Inschriftenkatalog: Stadt Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 33: Stadt Jena (1992)

Nr. 91† Stadtkirche St. Michaelis 1574

Beschreibung

Epitaph des Lorenz Hiel. Auf der Tafel war die Erweckung des Jünglings von Nain dargestellt;1) bis 1871/75 an einem der südlichen Pfeiler.2)

Nach Beier.

  1. Clarissimus atque integerrimus Vir, D(octor) Laurenti(us) Hiel, Artis medicinae doctor celeberrimus obiit m(ense) (Septem)br(i) peste A(nno) C(hristi) 1566.a)

    Luxit ut Alcides iteratis vocibus Hylam:Sic obitum lugent Teutones, Hyle, tuum.Obstipuit Latium te mortua membra secundè,sensit et artificem Gallia docta manum.Signantemq(ue) herbas, viresq(ue) ex arte notante(m)mirantur toto quotquot in orbe viri.Soli utinam vivo parsissent Numina! Sed q(ui)sinvideat, quod te nunc paradis(us) habet?b)

    A(nno) C(hristi) 1574. F.IL.c)

Übersetzung:

Der hochberühmte und unbescholtene Mann Doktor Lorenz Hiel, weithin bekannter Doktor der Medizin, starb an der Pest im Monat September im Jahre Christi 1566. – Wie der Alcide (= Herakles) unter fortwährenden Rufen Hylas beweinte, so beweinen die Deutschen deinen Tod, Hiel! Es bestaunte dich Latium (= Italien), an toten Gliedern erfolgreich (sezierend), und das gelehrte Gallien (= Frankreich) bemerkte deine kunstreiche Hand. Und wie du die Pflanzen bezeichnetest und wissenschaftlich ihre Kräfte feststelltest, dafür bewundern dich viele Menschen auf der ganzen Welt. Wenn nur die göttliche Macht diesen einzigen Lebenden verschont hätte! Aber wer würde es neiden, daß jetzt das Paradies dir Wohnstatt gibt? – Im Jahre Christi 1574.

Kommentar

Lorenz Hiel,3) Schwager des Prof. med. Johann von Schröter,4) verdankte wohl auch dieser Beziehung seine Berufung an die Jenaer Universität. Er und seine ganze Familie starben im Pestjahr 1566.5) Der Dichter des Epigramms, dem sicher das ungedeutete Monograrnm F.IL. gehörte, bringt wegen der ähnlichen Lautung den Namen Hiel mit dem griechischen Jüngling Hylas in Verbindung, der ebenfalls jung sterben mußte.6) Das Gedicht würdigt Hiels Leistungen in der Anatomie, medizinischen Praxis und Pharmakologie.

Ein Gemälde ohne Beischrift im Besitz der Kirchgemeinde Jena, jetzt Magazin für kirchliches Kunstgut Apolda, das vor einer Darstellung der Auferstehung Christi einen Mann mit Sohn, ihm gegenüber seine Frau mit drei Töchtern zeigt, ist als Hiels Epitaph angesprochen worden.7) Diese Zuschreibung des von Peter Roddelstedt gemalten Bildes ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der Maler 1574 nicht mehr am Leben war.8) Eine andere als Hiel-Epitaph apostrophierte Tafel mit der Darstellung Christi vor den drei Marien9) ist nicht erhalten.

Textkritischer Apparat

  1. Zusatz Beiers?
  2. vier elegische Distichen.
  3. F. L. Koch; die Initialen sind nicht aufzulösen.

Anmerkungen

  1. Beier, q. 15, 582. „Hac in tabula historia de Resuscitatione Filii viduae in Naim ex mortuis ad vitam cernitur;“ vgl. Lc 7,11–17.
  2. Beier 1681, 278 (an MittagsPfeilern).
  3. Lorenz Hiel (vgl. Schneider 1954, 211; Giese/Hagen 1958, 78–79), geboren um 1532 in Wesel; stud. med. Jena; 1555 Bacc. med. Rostock; Peregrinatio (vgl. Is.); 1559 Prof. med., 1560 Dr. med. Jena; gestorben an der Pest 16. September 1566 in Jena.
  4. Seine Frau, Gertrud Schröter, war die Schwester des Prof. med.; zu diesem, vgl. Nr. 119.
  5. Zur Geschichte der Pestepidemie des Jahres 1566 vgl. Ludwig/Schubert 1971, 6–17, bes. 7 Anm. 1.
  6. Hylas war der jugendliche Freund des Herakles (als Nachkomme des Alkeus Alcide genannt) und sein Begleiter auf der Argonautenfahrt. Während einer Landung verläßt er das Schiff, um für Herakles Wasser zu schöpfen. Dabei wird er seiner Schönheit wegen von den Quellnymphen in die Flut gezogen (Ap. Rhod. 1, 1207–1357).
  7. Öl auf Holz, B. 99 cm, H. 86 cm; von Vorbrodt 1959, 104 ohne Kenntnis der Is. Peter Roddelstedt zugeschrieben, auf 1567/68 datiert und wegen der Ähnlichkeit des Dargestellten mit dem Professorenporträt der Jenaer Sammlung für Hiel in Anspruch genommen worden. Zu Peter Roddelstedt, vgl. Nr. 76.
  8. Außerdem ist nach Beier (Anm. 1) das Thema des Epitaphs nicht die Auferstehung Christi. Das Gemälde wird von Koch 1951, 52 demgegenüber für das Epitaph des Johann von Schröter gehalten, was aber nicht richtig sein kann (vgl. Nr. 120).
  9. Koch 1951, 52: „Die andere Tafel zeigt Christum vor den drei Marien und dem Volke, im Hintergrund eine Landschaft und Stadt; vorn knien der Verstorbene mit einem Söhnchen, gegenüber seine Frau. Das Bild trägt die Signierung F. L. 1574 und dürfte das Gedächtnis an ... Hiel festhalten“. Diese Tafel wird aber von Lehfeldt „um 1640(!), unter holländischem Einfluß“ datiert (BuKTh Jena, 102).

Nachweise

  1. Beier, q. 15, 582.
  2. Koch 1931a, 84.
  3. Vgl. Beier 1681, 278.
  4. Koch 1951, 52.
  5. Hallof 1987, 44 Abb. 2.

Zitierhinweis:
DI 33, Stadt Jena, Nr. 91† (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005k0009108.