Inschriftenkatalog: Stadt Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 33: Stadt Jena (1992)

Nr. 77 Stadtkirche St. Michaelis 1564

Beschreibung

Epitaph des Erhard Schnepf, im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffes, Nordwand; im 17. und 18. Jh. an der rechten Wand des Chores.1) Öl auf Holz; vor einer Darstellung der Taufe Christi kniet der Verstorbene mit vier Söhnen, gegenüber seine beiden Frauen mit zwei Töchtern. Restauriert 1977. – Is. (A) im unteren Drittel auf einem abgesetzten, weiß grundierten Schriftfeld, H. 29 cm, B. 108 cm, und Signatur auf dessen oberem Rand (B).

Maße: H.: 172 cm; B.: 108 cm; Bu.: 1,5 cm, in (B) 1 cm.Kapitalis, schwarz auf weißem Grund zwischen zwei vorgezeichneten Linien gemalt; unter (A) Spuren einer gleichlautenden Is. in kursiven Majuskeln, 1,6 cm hoch.

Kustodie, Friedrich-Schiller-Universität Jena (G. Schörlitz) [1/1]

  1. Aa)

    DOCTOR AD HANC CATHEDRAM·POST·FATA·SEPVLTVS·ERHARDVSGLORIA CHRISTIADVM SCHNEPFIVS OSSA TEGIT.PROXIMVS ELOQVIO, SIMILIS PIETATE LVTHERO,VT NEQVE LINGVARVM COGNITIONE MINOR.MAGNVS IN IMPERIJ, SYNODIS CONFESSOR, OPERTACVM FVIT HVMANA TRADITIONE FIDES.VIMPINA PASTOREM NEC NON STVTGARDIA VIDIT,

    HASSIACAM DOCVIT MARTIS IN VRBE SCHOLAMEXVL IN HAS TERRAS CVM VENIT AB VRBE TVBINGATECTA SENI FELIX HOSPITA IENA DEDIT.FELIX IENA NOVEM CVI PRAEFVIT ILLE PER ANNOSVOCE REGENS DOCTOR TEMPLA SIMVLQ(VE) SCHOLA(M).TRES VBI LVSTRIS BIS SENIS VIXERAT ANNOS,INTRAVIT SANCTVS CAELICA REGNA SENEX.

  2. B

    15 P(ETER) G(OTTLAND) 64

Übersetzung:

An dieser seiner Wirkungsstätte ist Dr. Erhard Schnepf, der Ruhm der Christenheit, nach seinem Tode begraben worden und birgt sein Gebein. Er kam Luther sehr nahe an Beredsamkeit, war ihm ähnlich an Frömmigkeit, wie er auch nicht geringer in der Beherrschung der Sprachen war. Er war auf den Reichssynoden ein großer Bekenner,2) sooft in der menschlichen Überlieferung der Glaube verdeckt worden war. Wimpfen und Stuttgart sahen ihn als Prediger, er unterrichtete an der hessischen Universität in Marburg. Als er als Flüchtling aus der Stadt Tübingen in diese Gefilde kam, gewährte das glückliche Jena dem Greis gastliches Obdach. Glückliches Jena, das er neun Jahre hindurch bestimmte, indem er als Doktor (der Theologie) mit seiner Stimme die Kirchen und zugleich auch die Universität leitete. Als er zu zweimal sechs Jahrfünften noch drei Jahre gelebt hatte, trat der fromme Greis ein in das himmlische Reich.

Kommentar

Erhard Schnepf3) war 1523 Prediger in Wimpfen und 1534/44 in Stuttgart; er unterrichtete als Prof. theol. 1527/34 in Marburg (urbs Martis) und 1544/48 in Tübingen. Am 22. Juli 1549 trat er die Professur für hebräische Sprache in Jena an; gleichzeitig war er Superintendent der Stadt.4) Er starb im Alter von 63 Jahren; sein Grabstein, s. Nr. 71. Der Maler des Epitaphs war der Cranach-Schüler Peter Roddelstedt.5) Es ist mit dem ebenfalls von Roddelstedt geschaffenen für Johann Stigel (Nr. 78) von der Universität 1564 bezahlt worden.6)

Textkritischer Apparat

  1. sieben elegische Distichen.

Anmerkungen

  1. Beier 1681, 276 (im Chor, zur rechten Seiten); vgl. Beier, q. 15, 570 (supra sedila principum seu comitum); Ende des 19. Jh. „seines schlechten Zustandes wegen augenblicklich im Pfarrhaus“ (BuKTh Jena, 101).
  2. Schnepf nahm am Reichstag 1529 in Speyer und 1530 in Augsburg teil.
  3. Vgl. zu Nr. 71.
  4. AD HANC CATHEDRAM bezeichnet sowohl den Lehrstuhl als auch den Sitz des Superintendenten Schnepf.
  5. Zu Peter Roddelstedt, vgl. Nr. 76.
  6. Beier, q. 15, 570: „Epitaphii huius nec non M. Joh. Stigelii tabulam, liberalibus Academiae Salanae sumptibus, A(nno) C(hristi) 1564 Kal(endis) Febr(uariis) positam fuisse, D. Johann Schröter sua testatur manu in libro Actorum Acad(emiae) Jen(ensis) ab A(nno) C(hristi) 1558, fol. 84. Verba ita sese habent: monumenta sumptibus Academiae reverendo viro D. Erhardo Schnepfio S(anctae) Theol(ogiae) Doctori, et cl(arissimo) viro Joanni Stigelio poetae celeberrimo in templo S(ancti) Michaelis posita sunt.“ – Der Liber Actorum ist nicht erhalten.

Nachweise

  1. Beier, q. 15, 569–570.
  2. Hartmann 1870, 130 (nur Z. 1–6).
  3. Hallof 1987, 33–34 und 46 Abb. 4.
  4. Vgl. Beier 1681, 276.
  5. BuKTh Jena, 1888, 101.
  6. Koch 1951, 52.
  7. Vorbrodt 1959, 98–104 Abb. 6 und 7.

Zitierhinweis:
DI 33, Stadt Jena, Nr. 77 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005k0007704.