Inschriftenkatalog: Landkreis Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 88: Landkreis Hildesheim (2014)

Nr. 462 Bodenburg, ev. Kirche St. Johannis 17. Jh.

Beschreibung

Gemälde.1) Öl auf Holz. Porträt Martin Luthers. Im Westteil der Kirche innen an der Südwand angebracht. Das in einen breiten Holzrahmen gefasste Bild zeigt Luther in Halbfigur, in beiden Händen die Bibel haltend. Seine Rechte ruht auf einer Brüstung, die das Porträt von einem querrechteckigen Feld mit der in zehn Zeilen ausgeführten Inschrift A trennt. Die Jahreszahl B auf der Kante, zwischen den Ziffern die Schlange mit aufgerichteten Flügeln als Zeichen der Cranach-Werkstatt. Alle Inschriften sind dunkel auf hellem Grund gemalt. Als i-Punkte stehen Zierbögen.

Maße: H.: 104,5 cm (mit Rahmen); B.: 82 cm (mit Rahmen); Bu.: 0,6 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Christine Wulf) [1/2]

  1. A

    Da man zalet nach der geburdt Christi · 1483 · iar am 10 tag Nouembris ward geborn der Erwirdige herr Doctor Martinus Luther / Gottseliger zu Eisleben im Sachsen land · Als er aber nach ettlichen Jaren da man zalet · 1508 · Jar von Erphurdt aus dem Augustiner Closter / gegen Wittemberg auf die hohen Schul beruffen worden, hat er sich alda mitt offentlichem lehren vnd predigen gewaltiglich beweiset, Also das mann / leicht vnd wol abnemen kunnt, das er zu einem sunderlichem werckzeug Gottes gesandt were · hernachmals da man zalet · 1517 · iar ward ein prediger/munch, Johann Detzel, vom pabst in Deutschland abgefertigt, daselbst durch Abblas brieff gelt zu samlen, Derselbige liese sich allenthalben mit vnvor=/schambten worten, inn seinem predigem horen vnd furet sunst ein ser boses ergerlichs leben · Wieder diesen abblasprediger schluge Doctor Martinus ein / öffentliche Disputation zu wittemberg an die Schlosskirch. Da sich aber nun der Detzel mit der heiligen Schriefft nicht kunte vorantworten Fieng er / an mit Schwerd vnd Feuer sich zu weren, Vnd gab also darmit dem Luther vrsach solch gottselig werck im gottes namen volgend anzufangen vnd zu uolbringen, Bis er im 1546 · Jar am · 17 · tag Februarij vmb drei ohr nach mitternacht, zu Eisleben, do er auch in christo Jesu seinem hailand / Seligelich entschlaffen, vnd hernach zu Wittemberg in der Schlosskirtha) beim predigstul ser erlich zur erden bestattet worden · seines [a]lters in drei und sechzigsten Jar

  2. B

    15 44

Kommentar

In Inschrift A sind zwei r-Formen zu beobachten, zum einen das eher selten und nur im Wortinneren verwendete Schaft-r, zum anderen ein in allen Positionen benutztes Bogen-r in Form zweier gegenläufiger übereinandergesetzter Bögen, die sich berühren. Weder die Buchstabenformen der Inschrift noch die Art der Darstellung können Anhaltspunkte zur Datierung des Gemäldes geben, da die Kopie sich um eine möglichst getreue Wiedergabe des Originals bemüht. Vorlage war, wie die Signatur erkennen lässt, die letzte Darstellung Luthers aus der Cranach-Werkstatt (vgl. Anm. 1), die nach Luthers Tod seriell kopiert wurde und zwar sowohl als bloßes Porträt als auch, wie im vorliegenden Fall, in Kombination mit dem beigegebenen Text. Ein identisches Bild ist u. a. in der St. Georgs-Kirche in Pyrbaum (Bayern) nachzuweisen.2) Die Ähnlichkeit beider Bilder geht so weit, dass die eher an eine Drucktype als an eine epigrafische Fraktur erinnernden Buchstabenformen der Inschrift und sogar ihre Zeilenumbrüche übereinstimmen.

Die Inschrift stilisiert propagandistisch Luther als Werkzeug Gottes und wertet damit auch die Reformation als Werk Gottes. Das Jahr 1517 wird als entscheidend hervorgehoben mit dem Verweis auf den Anschlag der 95 Thesen und auf die Ablasskampagne Tetzels.

Textkritischer Apparat

  1. Schlosskirth] Statt Schlosskirch.

Anmerkungen

  1. Das Gemälde gibt die letzte Darstellung Luthers (vor dem Totenporträt) aus der Cranach-Werkstatt wieder. Vgl. Max J. Friedländer/Jakob Rosenberg, Die Gemälde von Lucas Cranach. Basel/Boston/Stuttgart 21979, hier S. 156, Nr. 423; Dieter Koepplin/Tilman Falk, Lukas Cranach. Gemälde, Zeichnungen Druckgraphik. Ausstellung im Kunstmuseum Basel, 15. Juni bis 8. September 1974. 2 Bde. Basel/Stuttgart 1976, hier Bd. 2, S. 719, Nr. 648 mit Abb. 354.
  2. Wikimedia Commons. Gemälde mit dem Porträt von Martin Luther. http://commons.wikimedia.org/wiki/File:St_Georg_-_Pyrbaum_0031.jpg (letzter Zugriff am 10.09.2013).

Zitierhinweis:
DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 462 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0046209.