit idem spatium: clausitq(ue) decembriannum p(rae)teritum, duodenos noctis ad ortusmensi utriusq(ue) potens: Membris dat Jena q(ui)ete(m)donec sum(m)a dies sanctos in honore locabit

    1576. P(aulus) D(idymus)c)

Übersetzung:

Die Familie des Wolfgang Druckscherf stattete dieses Denkmal aus und erwies damit den Gräbern beider Eltern Ehre. Der Vater selbst, ein frommer und kluger Mann, gerecht und den Künsten wohlgesonnen, war diensteifrig tätig für die Heimat- und Musenstadt. Nach seiner Eheschließung erlebte er noch 20 Jahresläufe, er hinterließ uns, (seine Kinder), der Heimat als Bürger, dem Gerechten als Schützer, Gott als treue Verehrer und den als Freunde. Ein Jahrfünft und zwei Jahre verbrachte er als Ratsherr, erfolgreich in seinen Beschlüssen. Zwei Jahrfünfte und ein Jahr hindurch hat er das Amt des Bürgermeisters verwaltet. Am 20. Februar – und füge zwei Tage hinzu – beendete er sein Leben, so daß sein Alter auf 50 Jahre kam; wozu noch vier hinzuzuzählen sind, um das Jahr nach Christi Geburt (zu erhalten). Seine Gattin Catharina, an Tugenden glänzend und Mutter von vier Söhnen und einer Tochter, hat fast genauso lange gelebt, und beider Herr, (Gott), beendete für sie das vergangene Jahr mit dem Monat Dezember, und zwar nur noch zu zwölf Aufgängen der Nacht. Jena gibt den Gebeinen Ruhe, bis der letzte Tag sie mit Ehre unter die Heiligen setzen wird. – 1576. Paul Didymus.

Kommentar

Wolfgang Druckscherf,3) Sohn des Claus Druckscherf, stammte aus einer der reichsten4) Familien Jenas, die mehrere Generationen hindurch Bürgermeister stellte. Die Urkunden nennen ihn zwischen 1533/54. Das Grabgedicht gibt einen Abriß seines Lebensweges, wobei der Dichter nur mit Mühe Zahlen und Datierungen dem Metrum anzupassen vermochte. Druckscherf starb im Alter von 50 Jahren, das Todesjahr (+ 4) ist 1554. Todestag war der 22. Februar. Er war zwanzig Jahre verheiratet (Hochzeit also 1534), sieben Jahre (1536–1542/43) Ratsherr und elf Jahre Bürgermeister (1542/43–1554).5) Seine Witwe Catharina muß am 12. Dezember 1575 gestorben sein.6) Genannt werden außerdem zwei Söhne, Martin und Johann, und eine Tochter Catharina.7) Das Grabgedicht dichtete der zwischen 1573/76 in Jena als Prof. poes. et phil. wirkende Paul Didymus.8)

Textkritischer Apparat

  1. Rm 7,21.
  2. 18 Hexameter.
  3. Vgl. Beier, q. 15, 581: „ultimae hae duae literulae P.D. indicant poetam huius epicedii, nimirum Paulum Didymum, Torgiâ-Misnicum.

Anmerkungen

  1. Beier, q. 15, 581 „videtur hac in tabula depictus serpens aeneus palo allipatus (vgl. Nm 21,6–9) et non procul secta Corae ab infernali Styge absorpta (vgl. Nm 16,20–35); ulterius in cruce dependens θεάνθρωπος, et arbor porrigens schedulam, cui inscripta leguntur (A).“
  2. Ebd. (in meridionalibus columnis, versus templi gremium).
  3. Wolfgang Druckscherf (vgl. Apel 1937, 58) steht 1547 nach dem Wert des Grundbesitzes (970 Alte Schock) an 10. Stelle; 1535/36 Brückenmeister und Baumeister des Rates.
  4. Sowohl der Vater Claus (erwähnt zwischen 1495/1529) als auch der Bruder Christoph (vgl. Nr. 95) waren Bürgermeister in Jena.
  5. Er wird 1542/47 als solcher genannt und am 5. September 1551 als regierender Bürgermeister bestätigt.
  6. Catharina (vgl. Apel 1937, 58), die Schwester des Bürgermeisters Hans Zirold (vgl. Ebd. 294), wird bis 1572 genannt, 1578 als verstorben bezeichnet.
  7. Zu Johann (erwähnt zwischen 1566/78) und Martin (seit 1570, gestorben 1607) vgl. Ebd. 58. Catharina heiratete Vergilius Pingitzer, s. Nr. 187.
  8. Beier, q. 15, 581. Paul Didymus (Zwilling), geboren 6. November 1547 in Torgau; stud., 1572 Mag. phil. Wittenberg; 1573 Prof. poes. et phil. Jena; 1576 zurück nach Torgau, dort gestorben 6. November 1581.

Nachweise

  1. Beier, q. 15, 580–581.
  2. Koch 1931a, 86.
  3. Vgl. Beier 1681, 278.

Zitierhinweis:
DI 33, Stadt Jena, Nr. 97† (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005k0009706.