Inschriftenkatalog: Stadt Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 33: Stadt Jena (1992)

Nr. 69 Collegium Jenense 1557

Beschreibung

Wappen an der Nordwestwand des Treppenturmes der ehem. Kollegienkirche; fünf Sandsteintafeln. Das Wappen flankiert von zwei keulentragenden Wappenhaltern, nach oben durch eine Platte mit Rollenwerk, seitlichen Halbfiguren und dem Kopf eines Abtes abgeschlossen, die wohl ursprünglich für andere Zwecke bestimmt war;1) darunter Rollenwerktafel, H. 145 cm, B. 250 cm, mit Is. (A), auf deren unterem Rand die Signatur (B). 1976 restauriert und nach den vorhandenen Spuren farbig gefaßt.

Maße: H.: 430 cm; B.: 250 cm; Bu.: 4,5 cm, in (B) 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, erhaben, golden auf braunem Grund; eingetieft und schwarz ausgelegt in (B).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Renate Helfrich) [1/2]

  1. Aa)

    CVM.DISTRACTA.SVO.BELLISQ(VE):OBNOXIA.FATO: ABDVCTVM.GEMERET.SAXONIS.ORA.DVCEM: TEMPLAQ(VE):LVGERENT.PLANTARIAQ(VE):ADDITA.TEMPLIS: INGENIIS.TRADVNT.QVAE.BONA.VERA.SCHOLAE: ILLE.FAVENS.STVDIIS.ET.HONESTIS.ARTIBVS.ABSENS: HIC.DEDIT.AONIIS.OTIA.GRATA.CHORIS: ORNARVNT.DECVS.HOC.SOBOLES.GENEROSA.PAR(EN)TIS: TRES.FRATRES.ANIMIS.ET.PIETATE.PARES: CHRISTE.TVI.COETVS.CVSTOS.ET.MAXIME.VINDEXDA.PACEM.STVDIIS.VT.CELEBRERE.BONIS:ANNO:D(OMI)NI:M:D:LVII

  2. B

    HERMAN·W(ERNER) / V(ON) FREIBERGK

Übersetzung:

Während die Gestade Sachsens, durch ihr Schicksal zerrissen und den Kriegen preisgegeben, ihren gefangenen Fürsten beweinten und auch die Kirchen trauerten und die ihnen beigegebenen Pflanzstätten, die Schulen, die dem Geiste das, was die wahren Güter sind, vermitteln; da hat jener, den Wissenschaften und schönen Künsten geneigt, hier – trotz seiner Abwesenheit – den aonischen Chören (= den neun Musen) erwünschte Ruhe gegeben. Die drei Brüder, hochgesinnte Nachkommen des Vaters, ihm gleich an Gesinnung und an Frömmigkeit, schmückten diese Zierde noch weiter aus. Christus, du höchster Beschützer und Hüter deiner Gemeinde, verleihe Frieden, damit du durch gute Studien verherrlicht werdest. – Im Jahre des Herrn 1557.

Wappen:
Sachsen, ernestinische Linie.2)

Kommentar

Der Treppenturm der ehem. Universitätskirche mit dem Staatswappen der Ernestiner wurde 1557 erbaut.3) Er entstand bei der Einrichtung der ehem. Klosterkirche als Studentenkonvikt,4) zu dessen vier Geschossen er den Zutritt ermöglichen sollte. Die Umbauten leitete der Landesbaumeister Nikel Grohmann.5) Das Epigramm verfaßte der erste Rektor der Jenaer Hohen Schule, der bedeutende neulateinische Dichter Johann Stigel.6) Es verweist auf die Not des Schmalkaldischen Krieges, die fünfjährige Gefangenschaft des Kurfürsten Johann Friedrich I., der während dieser Zeit als Ersatz für den Verlust der Wittenberger Universität die Jenaer Schule einzurichten bestimmte, und die Ausführung dieses Planes am 19. März 1548 durch seine drei Söhne Johann Friedrich II. und III. sowie Johann Wilhelm.7) Auch der weitere Ausbau der Salana wird angedeutet. Seit 15558) bemühten sich die drei Herzöge um eine Privilegierung der Schule beim Kaiser. Allerdings wird mit ORNARVNT kaum auf die Erhebung zur Universität, die sich April 1557 andeutete und am 15. August 1557 durch den Kaiser Ferdinand I. unterzeichnet wurde, angespielt. Die Wappentafel ist bereits Anfang 1557 von dem aus Freiberg stammenden Bildhauer Hermann Werner9) in Gotha gefertigt und von dem Jenaer Maurer Wolf Burkhard10) und fünf Gesellen im Mai 1557 eingebaut worden.11) Die farbige Fassung besorgte der Cranach-Schüler Peter Roddelstedt.12)

