Inschriftenkatalog: Stadt Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 33: Stadt Jena (1992)

Nr. 76 Magazin für kirchliches Kunstgut Apolda (1564)

Beschreibung

Epitaph des Antonius Musa; im 17. und 18. Jh. an einem der südlichen Pfeiler der Stadtkirche St. Michaelis;1) nach 1871/75 im Pfarrhaus ausgelagert;2) später zwischen dem ersten und zweiten Nordfenster des Langhauses;3) seit 1970 im Magazin [non vidimus]. Öl auf Holz; vor einer Darstellung der Auferstehung Christi kniet der Verstorbene mit einem Sohn, gegenüber seine Frau mit acht Töchtern. Droht völlig abzublättern. – Is. (A) im unteren Drittel auf einem abgesetzten, weiß grundierten Schriftfeld, H. 31 cm, B. 107 cm; auf der Kante des Sargdeckels die Signatur (B).

(A) nach Photo aus dem Jahre 1959, (B) nach Koch.

Maße: H.: 175 cm; B.: 107 cm; Bu.: 1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, schwarz auf weißem Grund gemalt; darunter Spuren einer gleichlautenden Is.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Renate Helfrich) [1/1]

  1. Aa)

    PRIMVS IN HAC CHRISTVM MONSTRANS ANTONIVS AEDECVI DEDIT AGNOMEN MVSAb) CELEBRE IACET.MVSA DEVM REFERENS ARGVTAE INDAGINE MENTISARTIFICI RESONANS CARMINE MVSA DEVM.PASTOR VBI IENAE DVODENOS PRAEFVIT ANNOSCOMMISSVM PATRIO FOVIT AMORE GREGEMSANAQ(VE) PROPONENS CAELESTIS PABVLA VITAE

    SALVIFICA DOCVIT CRESCERE CORDA FIDE.INTEGER EXEMPLIS VITAE QVAM VOCE SONABAT ·DOCTRINAM ORNABAT MORIBVS IPSE PIIS.SPIRITVS IN CAELIS HABITAT SED IN ORBE SVPERS⟨T⟩ESNOMEN APVD GRATOS FAMA PERE⟨NN⟩Ec) TENET.TALIA STOSSELIVS SOCERO SVCCESSOR IENAE CONSTITVIT GRATA SYMBOLA MENTE GENER.

  2. B

    [P(ETER) G(OTTLAND)]d)

Übersetzung:

Der erste, der in dieser Kirche Christus zeigte, Antonius, dem die Muse den feierlichen Zunamen gab, liegt hier begraben, Musa, der durch die Forschung seines scharfsinnigen Geistes Gott verkündete; eine Muse, die in kunstreichem Lied von Gott sang. Während er zwölf Jahre hindurch als Pfarrer Jena geleitet hat, behütete er die ihm anvertraute Herde mit väterlicher Liebe, und indem er die rechte Speise des himmlischen Lebens in Aussicht stellte, lehrte er die Herzen, in heilbringendem Glauben zu wachsen. Unverdorben in seiner Lebensführung, verlieh er selbst der Lehre, die er mit seiner Stimme verkündete, durch seine frommen Sitten Glanz. Sein Geist wohnt nun im Himmel, aber sein auf der Erde zurückgelassener Ruhm läßt bei Dankbaren seinen Namen ewig verbleiben. Mit dankbarem Sinn hat dieses Denkmal dem Schwiegervater sein Jenaer Amtsnachfolger und Schwiegersohn (Johann) Stössel gesetzt.

