Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)
Nr. 307 Schellerten, ev. Kirche 1608
Beschreibung
Fünf Eckquader an der Nordwestecke des Turms.1) Stein. Die Steine tragen von oben nach unten folgende Inschriften: Stein I mit Vollwappen und Jahreszahl A; Stein II mit den ersten vier Zeilen von Inschrift B; Stein III mit der letzten Zeile von Inschrift B und der Inschrift C; Stein IV mit den Initialen D und einem daruntergesetzten Meisterzeichen (M 20) sowie der Inschrift E, Stein V mit Inschrift F, die um die Ecke nach Westen verläuft. Oberhalb der Steine I–V zwei weitere Steine mit Inschriften aus dem Jahr 1934.2) Die Inschriften sind erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt, die Ziffern und die Währungsangabe in Inschrift F konturiert eingehauen.
Maße: Bu.: ca. 4 cm (A, C, D), ca. 4–6 cm (B), 5–6 cm (E), 6 cm (F).
Schriftart(en): Kapitalis (alle lateinischen Texte: A, B SI … ERIT, D–F), Fraktur (alle deutschen Texte: B olrich … schellerten, C).
- A
ANNO 1608
- B
H(err) olrich Gerlandt / von hilsem pastor / zv schellerten / SI SATIS EST ACCVSARE QV(IS)a) // INNOCENS ERIT3)
- C
de olderlvte Cvrd Carstens hans sone / hinrich Groten der alte
- D
· M · M · O ·
- E
IOHANNES GROTEN / AEDITVVS
- F
HANS LANCOP · ALTARISTEN / BERENT BERENDES // HIR ZV VORERT / 50 flb)
Übersetzung:
Wenn es schon genügt, Anklage zu erheben – wer wird sich dann als
unschuldig erweisen? (B). Johannes Groten, Küster (E).
Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig-Wolfenbüttel4) |
Textkritischer Apparat
- QV(IS)] Befund: eingerolltes Q und V sowie ein Punkt auf der Grundlinie als Kürzungszeichen.
- fl ] fl(oreni ) = Gulden.
Anmerkungen
- Eine vergleichbare Anordnung von Inschriften findet sich an der Nordseite des Turms der Kirche in Ottenstein, vgl. DI 83 (Lkr. Holzminden), Nr. 160.
- A(NNO) D(OMINI) 1933/34 IST ZUR EHRE GOT=/TES V(ON) D(ER) GEMEINDE BESCHAFFT: KUPFER A(UF) D(EM) TURM U(ND) ERNEUE=/RUNG D(ES) INNEREN U(ND) D(ER) ORGEL // PAST(OR) J. KIRCHBERG / K(IRCHEN)VORST(EHER) H. JORDAN / H. WEHRSPANN / E. ROFFMANN / G. BOHNE.
- Vgl. Walther, Proverbia, Bd. 4, Nr. 28211: Si accusasse sufficit, quis innocens erit und Walther, Proverbia, Bd. 4, Nr. 29136 Si satis accusare foret, quis criminis expers.
- Vgl. Peter Veddeler, Landessymbole. In: Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, hg. von Rüdiger Jarck u. Gerhard Schildt. Braunschweig 2000, S. 79–98.
- Bertram, Bistum, Bd. 2, S. 423.
- Vgl. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 345.
- Vgl. Engfer, Kirchliche Visitation, S. 116f.
- Vgl. Plath, Konfessionskampf, S. 104f.
- Matrikel Helmstedt, Bd. 1, S. 92; Nr. 192 mit der Anmerkung: „wegen Ehebruch auf 10 Jahre relegiert 27. 3.1598“; Matrikel Wittenberg, Bd. 2, S. 438, Z. 33.
Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 307 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0030703.
Kommentar
Die C-Versalien in Inschrift C haben die Form vergrößerter Minuskel-e mit einem Häkchen am oberen Bogen; der Kapitalis-Versal M in Inschrift B mit heruntergerücktem Mittelteil; das eingerollte Q in (B) steht auf der Grundlinie.
Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig-Wolfenbüttel (reg. 1589–1613) war seit 1604 Patron der Kirche in Schellerten.5) Er bestätigte den dort seit 1599 amtierenden evangelischen Pfarrer Ulrich Gerland6) und unterstellte ihn dem Konsistorium in Wolfenbüttel. Die Gemeinde Schellerten gehörte zwar zum Kleinen Stift und war damit dem Bischof von Hildesheim als Landesherrn unterstellt, Gerland blieb aber – wie seine Gemeinde – auch nach der Visitation von 1608/1609 evangelisch.7) Bischof Ernst von Bayern forderte 1611 aus der Ferne erneut die Absetzung des evangelischen Gerland in Schellerten, scheiterte aber in der Durchsetzung an der bischöflichen Regierung in Hildesheim, die einen Konflikt mit dem Wolfenbütteler Herzog vermeiden wollte.8) Ulrich Gerland hatte sich am 1. September 1591 in Helmstedt immatrikuliert, am 15. April 1597 in Wittenberg. 1598 wurde er wegen Ehebruchs auf 10 Jahre relegiert.9)