Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 248 Steuerwald, ehemalige bischöfliche Burg 1594, 1598 o. früher

Beschreibung

Zwei Wappentafeln, die untere mit einer zugehörigen Inschrifttafel. Stein. Die untere Wappentafel (I) war früher an der Mühle angebracht. Sie ist heute in die Wand eines Gebäudes an der Nordseite des Hofes eingelassen. Sie zeigt ein Vollwappen, darunter in 13 Zeilen Inschrift I erhaben in vertiefter Zeile. Die Inschrifttafel ist im unteren Teil zwischen der dritten und der vierten Textzeile durchgebrochen, die rechte Seite des Steins ist im unteren Bereich erneuert. In dem erneuerten Teil sind die verlorenen Teile der Inschrift nur durch Ritzungen stilisierter Buchstaben angedeutet. Oben am Gebäude eine weitere quadratische Tafel (II) mit einem Wappenschild, im Schildhaupt des Wappens die erhaben ausgehauene Inschrift.

Inschrift I ergänzt nach Mithoff.

Maße: Tafel I: H.: ca. 70 cm; B.: 60 cm; Bu.: ca. 2 cm. Tafel II: H.: 55 cm; B.: ca. 55 cm; Bu.: ca. 4 cm.

Schriftart(en): Fraktur (I), Kapitalis (II).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/1]

  1. I

    Anno Dom(ini) 1594 Bey Zeitt Vnd Regiervn(g) / des Hochwvrdigsten Dvrchleychttigsten vnd / Hochgebornen Fvrsten Vnd Herrn Herrn / Ernsten erwohleten Vnd Beste[ttigten] / Ertzbischouen Zu Colln Des Heillige[n Röm]isch[en]a) / Reichs Durch Italien Ertzcantzlern Vn[d Churfürst] / Bischouen Zu Luttich AdminStratorn der [Stifter]a) / Munster Hildeszheimb Vnd Freising Furst[ – – – ]b) / Pfalgarauenc) Bey Rhey[n Z]u obern Vnd [niedern Beyern]d) / Zu Wesphalene) Engern Vnd Bvillon [Hertzogen]f) / Mar[gra]uen Zu [Fr]ancimondt Ist diess M[ühlen] / Sambtt dem Flottwerch1) Verferttigett Vnd [nev]a) / Wurdenn

  2. II

    E(BERHARD) V(ON) E(SSEN)

Wappen:
Ernst von Bayern, Erzbischof von Köln2)Essen3)

Kommentar

Die Inschrift weist drei verschiedene u- bzw. v-Formen auf: Zum einen die hier als Versal-V transkribierte Form, weiterhin das v, dessen rechter Schaft als Schwellzug gestaltet und durch einen Anstrich oben mit dem linken Schaft verbunden ist, und als dritte Form u mit unten nach rechts gebrochenem rechten Schaft. Das zweistöckige z steht auf der Grundlinie und ragt oben über das Mittelband hinaus, der Deckbalken ist zum Anstrich reduziert, der Bogen als Schlinge ausgeführt.

Steuerwald diente den Hildesheimer Bischöfen als bevorzugte Residenz außerhalb der Stadt und war seit ihrer Errichtung durch Bischof Heinrich II. (1310–1318) bis zum Ende des 16. Jahrhunderts die „wichtigste Stütze bischöflicher Macht“ gegen die immer selbstbewusster gegen ihren Landesherrn auftretenden Hildesheimer Bürger.4)

Die Steuerwalder Mühle war eine Getreidemühle, der später Ölgänge angefügt wurden. Im Jahr 1563 kam eine Schleifmühle hinzu. Sie gehörte dem Hildesheimer Bischof. Die Mühle brannte 1905 ab.5)

Herzog Ernst von Bayern (geb. 1554) wurde am 7. März 1573 zum Bischof von Hildesheim postuliert und empfing 1577 von Kaiser Rudolf II. die Regalien des Hochstifts. Er residierte als Bischof in Steuerwald lediglich von Oktober 1580 bis zum 3. Juni 1581. In diesem Jahr wurde er zum Bischof von Lüttich gewählt und 1583 zum Erzbischof von Köln erhoben. 1585 erhielt er noch das Bistum Münster hinzu, während er das Bistum Freising bereits als Zwölfjähriger übertragen bekommen hatte. Bischof Ernst starb am 17. Feburar 1612 und wurde im Kölner Dom bestattet.6)

Die in der Inschrift genannte Titulatur entspricht der auf einem Wappenschmuckblatt überlieferten lateinischen Titulatur Bischof Ernsts7), lediglich die dort am Schluss genannten Grafschaften Looz, Longien und Horn fehlen in der Inschrift.