Kommentar

Nach der Absetzung des mit Karlstadt sympathisierenden Martin Reinhard im Oktober 15244) war Antonius Musa5) der zweite evangelische Pfarrer Jenas und der erste Superintendent der Stadt.6) Im Jahre 1535, nach zwölf Jahren Dienst, hat er seinen Abschied eingereicht, der im April 1536 gewährt wird.7) Trotzdem behält er Haus und Grundbesitz in Jena. Der mit Musas Tochter Anna verheiratete Johann Stössel,8) Jenas vierter evangelischer Pfarrer, ließ seinem in Rochlitz verstorbenen Schwiegervater das Epitaph anfertigen.9) Gemalt hat es Peter Gottland, genannt Roddelstedt.10) Es muß ohne größere zeitliche Differenz zu den beiden auf 1564 datierten Epitaphen Nr. 77 und 78 entstanden sein.11)

Textkritischer Apparat

  1. sieben elegische Distichen.
  2. Wortspiel: Musa = die Muse.
  3. aus PEREME korrigiert.
  4. Koch 1935, 16; auf dem Photo ist davon nichts zu erkennen.

Anmerkungen

  1. Beier, q. 15, 581 (in meridionalibus columnis, versus Gremium templi).
  2. BuKTh Jena, 101 (augenblicklich im Pfarrhaus).
  3. Vgl. Koch 1933, 16.
  4. Zu Martin Reinhards Wirken in Jena vgl. S. Hoyer, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 18, 1970, 1599–1605.
  5. Antonius Musa (vgl. Koch 1940, 174–183), geboren in Wiehe; 1506 stud. Wittenberg; um 1520 Prediger in Erfurt; 1524 Pfarrer in Jena; 1527 Superintendent in Jena; 1538 Superintendent in Rochlitz; 1544 Lic. theol. Leipzig; 1544 Superintendent in Merseburg; gestorben 22. August 1547(?) in Rochlitz.
  6. UB III, S. 283, Nr. 13 vom 13. August 1527; die Visitatoren empfehlen Musa für die Superintencia.
  7. UB III, S. 345, Nr. 19.
  8. Johann Stössel, geboren 23. Juni 1524 in Kitzingen/Würzburg; 1539 stud. Wittenberg; 1549 Mag. phil.; 1549 stud. Jena; 1554 Superintendent Heldburg; 1561 Assessor am Konsistorium Weimar; 1562 Prof. theol. Jena, zugleich Pfarrer; 1564 Dr. theol. Jena; Oberhofprediger Weimar; 1568 Flucht nach Kursachsen, Superintendent Mühlhausen; 1569 Superintendent Pirna; 1574 Gefangennahme als Kryptokalvinist; gestorben in der Gefangenschaft 18. März 1576 in Senftenberg.
  9. Vielleicht ist der bärtige Mann neben Musa als Stössel anzusprechen? Vgl. Vorbrodt 1959, 105.
  10. Peter Gottland, genannt Roddelstedt (vgl. Thieme-Becker 14, 422) gehört wohl schon der Schule des jüngeren Cranach an. Neben den Jenaer Gemälden (Nr. 76, 77, 78 und 91?), einem Epitaph in der Kirche zu Buttelstedt/b. Weimar und einem Tafelbild mit Gnadenstuhl und Stiftem, wohl um 1551 (Die Kunstdenkmale der Provinz Sachsen, 1 (Stadt Erfurt), 1929, 282 Nr. 75 und Abb. 224), im Dom zu Erfurt sind etwa zehn Kupferstiche und Holzschnitte von ihm bekannt; urkundlich erstmalig 1548/49 genannt, wird er 1553 als „Peter der Maler“ zum Hofmaler in Weimar bestellt; faßt 1557 das Große Ernestinische Staatswappen (Nr. 69) farbig; gestorben nach 1572.
  11. Vgl. Vorbrodt 1959, 105 und Koch 1933, 16.

Nachweise

  1. Beier, q. 15, 581.
  2. Koch 1933, 16.
  3. Koch 1940, 182.
  4. Vgl. Koch 1951, 52.
  5. Vorbrodt 1959, 104–105 m. Abb. 12 und 13.
  6. Hallof 1987, 45 Abb. 3.

Zitierhinweis:
DI 33, Stadt Jena, Nr. 76 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005k0007607.