Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 124 Farmsen, kath. Kirche Unbefleckte Empfängnis Mariä 1. V. 16. Jh.

Beschreibung

Standfiguren der Madonna auf der Mondsichel und des heiligen Godehard.1) Holz, farbig gefasst. Provenienz unbekannt, möglicherweise aus dem Vorgängerbau der heutigen, im Jahr 1936 errichteten Kirche.2) Die beiden Figuren sind an der Wand neben dem Chorraum angebracht, links die Madonna, rechts Godehard mit gedrehtem Stab und Buch. Auf dem Saum seines Gewandes die Inschrift A. Inschrift B auf dem Brustriegel des Kleides der Madonna, C auf dem Saum ihres Gewandes. Die Inschriften sind glatt erhaben vor mit Zackenlinien gestricheltem Hintergrund ausgeführt. In Inschrift C ändert sich die Leserichtung der Buchstaben mehrfach. Als Worttrenner einfache und konturierte Rauten, deren Spitzen teilweise verziert sind.

Maße: H.: 111 cm (Godehard), 114 cm (Madonna); Bu.: 3,5 cm (A), 2,8 cm (B), 5,5 cm (C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. A

    GODHART · ORA PRO · NOBIS ·

  2. B

    [.]ARIAa)

  3. C

    REGI · · N[.]b) · · MAE · INA · CEGINA · CE // AT · MARIA // AVE3)

Übersetzung:

Godehard, bitte für uns. (A)

[…] Maria, gegrüßt seist du. (C)

Kommentar

Die Inschriften sind in der für Gewandsäume und Nimben typischen frühhumanistischen Kapitalis ausgeführt. In dieser Verwendung haben die Buchstaben in erster Linie ornamentalen Charakter und ergeben oft keinen zusammenhängenden Sinn wie hier in Inschrift C.4) Die hier verwendeten Buchstabenformen sind vergleichsweise schlicht ausgeführt: A mit beidseitig überstehendem Deckbalken und geknicktem Mittelbalken, epsilonförmiges E, C nahezu geschlossen mit ausgeprägten Sporen, G mit weit nach innen eingezogenem Bogenende und großen Sporen, R mit s-förmig geschwungener Cauda. Ein Worttrenner ist als konturierte Raute ausgeführt, deren Spitzen jeweils durch drei Punkte betont werden. Insgesamt sind die Buchstaben eher dem schlichten Typ der frühhumanistischen Kapitalis verpflichtet, wie sie u. a. auf dem Altar in Reinhausen (Lkr. Göttingen) und auf der Hildesheimer Epiphanius-Figur verwendet worden sind, die auch den erwähnten Worttrenner in ähnlicher Form aufweist. Die Figuren mit den typischen Gewandsauminschriften sind sämtlich im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts entstanden.5)

Textkritischer Apparat

  1. Zu ergänzen ist [M]ARIA, der erste Buchstabe möglicherweise als byzantinisches M ausgeführt.
  2. Lesung des letzten Buchstabens unsicher, erkennbar sind zwei parallele Schäfte.

Anmerkungen

  1. BGV Hildesheim, Kunstinventar Schellerten-Farmsen, Unbefleckte Empfängnis Mariens, Inv. Nr. II.1 u. Inv. Nr. II.2.
  2. Farmsen ist in Kdm. Kreis Marienburg (1910) nicht eigens behandelt. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstenthum Hildesheim (1875), S. 35 erwähnt für Farmsen lediglich eine Fachwerkkapelle, die als Filialgemeinde zu Ottbergen gehörte.
  3. Ein sinnvoller Text ist nicht herzustellen, zugrunde liegen möglicherweise der Anfang des Mariengebets Ave Maria nach Lc. 1,28 und die Marien-Antifon eines unbekannten Verfassers Regina celi laetare (Corpus Antiphonalium Officii, Bd. 3, Nr. 4597), die im Officium monasticum für den Abschluss der Tageshoren bestimmt ist; vgl. Marienlexikon, Bd. 5, S. 435–437.
  4. Näheres zu den oftmals sinnlosen Buchstabenfolgen auf Gewandsäumen s. Kloos, Einführung, S. 45–48; Arnold, Gemälde-Inschriften, S. 116–120.
  5. Vgl. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 312; weiterhin die Werke des Epiphanius-Meisters, ebd. Nr. 273, 275 u. 277 (alle nicht datiert); zum Altar in Reinhausen: DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 114 (datiert 1507).

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 124 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0012404.