Der in Inschrift B nur mit seinen Initialen genannte Eberhard von Essen war von 1593 bis 1598 Amtmann in Steuerwald.8)

Textkritischer Apparat

  1. Klammern so bei Mithoff.
  2. Fehlt bereits Mithoff. Entsprechend der Titulatur auf einem Wappenschmuckblatt Bischof Ernsts (vgl. Kommentar u. Anm. 7) müsste hier die Abtei Stablo genannt sein.
  3. Pf algarauen] Statt Pfalzgrauen.
  4. niedern Beyern] nied[ern Beyern] Mithoff.
  5. Wesphalen] Statt Westphalen.
  6. Hertzogen] Hertz[ogen] Mithoff.

Anmerkungen

  1. Flottwerch lexikalisch so nicht belegt. Gemeint ist wahrscheinlich das Flutbett, ein aus Eichenbohlen gefertigtes Wassergerinne an der Mühle, vgl. DWb, Bd. 3, Sp. 1860.
  2. Prunkwappen des Herzogs Ernst von Bayern, Erzbischofs von Köln. Über Schildfuß dreimal geteilt, die drei oberen Reihen je dreimal, die vierte Reihe viermal gespalten, das Ganze mit einem Herzschild belegt. Herzschild: Erzbistum Köln (Kreuz), 1. Bistum Lüttich (Kreuz [statt einer mit einem Kreuz besetzten Säule] auf Stufensockel, aus dem seitlich zwei vorderhalbe Löwen hervorkommen), 2. Bistum Münster (Balken), 3. Bistum Hildesheim (gespalten), 4. Bistum Freising (gekrönter Mohrenkopf im Profil), 5./10. Pfalz (gekrönter Löwe), 6./9. Bayern (hier gerautet statt schräggerautet), 7. Herzogtum Westfalen (springendes Pferd), 8. Herzogtum Engern (drei Seeblätter), 11. Arnsberg (Adler), 12. Loos (gestreift), 13. Abtei Stablo (schreitendes Lamm mit geschultertem Krummstab zwischen zwei Bäumen), 14. Bouillon, vordere Wappenhälfte (Balken), 15. Abtei Malmédy (Drache), 16. Bouillon, hintere Wappenhälfte (Kreuz [statt einer mit einem Kreuz besetzten Säule] auf Stufensockel), 17. Franchimont (drei Löwen), 18. Horn (drei Hiefhörner). Der Schild bekrönt von einem Kurhut (mit überdimensioniertem Reichsapfel), der flankiert wird von zwei Helmen, rechts Bayern (über Helmkrone ein hockender gekrönter Löwe zwischen gestreiftem [statt schräggerautetem] Flug), links Pfalz (über Helmkrone ein hockender gekrönter Löwe zwischen zwei schräggerauteten Büffelhörnern). Hinter den Kurhut sind die geistlichen Prunkstücke gelegt. Mitra, hinterlegt von gekreuztem Krummstab und Schwert. – Für freundliche Hilfe bei der Beschreibung des Wappens danke ich meinem Kollegen Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  3. Wappen Essen (querliegender Ast, von dem nach oben zwei gekreuzte und nach unten drei einzelne Blätter abgehen).
  4. Hans-Georg Aschoff, Das Bistum Hildesheim von seiner Gründung bis zur Säkularisation – Ein Überblick. In: Kat. Ego sum, S. 11–29, hier S. 14.
  5. Vgl. Flöckher, Mühlen, S. 35f. mit weiteren Angaben.
  6. Alle Daten nach Bertram, Bischöfe, S. 149–154. Dort ausführliche Biografie. Zu Bischof Ernst von Bayern als Inhaber der Propstei an St. Mauritius in Moritzberg s. Nr. 269.
  7. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5,1, Tafel 102.
  8. Vgl. Klingebiel, Lokale Amtsträger, S. 698 mit weiteren Angaben.

Nachweise

  1. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim, S. 234 (nach einer Zeichnung von Herrn Landbau-Inspektor Heins).

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 248 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0024809.