Das Epigramm hat Stigel unter Hinzufügung eines Schlußdistichons in seine Gedichtsammlung aufgenommen.13)

Textkritischer Apparat

  1. fünf elegische Distichen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wennig 1939, 75.
  2. Souv 1, 23, Taf. 37 (mit Abweichungen, daher hier blasoniert): Hauptschild zweimal gespalten und dreimal geteilt; 1. Pfalzgfsch. Sachsen, 2. Landgfsch. Thüringen, 3. Markgfsch. Meißen, 4. Gfsch. Orlamünde, 5. Hzgm. Sachsen, 6. Herrschaft Pleissen, 7. Gfsch. Brehna, 8. Gfsch. Landsberg, 9. Pfalz Thüringen, 10. Regalien, 11. Gfsch. Altenburg, 12. Herrschaft Eisenberg. Helme: 1. Thüringen, 2. Hzgm. Sachsen, 3. Meißen.
  3. Wahl 1985, 645. Die Überlieferung bei Beier 1681, 44, der Turm sei bereits 1548 unter Nikolaus Zöllner begonnen worden, ist falsch.
  4. Dazu ausführlich Wahl 1985, 642–656.
  5. Zu Nikol Grohmann vgl. Thieme-Becker 15, 1922, 79–80.
  6. Zu Johann Stigel vgl. Nr. 78.
  7. Uber die Umstände, die zur Gründung der Jenaer Hohen Schule führten, vgl. Geschichte der Universität Jena, 1, 24–30.
  8. Vgl. Wahl 1985, 642.
  9. Zu Hermann Werner vgl. Knebel 1899, 67. Seine Mitarbeit an Grohmanns Schloßbauten in Altenburg und Gotha ist ebenfalls nachgewiesen, vgl. Thieme-Becker 35, 1942, 409.
  10. Wolf Burkhard (vgl. Apel 1937, 37) tritt als Maurer zwischen 1547/74 in Jenaer Urkunden auf.
  11. Vgl. Burkhard 1860, 236 Anm. 2.
  12. Wahl 1985, 645. Zu Peter Roddelstedt vgl. Nr. 76; der Maler bekommt 30 Gulden Entlohnung, Hermann Werner 46 Gulden.
  13. M. Johannis Stigelii Poemata ..., Jena 1600³, lib. IX, S. 396. Die Schlußverse lauten: Illorum haec surgens insignia cochlea monstrat / munificosq(ue) docet sumptibus esse Duces (Dieser sich erhebende Treppenturm zeigt ihr Wappen und lehrt, daß die Herzöge freigiebig Kosten nicht scheuen). Eine Würdigung des Epigramms bei Schmidt 1980, 24–25.

Nachweise

  1. Wette 1756, 49.
  2. Wiedeburg 1785, 227.
  3. Schreiber/Färber 1858, 91–92.
  4. Koch, D 19a, 151b.
  5. Schmidt 1980, 23–24.
  6. Hallof 1987a, 19–20 und 41; 13 Abb. 7 und 40 Abb. 15.
  7. Vgl. BuKTh Jena, 1888, 114 und Taf. nach S. 114.
  8. Koch 1934e, 78.
  9. Wennig 1939, 75.
  10. Mühlmann 1956, 45–46 m. Abb. 15 (Nachzeichnung).
  11. Steiger 1980, 49 und 48 Abb. 38.
  12. Wahl 1985, 645 und 646 Abb. 2.
  13. Wahl/Wennig 1987, 220.
  14. Traeger 1988, 18 Abb. 11.

Zitierhinweis:
DI 33, Stadt Jena, Nr. 69 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di033b005k0006909.