Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)
Nr. 41† Schlewecke, ev. Marienkirche 1479
Beschreibung
Altarretabel mit einer Darstellung der Marienkrönung im Schrein. Im Corpus Bonorum von 1750 ist der Altar als das einige Stück, welches aus dem Alterthum übrig bezeichnet.
Inschrift nach Corpus Bonorum.
- A
Regina celi letare alleluia Qvia que(m) meruisti portare alleluia Resurrexit sicut dixit alleluia Ora pro nobis Deum alleluia1)
- B
Completum est opus illud in Hildensem per me Conradum Borgentrich sub Anno Domini m cccc lxx ix in vigilia anu(n)ctiac(i)o(n)is marie virginisa)2)
Übersetzung:
Himmelskönigin, freue dich, Halleluja, weil der, den du würdig warst zu tragen, Halleluja, auferstanden ist, wie er gesagt hat, Halleluja. Bitte Gott für uns, Halleluja. (A)
Vollendet ist dieses Werk in Hildesheim durch mich, Konrad Borgentrik im Jahr des Herrn 1479 am Tag vor dem Fest Mariae Verkündigung. (B)
Textkritischer Apparat
- virginis] virgine Corpus Bonorum.
Anmerkungen
- Corpus Antiphonalium Officii, Bd. 3, Nr. 4597. Die Marien-Antifon eines unbekannten Verfassers ist seit ca. 1200 überliefert und im Officium monasticum für den Abschluss der Tageshoren bestimmt, vgl. Marienlexikon, Bd. 5, S. 435–437.
- 24. März.
- Vgl. DI 35 (Stadt Braunschweig I), Nr. 215. Näheres zu Konrad Borgentrik s. dort. – Die Lebensdaten Borgentriks nach Ludwig Hänselmann, Kort Borgentryk, Maler und Bildschnitzer in Braunschweig, 1457–1502, in: Braunschweigische Nachrichten. Beilage zu den Braunschweigischen Anzeigen 1875, S. 288–290, hier S. 290; s. a. Thieme/Becker, Bd. 4, S. 354. Der Verfasser des Artikels, Paul Jonas Meier, erwähnt einen weiteren, aus stilistischen Gründen Konrad Borgentrik zuzuweisenden Altar, der über die Goslarer Sammlung Fenkner, die einzelne Ausstattungsstücke des Goslarer „Doms“ enthielt, nach Utrecht gekommen sein soll.
- Richter, Gotik in Gandersheim, S. 46–53, Kat. Nr. 7; vgl. auch Christine Wulf, DIO 2 (Kanonissenstift Gandersheim), Nr. 24. Online unter: http://www.inschriften.net/gandersheim/inschrift/nr/dio002-0024.html(letzter Zugriff am 01.11.2013).
- Nähere Ausführungen zu Maria Mater gratie s. dort.
- Auf den Retabeln Hans Raphons sind die Verse: Tantus amor pietasque … angebracht, vgl. DI 19 (Stadt Göttingen), Nr. 56 u. DI 75 (Halberstadt I, Dom), Nr. 161. Die Schnitzretabel aus der Bildhauer-Werkstatt des Bartold Kastrop zeigen – allerdings auch nicht ausnahmslos, wie DI 19 (Stadt Göttingen), Nr. 57 belegt – das sogenannte ,Gebet Sixtus’ IV.‘ Ave sanctissima Maria Mater Dei, vgl. DI 66 (Lkr. Göttingen), Nr. 82 u. 116.
Nachweise
- Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel, Corpus Bonorum Schlewecke von 1750.
- Kdm. Kreis Gandersheim, S. 406.
- Palandt, Marienkirche, S. 14.
Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 41† (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0004100.
Kommentar
Die Inschriften A und B des Schlewecker Retabels stimmen – abgesehen von den spezifischen Angaben zur Herstellung – mit denen des heute im Städtischen Museum Braunschweig befindlichen, ursprünglich für Hemmerde bei Unna gefertigten Retabels von 1483 überein. Beide Retabel stammen von dem Braunschweiger Bildschnitzer Konrad Borgentrik (1457–ca. 1502),3) der, wie die Inschrift B bezeugt, zunächst in Hildesheim gearbeitet hat. Auf diesen Meister geht auch das ehemals für die St. Nicolai-Kirche in Alfeld gefertigte Retabel (Nr. 84) zurück, das wahrscheinlich ebenfalls das Regina coeli als Inschrift trug, zumindest ist das im 19. Jahrhundert erneuerte Retabel (heute Köln, Minoritenkirche) mit einer Kamminschrift dieses Wortlauts versehen.
Als eine weitere Arbeit Borgentriks konnte Jan Friedrich Richter aufgrund einer neuentdeckten Künstlersignatur den gegenwärtig in der Gandersheimer Stiftskirche aufgestellten Dreikönigsaltar erweisen.4) Auf diesem Retabel ist heute neben der Künstlersignatur die Inschrift Maria Mater gratiae, mater misericordiae … zu sehen, Richter vermutet aber, dass das Regina coeli vor dieser Marienstrophe gestanden hat. Auch das oben genannte Alfelder Retabel zeigte neben dem Regina coeli die Inschrift Maria Mater gratiae (Nr. 84).5) Die beiden Marienstrophen Regina coeli und Maria Mater gratie dürften folglich typisch für die Retabel der Borgentrik-Werkstatt gewesen sein.
Gleichartige Inschriftentexte auf Retabeln ein und derselben Werkstatt lassen sich nicht nur an den Arbeiten Konrad Borgentriks beobachten. Auch die Retabel Hans Raphons und Bartold Kastrops zeigen jeweils werkstatttypische Inschriftentexte.6) Für den Quellenwert dieser Inschriften bedeuten solche Werkstatt-Traditionen, dass sie zwar bei der Zuordnung eines Retabels zu einem bestimmten Meister einen wichtigen Anhaltspunkt bieten können, aber kaum Rückschlüsse auf die konkreten frömmigkeitsgeschichtlichen Rahmenbedingungen ihrer Herstellung oder die Intentionen der Auftraggeber erlauben.